starkes, aber zartes Herz. Einem verstehenden Menschen ist in der zerstückelten neuen Welt, wo Griechen, Römer, Bar- baren und Christen ausgehaust haben, nichts übrig, als das Heldenthum der Wissenschaft. Staatshelden, die erst ver- nichten und erobern sollen, haben und dürfen kein großes Bewußtsein haben. Sogar Staatsverwalter müssen den Kran- ken, den sie vor sich haben, talentartig, ziemlich empirisch und instinktartig behandeln. Auf eine andere Weise gebricht der Muth, und der Augenblick, mit allen Vortheilen schwanger, avortirt. Sie nun sind der Mensch mit den doppelten Ga- ben, mit dem zwiefachen Sinn; und wie geknebelt, erdrosselt, stehen Sie mitten drin. Dies ist Ihr Unglück, Ihr Leid. Sie scheinen zu schwanken, und eine ausgesogene Welt ist es, die farb- und marklos um Sie her wogt. Ich spreche nicht, wie alle Menschen, von der armen französischen Revo- lution; die war schon da, eh sie ausbrach. Zu zerrieben lie- gen die Elemente der Menschheit von den Jahrhunderten da, weil es der Staub der Trümmern ist, die Gottlosigkeit und Blödsinn geschlagen haben; nicht eine heilsame Mischung, durch frommes Beginnen und ehrliches Handeln erzeugt. Ist sie ganz in chaotischem Aufruhr, die Welt, so strebt der Geist hinweg, nach dem Himmel; eine Religion bringen die Seuf- zer, die elans der Seele, von ihm herab; zweimal kommt sie nicht in gleicher Gestalt, und da diese für die Erde ist, ist auch keine ewige vorhanden; es ist auch jetzt eine neue Reli- gion da. Mir ist sie verkündet, stark, in der Seele. Allein bin ich aber noch. Zu eitel sind noch meine Freunde. Die ganze Welt können jetzt nur die Schlechten umschaffen.
ſtarkes, aber zartes Herz. Einem verſtehenden Menſchen iſt in der zerſtückelten neuen Welt, wo Griechen, Römer, Bar- baren und Chriſten ausgehauſt haben, nichts übrig, als das Heldenthum der Wiſſenſchaft. Staatshelden, die erſt ver- nichten und erobern ſollen, haben und dürfen kein großes Bewußtſein haben. Sogar Staatsverwalter müſſen den Kran- ken, den ſie vor ſich haben, talentartig, ziemlich empiriſch und inſtinktartig behandeln. Auf eine andere Weiſe gebricht der Muth, und der Augenblick, mit allen Vortheilen ſchwanger, avortirt. Sie nun ſind der Menſch mit den doppelten Ga- ben, mit dem zwiefachen Sinn; und wie geknebelt, erdroſſelt, ſtehen Sie mitten drin. Dies iſt Ihr Unglück, Ihr Leid. Sie ſcheinen zu ſchwanken, und eine ausgeſogene Welt iſt es, die farb- und marklos um Sie her wogt. Ich ſpreche nicht, wie alle Menſchen, von der armen franzöſiſchen Revo- lution; die war ſchon da, eh ſie ausbrach. Zu zerrieben lie- gen die Elemente der Menſchheit von den Jahrhunderten da, weil es der Staub der Trümmern iſt, die Gottloſigkeit und Blödſinn geſchlagen haben; nicht eine heilſame Miſchung, durch frommes Beginnen und ehrliches Handeln erzeugt. Iſt ſie ganz in chaotiſchem Aufruhr, die Welt, ſo ſtrebt der Geiſt hinweg, nach dem Himmel; eine Religion bringen die Seuf- zer, die élans der Seele, von ihm herab; zweimal kommt ſie nicht in gleicher Geſtalt, und da dieſe für die Erde iſt, iſt auch keine ewige vorhanden; es iſt auch jetzt eine neue Reli- gion da. Mir iſt ſie verkündet, ſtark, in der Seele. Allein bin ich aber noch. Zu eitel ſind noch meine Freunde. Die ganze Welt können jetzt nur die Schlechten umſchaffen.
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ſtarkes, aber zartes Herz. Einem verſtehenden Menſchen iſt
in der zerſtückelten neuen Welt, wo Griechen, Römer, Bar-
baren und Chriſten ausgehauſt haben, nichts übrig, als
das Heldenthum der Wiſſenſchaft. Staatshelden, die erſt ver-
nichten und erobern ſollen, haben und dürfen kein großes
Bewußtſein haben. Sogar Staatsverwalter müſſen den Kran-
ken, den ſie vor ſich haben, talentartig, ziemlich empiriſch und
inſtinktartig behandeln. Auf eine andere Weiſe gebricht der
Muth, und der Augenblick, mit allen Vortheilen ſchwanger,
avortirt. Sie nun ſind der Menſch mit den doppelten Ga-
ben, mit dem zwiefachen Sinn; und wie geknebelt, erdroſſelt,
ſtehen Sie mitten drin. Dies iſt Ihr Unglück, Ihr Leid.
Sie ſcheinen zu ſchwanken, und eine ausgeſogene Welt iſt
es, die farb- und marklos um Sie her wogt. Ich ſpreche
nicht, wie alle Menſchen, von der armen franzöſiſchen Revo-
lution; die war ſchon da, eh ſie ausbrach. Zu zerrieben lie-
gen die Elemente der Menſchheit von den Jahrhunderten da,
weil es der Staub der Trümmern iſt, die Gottloſigkeit und
Blödſinn geſchlagen haben; nicht eine heilſame Miſchung,
durch frommes Beginnen und ehrliches Handeln erzeugt. Iſt
ſie ganz in chaotiſchem Aufruhr, die Welt, ſo ſtrebt der Geiſt
hinweg, nach dem Himmel; eine Religion bringen die Seuf-
zer, die élans der Seele, von ihm herab; zweimal kommt ſie
nicht in gleicher Geſtalt, und da dieſe für die Erde iſt, iſt
auch keine ewige vorhanden; es iſt auch jetzt eine neue Reli-
gion da. Mir iſt ſie verkündet, ſtark, in der Seele. Allein
bin ich aber noch. Zu eitel ſind noch meine Freunde. Die
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/518>, abgerufen am 23.12.2024.
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