zu viel gelitten: und leidet zu viel, es muß der Zugwind der Freude hindurch, des Reizes! Es liegt gefangen, und beleidigt da! Das geht wohl vor den groben Augen der stupiden plumpen Prätendenten! -- aber Natur und ihr Werk läßt sich nicht umgehen, sie nimmt ihr Wort zurück, wenn's auf's Äußerste kommt. Das ist der Tod und arge Krankheit. Er- schrick dich nicht! Ich genese noch oft! Und dein Dasein, die Hoffuung, das Bestreben mit dir zu leben, erhält mich. --
Gieb dir Mühe hierher zu kommen! Ich bitte dich! -- Marwitz war Dienstag hier, ich werd' ihn grüßen. Ich bin in allen Dingen seine Verwalterin, er zeigt mir alles was er schreibt, schreibt mir alles was er liest; kurz, die größte edelste Freundschaft: mit mir ist er nicht stolz. Sondern wie mein Kind; wie ein liebes Kind. H. war gestern Abend bei mir. Er hat nichts Großes in der Seele. Wie ist Graf Bentheim? frug er mich gestern, denn durch ein Wort denkt er jede Kennt- niß und Kunst beim Schopf zu kriegen, und will mir meines besonders abfragen. Ich strömte in des Grafen Lob, und sagte, ich hätte lange keinen Mann gesehen, der mir so ge- fiele; und auch seine Person. Zum Verlieben. Übrigens aber ist mein Gemüth so sehr von Bentheims überzeugt, daß ich in jeder wichtigern Sache mich, meine Ehre, und mein Glück, ihm ganz anvertraue; das ist aber nicht genug; ich traue sei- ner Seele auch jedes feine Verständniß einer andern feinen Seele zu, und find' ihn mir in Blick und Gefühl ohne Mühe, unwillkürlich natürlich verwandt und lieb. Sag' ihm, ich wäre seine wahre Freundin, und er solle das nicht kühn fin- den; denn man hätte keine andern Freunde am Ende, als die
zu viel gelitten: und leidet zu viel, es muß der Zugwind der Freude hindurch, des Reizes! Es liegt gefangen, und beleidigt da! Das geht wohl vor den groben Augen der ſtupiden plumpen Prätendenten! — aber Natur und ihr Werk läßt ſich nicht umgehen, ſie nimmt ihr Wort zurück, wenn’s auf’s Äußerſte kommt. Das iſt der Tod und arge Krankheit. Er- ſchrick dich nicht! Ich geneſe noch oft! Und dein Daſein, die Hoffuung, das Beſtreben mit dir zu leben, erhält mich. —
Gieb dir Mühe hierher zu kommen! Ich bitte dich! — Marwitz war Dienstag hier, ich werd’ ihn grüßen. Ich bin in allen Dingen ſeine Verwalterin, er zeigt mir alles was er ſchreibt, ſchreibt mir alles was er lieſt; kurz, die größte edelſte Freundſchaft: mit mir iſt er nicht ſtolz. Sondern wie mein Kind; wie ein liebes Kind. H. war geſtern Abend bei mir. Er hat nichts Großes in der Seele. Wie iſt Graf Bentheim? frug er mich geſtern, denn durch ein Wort denkt er jede Kennt- niß und Kunſt beim Schopf zu kriegen, und will mir meines beſonders abfragen. Ich ſtrömte in des Grafen Lob, und ſagte, ich hätte lange keinen Mann geſehen, der mir ſo ge- fiele; und auch ſeine Perſon. Zum Verlieben. Übrigens aber iſt mein Gemüth ſo ſehr von Bentheims überzeugt, daß ich in jeder wichtigern Sache mich, meine Ehre, und mein Glück, ihm ganz anvertraue; das iſt aber nicht genug; ich traue ſei- ner Seele auch jedes feine Verſtändniß einer andern feinen Seele zu, und find’ ihn mir in Blick und Gefühl ohne Mühe, unwillkürlich natürlich verwandt und lieb. Sag’ ihm, ich wäre ſeine wahre Freundin, und er ſolle das nicht kühn fin- den; denn man hätte keine andern Freunde am Ende, als die
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zu viel gelitten: und leidet zu viel, es muß der Zugwind der
Freude hindurch, des Reizes! Es liegt gefangen, und beleidigt
da! Das geht wohl vor den groben Augen der ſtupiden
plumpen Prätendenten! — aber Natur und ihr Werk läßt
ſich nicht umgehen, ſie nimmt ihr Wort zurück, wenn’s auf’s
Äußerſte kommt. Das iſt der Tod und arge Krankheit. Er-
ſchrick dich nicht! Ich geneſe noch oft! Und dein Daſein,
die Hoffuung, das Beſtreben mit dir zu leben, erhält mich. —
Gieb dir Mühe hierher zu kommen! Ich bitte dich! —
Marwitz war Dienstag hier, ich werd’ ihn grüßen. Ich bin
in allen Dingen ſeine Verwalterin, er zeigt mir alles was er
ſchreibt, ſchreibt mir alles was er lieſt; kurz, die größte edelſte
Freundſchaft: mit mir iſt er nicht ſtolz. Sondern wie mein
Kind; wie ein liebes Kind. H. war geſtern Abend bei mir.
Er hat nichts Großes in der Seele. Wie iſt Graf Bentheim?
frug er mich geſtern, denn durch ein Wort denkt er jede Kennt-
niß und Kunſt beim Schopf zu kriegen, und will mir meines
beſonders abfragen. Ich ſtrömte in des Grafen Lob, und
ſagte, ich hätte lange keinen Mann geſehen, der mir ſo ge-
fiele; und auch ſeine Perſon. Zum Verlieben. Übrigens aber
iſt mein Gemüth ſo ſehr von Bentheims überzeugt, daß ich
in jeder wichtigern Sache mich, meine Ehre, und mein Glück,
ihm ganz anvertraue; das iſt aber nicht genug; ich traue ſei-
ner Seele auch jedes feine Verſtändniß einer andern feinen
Seele zu, und find’ ihn mir in Blick und Gefühl ohne Mühe,
unwillkürlich natürlich verwandt und lieb. Sag’ ihm, ich
wäre ſeine wahre Freundin, und er ſolle das nicht kühn fin-
den; denn man hätte keine andern Freunde am Ende, als die
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/587>, abgerufen am 23.12.2024.
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