untheilbar und unzerstörbar überkommen ist, wie die sichtbare Welt, in dessen Schooß wir flüchten, und dem wir ein tau- sendfach entzündetes Herz gezwungen sind zuzutrauen, wovon ein glimmendes Fünkchen auch unser Dasein ausmacht? Ein großes Urherz worauf sich unseres bezieht.
Der Menschen Gedanken können weit schweifen; und sich in engem Kreise, und in der Tiefe verwirren. Das wissen auch Sie, aus Beobachtung und eigner Brust. Davon kann man "lernen, die Mitmenschen nachsichtig, und sich selbst strenge zu betrachten." Jedem ächten Menschen traue ich das zu; man hat sich ja gar nicht, wenn man sich nicht streng faßt; man hat keinen Andern, wenn man ihn nicht mit Liebe faßt. Daß wir uns selbst lieben, dafür hat Gott gesorgt; wir kön- nen uns nicht entkommen, sonst wichen wir von uns selbst. Doch haben Sie Recht; man kann täglich nachhelfen an Strenge gegen sich, und Nachsicht für Andere; im Kleinen fehlt man doch! Gott segne Ihnen in aller Ewigkeit Ihr Glück! die Offenbarung gefunden zu haben. Diese Gnade ist dem Geschenk des Daseins zu vergleichen, und ist wie dies, so positiv und wirklich, daß kein Wort mehr dazu paßt. Dies Glück muß jeder, der einen Begriff davon haben, ein Bedürfniß dazu fühlen kann, in tiefst-unterworfener Demuth abwarten; und mit gedoppelter Kraft, das Große auch im Dunklen ehren. Auch eine göttliche Aufgabe, für seine Men- schen! Ich bringe Ihnen ein großes Opfer, Fouque! solche Worte aus meiner Seele zu lassen; ich thue es, weil ich Ih- nen nur durch solche zeigen kann, wie ehrlich ich es gefühlt habe, welche hohe Gabe von Veneration Sie mir darbrach-
untheilbar und unzerſtörbar überkommen iſt, wie die ſichtbare Welt, in deſſen Schooß wir flüchten, und dem wir ein tau- ſendfach entzündetes Herz gezwungen ſind zuzutrauen, wovon ein glimmendes Fünkchen auch unſer Daſein ausmacht? Ein großes Urherz worauf ſich unſeres bezieht.
Der Menſchen Gedanken können weit ſchweifen; und ſich in engem Kreiſe, und in der Tiefe verwirren. Das wiſſen auch Sie, aus Beobachtung und eigner Bruſt. Davon kann man „lernen, die Mitmenſchen nachſichtig, und ſich ſelbſt ſtrenge zu betrachten.“ Jedem ächten Menſchen traue ich das zu; man hat ſich ja gar nicht, wenn man ſich nicht ſtreng faßt; man hat keinen Andern, wenn man ihn nicht mit Liebe faßt. Daß wir uns ſelbſt lieben, dafür hat Gott geſorgt; wir kön- nen uns nicht entkommen, ſonſt wichen wir von uns ſelbſt. Doch haben Sie Recht; man kann täglich nachhelfen an Strenge gegen ſich, und Nachſicht für Andere; im Kleinen fehlt man doch! Gott ſegne Ihnen in aller Ewigkeit Ihr Glück! die Offenbarung gefunden zu haben. Dieſe Gnade iſt dem Geſchenk des Daſeins zu vergleichen, und iſt wie dies, ſo poſitiv und wirklich, daß kein Wort mehr dazu paßt. Dies Glück muß jeder, der einen Begriff davon haben, ein Bedürfniß dazu fühlen kann, in tiefſt-unterworfener Demuth abwarten; und mit gedoppelter Kraft, das Große auch im Dunklen ehren. Auch eine göttliche Aufgabe, für ſeine Men- ſchen! Ich bringe Ihnen ein großes Opfer, Fouqué! ſolche Worte aus meiner Seele zu laſſen; ich thue es, weil ich Ih- nen nur durch ſolche zeigen kann, wie ehrlich ich es gefühlt habe, welche hohe Gabe von Veneration Sie mir darbrach-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0597"n="583"/>
untheilbar und unzerſtörbar überkommen iſt, wie die ſichtbare<lb/>
Welt, in deſſen Schooß wir flüchten, und dem wir ein tau-<lb/>ſendfach entzündetes Herz gezwungen ſind zuzutrauen, wovon<lb/>
