Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Rahels Bette, und wurde von ihr mit den Worten angeredet,
sie komme stets als ein "minister of heaven," dann aber wie-
der mit Dank und Freundlichkeit entlassen.

Beim Eintritt der Nacht, und als der Schweiß aufgehört
hatte, empfand Rahel ein unwiderstehliches Bedürfniß, sich
umzukleiden; da sie es sich nicht ausreden ließ, so geschah es,
aber mit größter Vorsicht. Sie selbst war dabei lebhaft thä-
tig, und bezeigte eine außerordentliche Befriedigung, dies er-
langt und vollbracht zu haben. Sie fühlte sich höchst erquickt,
und hoffte nun auch eine Lage zu finden, in der sie etwas
schlummern könnte. Sie sagte mir deßhalb gute Nacht, und
hieß mich gleichfalls schlafen gehen. Auch Dore sollte sich
niederlegen und schlafen, die aber nicht geneigt war noch
Zeit hatte, dieser Weisung zu folgen.

Es mochte nach Mitternacht sein, und ich lag noch wach,
als Dore mich rief, ich möchte kommen, es sei sehr schlimm.
Seit dem Augenblicke, daß ich weggegangen war, hatte Rahel,
anstatt die gehoffte Ruhe zu finden, mit stets anwachsenden
Beschwerden zu ringen gehabt, die jetzt in völligen Brust-
krampf übergegangen waren. Ich fand sie in einem Zustande,
der wenig geringer schien, als der vor sechs Tagen. Die für
solchen Fall, den man zwar nicht wahrscheinlich, aber doch
möglich erachtet hatte, dagelassenen Mittel wurden eifrig an-
gewandt, allein diesmal mit minderem Erfolg. Der schreck-
liche Kampf dauerte fort, und die theure Leidende, in Dore's
Armen sich windend, rief mehrmals, der Andrang gegen die
Brust sei nicht auszuhalten, es stoße ihr das Herz ab; fürch-

Rahels Bette, und wurde von ihr mit den Worten angeredet,
ſie komme ſtets als ein „minister of heaven,” dann aber wie-
der mit Dank und Freundlichkeit entlaſſen.

Beim Eintritt der Nacht, und als der Schweiß aufgehört
hatte, empfand Rahel ein unwiderſtehliches Bedürfniß, ſich
umzukleiden; da ſie es ſich nicht ausreden ließ, ſo geſchah es,
aber mit größter Vorſicht. Sie ſelbſt war dabei lebhaft thä-
tig, und bezeigte eine außerordentliche Befriedigung, dies er-
langt und vollbracht zu haben. Sie fühlte ſich höchſt erquickt,
und hoffte nun auch eine Lage zu finden, in der ſie etwas
ſchlummern könnte. Sie ſagte mir deßhalb gute Nacht, und
hieß mich gleichfalls ſchlafen gehen. Auch Dore ſollte ſich
niederlegen und ſchlafen, die aber nicht geneigt war noch
Zeit hatte, dieſer Weiſung zu folgen.

