Wohlwollen und Aufmerksamkeit auf alle menschliche Äuße- rungen besteht. Er äußert sich viel, und ist doch leise; er er- zählt sogar ohne vortretend zu sein, nicht einmal mit der Stimme. Er scheint viel Sprachen zu sprechen, und spricht auch unsere ganz richtig, und eine Liebhaberei an solcher Richtigkeit, und Erwägung ihrer aller zu haben. Ein ange- nehmer, wohl zu leben und zu leidender Mann; der sich so- gar den Grafen sehr abgerieben hat, und sich weit edler und werkthätiger dahinaus bewegt hat -- aus dem Grafen. -- Dann noch drei junge Leute, die alle natürlich sind, und nicht gemein. Manche äußerten sich noch nicht. -- Nun mein Favorit, ein Herr von -- den Namen werde ich später ge- nauer und richtiger schreiben können. Ein überaus lustiger, lebhafter Mensch, braun, glattes Haar; etwas wohlbeleibt, voller Laune; kann er nichts thun und hervorbringen, so macht er aus Ungeduld Grimassen; tappt und neckt alle Kam- meraden; nimmt aber mit derselben guten Laune wieder ein, und läßt sich ad absurdum führen. Graf Cl. ist immer ganz ernsthaft und demonstrirend gegen ihn. Du fühlst, bei mei- ner Lebhaftigkeit und Ungeduld mußt' ich, trotz ich mir aus richtiger Behutsamkeit das Gegentheil vorgenommen hatte, mit dem Mann etwas verwandter werden: denn er zwang mir plötzliches Lachen ab: das näherte wieder ihn unbewußt; auch hat er die gute und fast immer launigen Witzigen feh- lende Eigenschaft, auf Anderer Einfälle gleich zu horchen: so ist er zwar wie erschrocken über Repliken oder Witz und Scherz, der nicht von ihm kommt, und repetirt ihn in dem Schreck sehr possierlich, aber würdigt ihn mit der größten
Wohlwollen und Aufmerkſamkeit auf alle menſchliche Äuße- rungen beſteht. Er äußert ſich viel, und iſt doch leiſe; er er- zählt ſogar ohne vortretend zu ſein, nicht einmal mit der Stimme. Er ſcheint viel Sprachen zu ſprechen, und ſpricht auch unſere ganz richtig, und eine Liebhaberei an ſolcher Richtigkeit, und Erwägung ihrer aller zu haben. Ein ange- nehmer, wohl zu leben und zu leidender Mann; der ſich ſo- gar den Grafen ſehr abgerieben hat, und ſich weit edler und werkthätiger dahinaus bewegt hat — aus dem Grafen. — Dann noch drei junge Leute, die alle natürlich ſind, und nicht gemein. Manche äußerten ſich noch nicht. — Nun mein Favorit, ein Herr von — den Namen werde ich ſpäter ge- nauer und richtiger ſchreiben können. Ein überaus luſtiger, lebhafter Menſch, braun, glattes Haar; etwas wohlbeleibt, voller Laune; kann er nichts thun und hervorbringen, ſo macht er aus Ungeduld Grimaſſen; tappt und neckt alle Kam- meraden; nimmt aber mit derſelben guten Laune wieder ein, und läßt ſich ad absurdum führen. Graf Cl. iſt immer ganz ernſthaft und demonſtrirend gegen ihn. Du fühlſt, bei mei- ner Lebhaftigkeit und Ungeduld mußt’ ich, trotz ich mir aus richtiger Behutſamkeit das Gegentheil vorgenommen hatte, mit dem Mann etwas verwandter werden: denn er zwang mir plötzliches Lachen ab: das näherte wieder ihn unbewußt; auch hat er die gute und faſt immer launigen Witzigen feh- lende Eigenſchaft, auf Anderer Einfälle gleich zu horchen: ſo iſt er zwar wie erſchrocken über Repliken oder Witz und Scherz, der nicht von ihm kommt, und repetirt ihn in dem Schreck ſehr poſſierlich, aber würdigt ihn mit der größten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0111"n="103"/>
Wohlwollen und Aufmerkſamkeit auf alle menſchliche Äuße-<lb/>
rungen beſteht. Er äußert ſich viel, und iſt doch leiſe; er er-<lb/>
zählt ſogar ohne vortretend zu ſein, nicht einmal mit der<lb/>
