"die all dies Herrliche vollbracht", wie ist mir? Sehr wun- derbar, Marwitz. Mühsam, geplagt: nicht aber schlecht. Und wie schätze ich, wie empfind' ich, was ich habe, und was ich lieben kann. Sie schreiben mir. Adieu. Gott wie ist das Grün, wie zauberartig, verzaubert oft die Stadt. Wären Sie nur bis heute hiergeblieben, das mit Ihnen zu sehen! Von Schleiermachers und allem künftig! -- Sie wollen mir Bettine bitten. Denken Sie! --
An Alexander von der Marwitz, in Friedersdorf.
Berlin, Donnerstag Abend nach halb 11, den 16. Mai 1811.
"Mehr und Besseres kann Ihnen mein beunruhigtes, zerrüttetes Gemüth nicht geben." Diesen Schreck muß ich von Marwitz haben, das von meinem geliebtesten Freund er- leben! Wie oft könnte ein in Wunden zerrissenes Herz heilen, genesen, zum Leben berührt werden, in seiner Noth; von einem einzigen Blicke, von einem Worte, von einer Bewegung, einer Inflexion der Stimme, des geliebten Menschen, auf den der Ringende harrt; nicht aus Schwäche, aus Menschenelend harrt, und harren muß. Vergebens! Nicht Blick, nicht Wort, nicht Ton kommt zu uns: wir verschmachten, vergehen, leben nicht; und Welt, und wir selbst manchmal, wähnen uns ge- tröstet. "Die Menschen verstehen einander nicht," sagt Wer- ther. Sogar die Jammertöne werden nicht erkannt, die aus eines jeden Brust geschlagen werden; vom Andern nicht! dies ist wahr und schrecklich! Das andere Schreckniß besteht darin,
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„die all dies Herrliche vollbracht“, wie iſt mir? Sehr wun- derbar, Marwitz. Mühſam, geplagt: nicht aber ſchlecht. Und wie ſchätze ich, wie empfind’ ich, was ich habe, und was ich lieben kann. Sie ſchreiben mir. Adieu. Gott wie iſt das Grün, wie zauberartig, verzaubert oft die Stadt. Wären Sie nur bis heute hiergeblieben, das mit Ihnen zu ſehen! Von Schleiermachers und allem künftig! — Sie wollen mir Bettine bitten. Denken Sie! —
An Alexander von der Marwitz, in Friedersdorf.
Berlin, Donnerstag Abend nach halb 11, den 16. Mai 1811.
„Mehr und Beſſeres kann Ihnen mein beunruhigtes, zerrüttetes Gemüth nicht geben.“ Dieſen Schreck muß ich von Marwitz haben, das von meinem geliebteſten Freund er- leben! Wie oft könnte ein in Wunden zerriſſenes Herz heilen, geneſen, zum Leben berührt werden, in ſeiner Noth; von einem einzigen Blicke, von einem Worte, von einer Bewegung, einer Inflexion der Stimme, des geliebten Menſchen, auf den der Ringende harrt; nicht aus Schwäche, aus Menſchenelend harrt, und harren muß. Vergebens! Nicht Blick, nicht Wort, nicht Ton kommt zu uns: wir verſchmachten, vergehen, leben nicht; und Welt, und wir ſelbſt manchmal, wähnen uns ge- tröſtet. „Die Menſchen verſtehen einander nicht,“ ſagt Wer- ther. Sogar die Jammertöne werden nicht erkannt, die aus eines jeden Bruſt geſchlagen werden; vom Andern nicht! dies iſt wahr und ſchrecklich! Das andere Schreckniß beſteht darin,
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„die all dies Herrliche vollbracht“, wie iſt mir? Sehr wun-
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wie ſchätze ich, wie empfind’ ich, was ich habe, und was ich
lieben kann. Sie ſchreiben mir. Adieu. Gott wie iſt das
Grün, wie zauberartig, verzaubert oft die Stadt. Wären
Sie nur bis heute hiergeblieben, das mit Ihnen zu ſehen!
Von Schleiermachers und allem künftig! — Sie wollen mir
Bettine bitten. Denken Sie! —
An Alexander von der Marwitz, in Friedersdorf.
Berlin, Donnerstag Abend nach halb 11,
den 16. Mai 1811.
„Mehr und Beſſeres kann Ihnen mein beunruhigtes,
zerrüttetes Gemüth nicht geben.“ Dieſen Schreck muß ich
von Marwitz haben, das von meinem geliebteſten Freund er-
leben! Wie oft könnte ein in Wunden zerriſſenes Herz heilen,
geneſen, zum Leben berührt werden, in ſeiner Noth; von einem
einzigen Blicke, von einem Worte, von einer Bewegung, einer
Inflexion der Stimme, des geliebten Menſchen, auf den der
Ringende harrt; nicht aus Schwäche, aus Menſchenelend
harrt, und harren muß. Vergebens! Nicht Blick, nicht Wort,
nicht Ton kommt zu uns: wir verſchmachten, vergehen, leben
nicht; und Welt, und wir ſelbſt manchmal, wähnen uns ge-
tröſtet. „Die Menſchen verſtehen einander nicht,“ ſagt Wer-
ther. Sogar die Jammertöne werden nicht erkannt, die aus
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/513>, abgerufen am 23.12.2024.
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