Es mochte nach Mitternacht ſein, und ich lag noch wach,
als Dore mich rief, ich möchte kommen, es ſei ſehr ſchlimm.
Seit dem Augenblicke, daß ich weggegangen war, hatte Rahel,
anſtatt die gehoffte Ruhe zu finden, mit ſtets anwachſenden
Beſchwerden zu ringen gehabt, die jetzt in völligen Bruſt-
krampf übergegangen waren. Ich fand ſie in einem Zuſtande,
der wenig geringer ſchien, als der vor ſechs Tagen. Die für
ſolchen Fall, den man zwar nicht wahrſcheinlich, aber doch
möglich erachtet hatte, dagelaſſenen Mittel wurden eifrig an-
gewandt, allein diesmal mit minderem Erfolg. Der ſchreck-
liche Kampf dauerte fort, und die theure Leidende, in Dore’s
Armen ſich windend, rief mehrmals, der Andrang gegen die
Bruſt ſei nicht auszuhalten, es ſtoße ihr das Herz ab; fürch-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0061" n="47"/>
Rahels Bette, und wurde von ihr mit den Worten angeredet,<lb/>
&#x017F;ie komme &#x017F;tets als ein <hi rendition="#aq">&#x201E;minister of heaven,&#x201D;</hi> dann aber wie-<lb/>
der mit Dank und Freundlichkeit entla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Beim Eintritt der Nacht, und als der Schweiß aufgehört<lb/>
hatte, empfand Rahel ein unwider&#x017F;tehliches Bedürfniß, &#x017F;ich<lb/>
umzukleiden; da &#x017F;ie es &#x017F;ich nicht ausreden ließ, &#x017F;o ge&#x017F;chah es,<lb/>
aber mit größter Vor&#x017F;icht. Sie &#x017F;elb&#x017F;t war dabei lebhaft thä-<lb/>
tig, und bezeigte eine außerordentliche Befriedigung, dies er-<lb/>
langt und vollbracht zu haben. Sie fühlte &#x017F;ich höch&#x017F;t erquickt,<lb/>
und hoffte nun auch eine Lage zu finden, in der &#x017F;ie etwas<lb/>
&#x017F;chlummern könnte. Sie &#x017F;agte mir deßhalb gute Nacht, und<lb/>
hieß mich gleichfalls &#x017F;chlafen gehen. Auch Dore &#x017F;ollte &#x017F;ich<lb/>
niederlegen und &#x017F;chlafen, die aber nicht geneigt war noch<lb/>
Zeit hatte, die&#x017F;er Wei&#x017F;ung zu folgen.</p><lb/>
            <p>Es mochte nach Mitternacht &#x017F;ein, und ich lag noch wach,<lb/>
als Dore mich rief, ich möchte kommen, es &#x017F;ei &#x017F;ehr &#x017F;chlimm.<lb/>
Seit dem Augenblicke, daß ich weggegangen war, hatte Rahel,<lb/>
an&#x017F;tatt die gehoffte Ruhe zu finden, mit &#x017F;tets anwach&#x017F;enden<lb/>
Be&#x017F;chwerden zu ringen gehabt, die jetzt in völligen Bru&#x017F;t-<lb/>
krampf übergegangen waren. Ich fand &#x017F;ie in einem Zu&#x017F;tande,<lb/>
der wenig geringer &#x017F;chien, als der vor &#x017F;echs Tagen. Die für<lb/>
&#x017F;olchen Fall, den man zwar nicht wahr&#x017F;cheinlich, aber doch<lb/>
möglich erachtet hatte, dagela&#x017F;&#x017F;enen Mittel wurden eifrig an-<lb/>
gewandt, allein diesmal mit minderem Erfolg. Der &#x017F;chreck-<lb/>
liche Kampf dauerte fort, und die theure Leidende, in Dore&#x2019;s<lb/>
Armen &#x017F;ich windend, rief mehrmals, der Andrang gegen die<lb/>
Bru&#x017F;t &#x017F;ei nicht auszuhalten, es &#x017F;toße ihr das Herz ab; fürch-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0061] Rahels Bette, und wurde von ihr mit den Worten angeredet, ſie komme ſtets als ein „minister of heaven,” dann aber wie- der mit Dank und Freundlichkeit entlaſſen. Beim Eintritt der Nacht, und als der Schweiß aufgehört hatte, empfand Rahel ein unwiderſtehliches Bedürfniß, ſich umzukleiden; da ſie es ſich nicht ausreden ließ, ſo geſchah es, aber mit größter Vorſicht. Sie ſelbſt war dabei lebhaft thä- tig, und bezeigte eine außerordentliche Befriedigung, dies er- langt und vollbracht zu haben. Sie fühlte ſich höchſt erquickt, und hoffte nun auch eine Lage zu finden, in der ſie etwas ſchlummern könnte. Sie ſagte mir deßhalb gute Nacht, und hieß mich gleichfalls ſchlafen gehen. Auch Dore ſollte ſich niederlegen und ſchlafen, die aber nicht geneigt war noch Zeit hatte, dieſer Weiſung zu folgen. Es mochte nach Mitternacht ſein, und ich lag noch wach, als Dore mich rief, ich möchte kommen, es ſei ſehr ſchlimm. Seit dem Augenblicke, daß ich weggegangen war, hatte Rahel, anſtatt die gehoffte Ruhe zu finden, mit ſtets anwachſenden Beſchwerden zu ringen gehabt, die jetzt in völligen Bruſt- krampf übergegangen waren. Ich fand ſie in einem Zuſtande, der wenig geringer ſchien, als der vor ſechs Tagen. Die für ſolchen Fall, den man zwar nicht wahrſcheinlich, aber doch möglich erachtet hatte, dagelaſſenen Mittel wurden eifrig an- gewandt, allein diesmal mit minderem Erfolg. Der ſchreck- liche Kampf dauerte fort, und die theure Leidende, in Dore’s Armen ſich windend, rief mehrmals, der Andrang gegen die Bruſt ſei nicht auszuhalten, es ſtoße ihr das Herz ab; fürch-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/61
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/61>, abgerufen am 22.12.2024.