sechs Monaten ist an kein Baden zu denken. Essen thu' ich beinah noch nicht. Ohne Nettchen wäre ich gestorben: die Kousine ward verschrieben, weil's Einer nicht aushielt: als sie kam, saß ich schon am Fenster. Ich genas. Und nun keine Klage mehr. Fluch war's. Ist's. Fluch auf Flüche! Nach zehn Jahren kann ich auf diese Weise nicht reisen. Muß auf diese Weise dem Sommer, auch im Genesen, das Fen- ster zumachen. -- Markus meint, du würdest kommen! Schön! Segen! Adieu, morgen und Sonnabend mehr. Dies sind meine ersten Zeilen. Schreib mir auch! Ich fahre alle Tage aus. Adieu. -- Als ich grade im Fieber lag, war die schmerz- lichste Hitze: die Sonne auf mein Zimmer; ein heißer Umschlag auf meinen Leib. Ich bekam einen Ausschlag: dabei mußt' ich schwitzen. Gott, was giebt's! Adieu, verzeih die Erzäh- lung. Es wird auch Freude kommen. Adieu. --
Sonnabend Vormittag. Gestern, geliebter Bruder, hatte ich die große Agitation mit der Königin auszustehen. -- Man hatte mir ihre Krankheit nicht verborgen -- in der größten Höhe der meinen: Markus dachte mich damit zu trösten; zog mir bald den Tod zu. -- Wundere dich nicht! meine Fieber- phantasieen hatten darin bestanden, daß ich unaufhörlich Mama und Robert ihre Krankheiten sah. Ich litt fünf Wochen an Luft, und die Königin auch an der Brust! Du kennst Nerven. Ein Glück, ein Ungefähr, daß ich's überlebte. -- Ich fuhr gestern gleich nach Schöneberg, wohin ich immer fahre, wegen Feld und Landstraße und trockener Luft, und zerstreute mich sehr! Alles blüht, blinkt, lebt und webt! Solch Jahr gab's noch nicht. Unsere Gegend sieht reich aus.
ſechs Monaten iſt an kein Baden zu denken. Eſſen thu’ ich beinah noch nicht. Ohne Nettchen wäre ich geſtorben: die Kouſine ward verſchrieben, weil’s Einer nicht aushielt: als ſie kam, ſaß ich ſchon am Fenſter. Ich genas. Und nun keine Klage mehr. Fluch war’s. Iſt’s. Fluch auf Flüche! Nach zehn Jahren kann ich auf dieſe Weiſe nicht reiſen. Muß auf dieſe Weiſe dem Sommer, auch im Geneſen, das Fen- ſter zumachen. — Markus meint, du würdeſt kommen! Schön! Segen! Adieu, morgen und Sonnabend mehr. Dies ſind meine erſten Zeilen. Schreib mir auch! Ich fahre alle Tage aus. Adieu. — Als ich grade im Fieber lag, war die ſchmerz- lichſte Hitze: die Sonne auf mein Zimmer; ein heißer Umſchlag auf meinen Leib. Ich bekam einen Ausſchlag: dabei mußt’ ich ſchwitzen. Gott, was giebt’s! Adieu, verzeih die Erzäh- lung. Es wird auch Freude kommen. Adieu. —
Sonnabend Vormittag. Geſtern, geliebter Bruder, hatte ich die große Agitation mit der Königin auszuſtehen. — Man hatte mir ihre Krankheit nicht verborgen — in der größten Höhe der meinen: Markus dachte mich damit zu tröſten; zog mir bald den Tod zu. — Wundere dich nicht! meine Fieber- phantaſieen hatten darin beſtanden, daß ich unaufhörlich Mama und Robert ihre Krankheiten ſah. Ich litt fünf Wochen an Luft, und die Königin auch an der Bruſt! Du kennſt Nerven. Ein Glück, ein Ungefähr, daß ich’s überlebte. — Ich fuhr geſtern gleich nach Schöneberg, wohin ich immer fahre, wegen Feld und Landſtraße und trockener Luft, und zerſtreute mich ſehr! Alles blüht, blinkt, lebt und webt! Solch Jahr gab’s noch nicht. Unſere Gegend ſieht reich aus.
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ſechs Monaten iſt an kein Baden zu denken. Eſſen thu’ ich
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Kouſine ward verſchrieben, weil’s Einer nicht aushielt: als ſie
kam, ſaß ich ſchon am Fenſter. Ich genas. Und nun keine
Klage mehr. Fluch war’s. Iſt’s. Fluch auf Flüche! Nach
zehn Jahren kann ich auf dieſe Weiſe nicht reiſen. Muß
auf dieſe Weiſe dem Sommer, auch im Geneſen, das Fen-
ſter zumachen. — Markus meint, du würdeſt kommen! Schön!
Segen! Adieu, morgen und Sonnabend mehr. Dies ſind
meine erſten Zeilen. Schreib mir auch! Ich fahre alle Tage
aus. Adieu. — Als ich grade im Fieber lag, war die ſchmerz-
lichſte Hitze: die Sonne auf mein Zimmer; ein heißer Umſchlag
auf meinen Leib. Ich bekam einen Ausſchlag: dabei mußt’
ich ſchwitzen. Gott, was giebt’s! Adieu, verzeih die Erzäh-
lung. Es wird auch Freude kommen. Adieu. —
Sonnabend Vormittag. Geſtern, geliebter Bruder, hatte
ich die große Agitation mit der Königin auszuſtehen. — Man
hatte mir ihre Krankheit nicht verborgen — in der größten
Höhe der meinen: Markus dachte mich damit zu tröſten; zog
mir bald den Tod zu. — Wundere dich nicht! meine Fieber-
phantaſieen hatten darin beſtanden, daß ich unaufhörlich
Mama und Robert ihre Krankheiten ſah. Ich litt fünf
Wochen an Luft, und die Königin auch an der Bruſt! Du
kennſt Nerven. Ein Glück, ein Ungefähr, daß ich’s überlebte.
— Ich fuhr geſtern gleich nach Schöneberg, wohin ich immer
fahre, wegen Feld und Landſtraße und trockener Luft, und
zerſtreute mich ſehr! Alles blüht, blinkt, lebt und webt! Solch
Jahr gab’s noch nicht. Unſere Gegend ſieht reich aus.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/489>, abgerufen am 23.12.2024.
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