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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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Wohlwollen und Aufmerksamkeit auf alle menschliche Äuße-
rungen besteht. Er äußert sich viel, und ist doch leise; er er-
zählt sogar ohne vortretend zu sein, nicht einmal mit der
Stimme. Er scheint viel Sprachen zu sprechen, und spricht
auch unsere ganz richtig, und eine Liebhaberei an solcher
Richtigkeit, und Erwägung ihrer aller zu haben. Ein ange-
nehmer, wohl zu leben und zu leidender Mann; der sich so-
gar den Grafen sehr abgerieben hat, und sich weit edler und
werkthätiger dahinaus bewegt hat -- aus dem Grafen. --
Dann noch drei junge Leute, die alle natürlich sind, und nicht
gemein. Manche äußerten sich noch nicht. -- Nun mein
Favorit, ein Herr von -- den Namen werde ich später ge-
nauer und richtiger schreiben können. Ein überaus lustiger,
lebhafter Mensch, braun, glattes Haar; etwas wohlbeleibt,
voller Laune; kann er nichts thun und hervorbringen, so
macht er aus Ungeduld Grimassen; tappt und neckt alle Kam-
meraden; nimmt aber mit derselben guten Laune wieder ein,
und läßt sich ad absurdum führen. Graf Cl. ist immer ganz
ernsthaft und demonstrirend gegen ihn. Du fühlst, bei mei-
ner
Lebhaftigkeit und Ungeduld mußt' ich, trotz ich mir aus
richtiger Behutsamkeit das Gegentheil vorgenommen hatte,
mit dem Mann etwas verwandter werden: denn er zwang
mir plötzliches Lachen ab: das näherte wieder ihn unbewußt;
auch hat er die gute und fast immer launigen Witzigen feh-
lende Eigenschaft, auf Anderer Einfälle gleich zu horchen: so
ist er zwar wie erschrocken über Repliken oder Witz und
Scherz, der nicht von ihm kommt, und repetirt ihn in dem
Schreck sehr possierlich, aber würdigt ihn mit der größten

Wohlwollen und Aufmerkſamkeit auf alle menſchliche Äuße-
rungen beſteht. Er äußert ſich viel, und iſt doch leiſe; er er-
zählt ſogar ohne vortretend zu ſein, nicht einmal mit der
Stimme. Er ſcheint viel Sprachen zu ſprechen, und ſpricht
auch unſere ganz richtig, und eine Liebhaberei an ſolcher
Richtigkeit, und Erwägung ihrer aller zu haben. Ein ange-
nehmer, wohl zu leben und zu leidender Mann; der ſich ſo-
gar den Grafen ſehr abgerieben hat, und ſich weit edler und
werkthätiger dahinaus bewegt hat — aus dem Grafen. —
Dann noch drei junge Leute, die alle natürlich ſind, und nicht
gemein. Manche äußerten ſich noch nicht. — Nun mein
Favorit, ein Herr von — den Namen werde ich ſpäter ge-
nauer und richtiger ſchreiben können. Ein überaus luſtiger,
lebhafter Menſch, braun, glattes Haar; etwas wohlbeleibt,
voller Laune; kann er nichts thun und hervorbringen, ſo
macht er aus Ungeduld Grimaſſen; tappt und neckt alle Kam-
meraden; nimmt aber mit derſelben guten Laune wieder ein,
und läßt ſich ad absurdum führen. Graf Cl. iſt immer ganz
ernſthaft und demonſtrirend gegen ihn. Du fühlſt, bei mei-
ner
Lebhaftigkeit und Ungeduld mußt’ ich, trotz ich mir aus
richtiger Behutſamkeit das Gegentheil vorgenommen hatte,
mit dem Mann etwas verwandter werden: denn er zwang
mir plötzliches Lachen ab: das näherte wieder ihn unbewußt;
auch hat er die gute und faſt immer launigen Witzigen feh-
lende Eigenſchaft, auf Anderer Einfälle gleich zu horchen: ſo
iſt er zwar wie erſchrocken über Repliken oder Witz und
Scherz, der nicht von ihm kommt, und repetirt ihn in dem
Schreck ſehr poſſierlich, aber würdigt ihn mit der größten

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[103/0111] Wohlwollen und Aufmerkſamkeit auf alle menſchliche Äuße- rungen beſteht. Er äußert ſich viel, und iſt doch leiſe; er er- zählt ſogar ohne vortretend zu ſein, nicht einmal mit der Stimme. Er ſcheint viel Sprachen zu ſprechen, und ſpricht auch unſere ganz richtig, und eine Liebhaberei an ſolcher Richtigkeit, und Erwägung ihrer aller zu haben. Ein ange- nehmer, wohl zu leben und zu leidender Mann; der ſich ſo- gar den Grafen ſehr abgerieben hat, und ſich weit edler und werkthätiger dahinaus bewegt hat — aus dem Grafen. — Dann noch drei junge Leute, die alle natürlich ſind, und nicht gemein. Manche äußerten ſich noch nicht. — Nun mein Favorit, ein Herr von — den Namen werde ich ſpäter ge- nauer und richtiger ſchreiben können. Ein überaus luſtiger, lebhafter Menſch, braun, glattes Haar; etwas wohlbeleibt, voller Laune; kann er nichts thun und hervorbringen, ſo macht er aus Ungeduld Grimaſſen; tappt und neckt alle Kam- meraden; nimmt aber mit derſelben guten Laune wieder ein, und läßt ſich ad absurdum führen. Graf Cl. iſt immer ganz ernſthaft und demonſtrirend gegen ihn. Du fühlſt, bei mei- ner Lebhaftigkeit und Ungeduld mußt’ ich, trotz ich mir aus richtiger Behutſamkeit das Gegentheil vorgenommen hatte, mit dem Mann etwas verwandter werden: denn er zwang mir plötzliches Lachen ab: das näherte wieder ihn unbewußt; auch hat er die gute und faſt immer launigen Witzigen feh- lende Eigenſchaft, auf Anderer Einfälle gleich zu horchen: ſo iſt er zwar wie erſchrocken über Repliken oder Witz und Scherz, der nicht von ihm kommt, und repetirt ihn in dem Schreck ſehr poſſierlich, aber würdigt ihn mit der größten

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/111>, abgerufen am 04.12.2024.