aus Bekannten besteht, so ist sie auch aufgelöst und gar nichts. Vierter Punkt. Wissen Sie, warum man Ihnen den Menschen so lobte, hinter dem Sie nichts fanden? Sie sagen es selbst: "Ein Mensch, der ohne große Eitelkeit und ohne Heuchelei be- ständig wichtige und herzliche Mienen macht, während gar nichts in ihm vorgeht." Mienen, und das Äußere scharf auf das Innere zu beziehen, verstehen die wenigsten Menschen in der Welt; von den darstellenden Künstlern nur -- Gott! wie wenige; und diese werden, wissen Sie, auf den Galerien wie- der nicht verstanden, und solche bewundert -- nämlich mit Aufrichtigkeit -- die, wie Ihr guter Herr, wichtige, herzliche Mienen machten, wo nichts dahinter ist. "Preisen" thut die Welt gern die, die sie ohne weiteren Schaden und Inkommo- dität loben kann, die nichts verlangen von ihr, nichts sind, und in ihrer Sprache loben und tadlen, und worauf sie doch bequem, wenn auch ohne Überzeugung, ihre Faullenzer-Hoff- nungen schieben kann. Jedoch haben Sie Recht, ganz zu er- gründen, wie es übereinander geht, und die gesellschaftlichen Ursprünge, das geht nicht! -- Fünfter Punkt. Das Bild der todten Königin ist von den wenigen in der Welt, die ich be- sitzen möchte. Und nicht nur weil es unsere Königin ist, und mich so erschüttert hat. Sondern weil ich es meisterhaft finde, der ganze Horror des Todes ohne seinen Ekel! Sanft und schrecklich und mit Liebe berührt es uns, denn es ist noch schön! Und durchaus die größte, genauste Ähnlichkeit; bei weitem der Königin bestes Bild. Diese Ähnlichkeit der geschlossenen Augen! Man muß sie tausendmal genau angesehen, studirt haben, um es zu wissen. Wie freue ich mich, daß wir auch
aus Bekannten beſteht, ſo iſt ſie auch aufgelöſt und gar nichts. Vierter Punkt. Wiſſen Sie, warum man Ihnen den Menſchen ſo lobte, hinter dem Sie nichts fanden? Sie ſagen es ſelbſt: „Ein Menſch, der ohne große Eitelkeit und ohne Heuchelei be- ſtändig wichtige und herzliche Mienen macht, während gar nichts in ihm vorgeht.“ Mienen, und das Äußere ſcharf auf das Innere zu beziehen, verſtehen die wenigſten Menſchen in der Welt; von den darſtellenden Künſtlern nur — Gott! wie wenige; und dieſe werden, wiſſen Sie, auf den Galerien wie- der nicht verſtanden, und ſolche bewundert — nämlich mit Aufrichtigkeit — die, wie Ihr guter Herr, wichtige, herzliche Mienen machten, wo nichts dahinter iſt. „Preiſen“ thut die Welt gern die, die ſie ohne weiteren Schaden und Inkommo- dität loben kann, die nichts verlangen von ihr, nichts ſind, und in ihrer Sprache loben und tadlen, und worauf ſie doch bequem, wenn auch ohne Überzeugung, ihre Faullenzer-Hoff- nungen ſchieben kann. Jedoch haben Sie Recht, ganz zu er- gründen, wie es übereinander geht, und die geſellſchaftlichen Urſprünge, das geht nicht! — Fünfter Punkt. Das Bild der todten Königin iſt von den wenigen in der Welt, die ich be- ſitzen möchte. Und nicht nur weil es unſere Königin iſt, und mich ſo erſchüttert hat. Sondern weil ich es meiſterhaft finde, der ganze Horror des Todes ohne ſeinen Ekel! Sanft und ſchrecklich und mit Liebe berührt es uns, denn es iſt noch ſchön! Und durchaus die größte, genauſte Ähnlichkeit; bei weitem der Königin beſtes Bild. Dieſe Ähnlichkeit der geſchloſſenen Augen! Man muß ſie tauſendmal genau angeſehen, ſtudirt haben, um es zu wiſſen. Wie freue ich mich, daß wir auch
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aus Bekannten beſteht, ſo iſt ſie auch aufgelöſt und gar nichts.
Vierter Punkt. Wiſſen Sie, warum man Ihnen den Menſchen
ſo lobte, hinter dem Sie nichts fanden? Sie ſagen es ſelbſt:
„Ein Menſch, der ohne große Eitelkeit und ohne Heuchelei be-
ſtändig wichtige und herzliche Mienen macht, während gar
nichts in ihm vorgeht.“ Mienen, und das Äußere ſcharf auf
das Innere zu beziehen, verſtehen die wenigſten Menſchen in
der Welt; von den darſtellenden Künſtlern nur — Gott! wie
wenige; und dieſe werden, wiſſen Sie, auf den Galerien wie-
der nicht verſtanden, und ſolche bewundert — nämlich mit
Aufrichtigkeit — die, wie Ihr guter Herr, wichtige, herzliche
Mienen machten, wo nichts dahinter iſt. „Preiſen“ thut die
Welt gern die, die ſie ohne weiteren Schaden und Inkommo-
dität loben kann, die nichts verlangen von ihr, nichts ſind,
und in ihrer Sprache loben und tadlen, und worauf ſie doch
bequem, wenn auch ohne Überzeugung, ihre Faullenzer-Hoff-
nungen ſchieben kann. Jedoch haben Sie Recht, ganz zu er-
gründen, wie es übereinander geht, und die geſellſchaftlichen
Urſprünge, das geht nicht! — Fünfter Punkt. Das Bild der
todten Königin iſt von den wenigen in der Welt, die ich be-
ſitzen möchte. Und nicht nur weil es unſere Königin iſt, und
mich ſo erſchüttert hat. Sondern weil ich es meiſterhaft finde,
der ganze Horror des Todes ohne ſeinen Ekel! Sanft und
ſchrecklich und mit Liebe berührt es uns, denn es iſt noch ſchön!
Und durchaus die größte, genauſte Ähnlichkeit; bei weitem
der Königin beſtes Bild. Dieſe Ähnlichkeit der geſchloſſenen
Augen! Man muß ſie tauſendmal genau angeſehen, ſtudirt
haben, um es zu wiſſen. Wie freue ich mich, daß wir auch
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/582>, abgerufen am 23.12.2024.
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