Stimme. Er ſcheint viel Sprachen zu ſprechen, und ſpricht<lb/>
auch unſere ganz richtig, und eine Liebhaberei an ſolcher<lb/>
Richtigkeit, und Erwägung ihrer aller zu haben. Ein ange-<lb/>
nehmer, wohl zu leben und zu leidender Mann; der ſich ſo-<lb/>
gar den Grafen ſehr abgerieben hat, und ſich weit edler und<lb/>
werkthätiger dahinaus bewegt hat — aus dem Grafen. —<lb/>
Dann noch drei junge Leute, die alle natürlich ſind, und nicht<lb/>
gemein. Manche äußerten ſich noch nicht. — Nun mein<lb/>
Favorit, ein Herr von — den Namen werde ich ſpäter ge-<lb/>
nauer und richtiger ſchreiben können. Ein überaus luſtiger,<lb/>
lebhafter Menſch, braun, glattes Haar; etwas wohlbeleibt,<lb/>
voller Laune; kann er nichts thun und hervorbringen, ſo<lb/>
macht er aus Ungeduld Grimaſſen; tappt und neckt alle Kam-<lb/>
meraden; nimmt aber mit derſelben guten Laune wieder ein,<lb/>
und läßt ſich <hirendition="#aq">ad absurdum</hi> führen. Graf Cl. iſt immer ganz<lb/>
ernſthaft und demonſtrirend gegen ihn. Du fühlſt, bei <hirendition="#g">mei-<lb/>
ner</hi> Lebhaftigkeit und Ungeduld mußt’ ich, trotz ich mir aus<lb/>
richtiger Behutſamkeit das Gegentheil vorgenommen hatte,<lb/>
mit dem Mann etwas verwandter werden: denn er zwang<lb/>
mir plötzliches Lachen ab: das näherte wieder ihn unbewußt;<lb/>
auch hat er die gute und faſt <choice><sic>immmer</sic><corr>immer</corr></choice> launigen Witzigen feh-<lb/>
lende Eigenſchaft, auf Anderer Einfälle gleich zu horchen: ſo<lb/>
iſt er zwar wie erſchrocken über Repliken oder Witz und<lb/>
Scherz, der nicht von ihm kommt, und repetirt ihn in dem<lb/>
Schreck ſehr poſſierlich, aber würdigt ihn mit der größten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0111]
Wohlwollen und Aufmerkſamkeit auf alle menſchliche Äuße-
rungen beſteht. Er äußert ſich viel, und iſt doch leiſe; er er-
zählt ſogar ohne vortretend zu ſein, nicht einmal mit der
Stimme. Er ſcheint viel Sprachen zu ſprechen, und ſpricht
auch unſere ganz richtig, und eine Liebhaberei an ſolcher
Richtigkeit, und Erwägung ihrer aller zu haben. Ein ange-
nehmer, wohl zu leben und zu leidender Mann; der ſich ſo-
gar den Grafen ſehr abgerieben hat, und ſich weit edler und
werkthätiger dahinaus bewegt hat — aus dem Grafen. —
Dann noch drei junge Leute, die alle natürlich ſind, und nicht
gemein. Manche äußerten ſich noch nicht. — Nun mein
Favorit, ein Herr von — den Namen werde ich ſpäter ge-
nauer und richtiger ſchreiben können. Ein überaus luſtiger,
lebhafter Menſch, braun, glattes Haar; etwas wohlbeleibt,
voller Laune; kann er nichts thun und hervorbringen, ſo
macht er aus Ungeduld Grimaſſen; tappt und neckt alle Kam-
meraden; nimmt aber mit derſelben guten Laune wieder ein,
und läßt ſich ad absurdum führen. Graf Cl. iſt immer ganz
ernſthaft und demonſtrirend gegen ihn. Du fühlſt, bei mei-
ner Lebhaftigkeit und Ungeduld mußt’ ich, trotz ich mir aus
richtiger Behutſamkeit das Gegentheil vorgenommen hatte,
mit dem Mann etwas verwandter werden: denn er zwang
mir plötzliches Lachen ab: das näherte wieder ihn unbewußt;
auch hat er die gute und faſt immer launigen Witzigen feh-
lende Eigenſchaft, auf Anderer Einfälle gleich zu horchen: ſo
iſt er zwar wie erſchrocken über Repliken oder Witz und
Scherz, der nicht von ihm kommt, und repetirt ihn in dem
Schreck ſehr poſſierlich, aber würdigt ihn mit der größten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/111>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.