ein glimmendes Fünkchen auch unſer Daſein ausmacht? Ein<lb/>
großes Urherz worauf ſich unſeres bezieht.</p><lb/><p>Der Menſchen Gedanken können weit ſchweifen; und ſich<lb/>
in engem Kreiſe, und in der Tiefe verwirren. Das wiſſen<lb/>
auch Sie, aus Beobachtung und eigner Bruſt. <hirendition="#g">Davon</hi> kann<lb/>
man „lernen, die Mitmenſchen nachſichtig, und ſich ſelbſt ſtrenge<lb/>
zu betrachten.“ Jedem ächten Menſchen traue ich das zu;<lb/>
man hat ſich ja gar nicht, wenn man ſich nicht ſtreng faßt;<lb/>
man hat keinen Andern, wenn man ihn nicht mit Liebe faßt.<lb/>
Daß wir uns ſelbſt lieben, dafür hat Gott geſorgt; wir kön-<lb/>
nen uns nicht entkommen, ſonſt wichen wir von uns ſelbſt.<lb/>
Doch haben Sie Recht; man kann <hirendition="#g">täglich</hi> nachhelfen an<lb/>
Strenge gegen ſich, und Nachſicht für Andere; im Kleinen<lb/>
fehlt man doch! Gott ſegne Ihnen in aller Ewigkeit Ihr<lb/>
Glück! die Offenbarung gefunden zu haben. Dieſe Gnade<lb/>
iſt dem Geſchenk des Daſeins zu vergleichen, und iſt wie dies,<lb/>ſo poſitiv und wirklich, daß kein Wort mehr dazu paßt.<lb/>
Dies Glück muß jeder, der einen Begriff davon haben, ein<lb/>
Bedürfniß dazu fühlen kann, in tiefſt-unterworfener Demuth<lb/>
abwarten; und mit gedoppelter Kraft, das Große auch im<lb/>
Dunklen ehren. Auch eine göttliche Aufgabe, für ſeine Men-<lb/>ſchen! Ich bringe Ihnen ein großes Opfer, Fouqu<hirendition="#aq">é</hi>! ſolche<lb/>
Worte aus meiner Seele zu laſſen; ich thue es, weil ich Ih-<lb/>
nen nur durch ſolche zeigen kann, wie ehrlich ich es gefühlt<lb/>
habe, welche hohe Gabe von Veneration Sie mir darbrach-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[583/0597]
untheilbar und unzerſtörbar überkommen iſt, wie die ſichtbare
Welt, in deſſen Schooß wir flüchten, und dem wir ein tau-
ſendfach entzündetes Herz gezwungen ſind zuzutrauen, wovon
ein glimmendes Fünkchen auch unſer Daſein ausmacht? Ein
großes Urherz worauf ſich unſeres bezieht.
Der Menſchen Gedanken können weit ſchweifen; und ſich
in engem Kreiſe, und in der Tiefe verwirren. Das wiſſen
auch Sie, aus Beobachtung und eigner Bruſt. Davon kann
man „lernen, die Mitmenſchen nachſichtig, und ſich ſelbſt ſtrenge
zu betrachten.“ Jedem ächten Menſchen traue ich das zu;
man hat ſich ja gar nicht, wenn man ſich nicht ſtreng faßt;
man hat keinen Andern, wenn man ihn nicht mit Liebe faßt.
Daß wir uns ſelbſt lieben, dafür hat Gott geſorgt; wir kön-
nen uns nicht entkommen, ſonſt wichen wir von uns ſelbſt.
Doch haben Sie Recht; man kann täglich nachhelfen an
Strenge gegen ſich, und Nachſicht für Andere; im Kleinen
fehlt man doch! Gott ſegne Ihnen in aller Ewigkeit Ihr
Glück! die Offenbarung gefunden zu haben. Dieſe Gnade
iſt dem Geſchenk des Daſeins zu vergleichen, und iſt wie dies,
ſo poſitiv und wirklich, daß kein Wort mehr dazu paßt.
Dies Glück muß jeder, der einen Begriff davon haben, ein
Bedürfniß dazu fühlen kann, in tiefſt-unterworfener Demuth
abwarten; und mit gedoppelter Kraft, das Große auch im
Dunklen ehren. Auch eine göttliche Aufgabe, für ſeine Men-
ſchen! Ich bringe Ihnen ein großes Opfer, Fouqué! ſolche
Worte aus meiner Seele zu laſſen; ich thue es, weil ich Ih-
nen nur durch ſolche zeigen kann, wie ehrlich ich es gefühlt
habe, welche hohe Gabe von Veneration Sie mir darbrach-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/597>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.