Sie sehen, jetzt nur auf Sie verlassen kann. Ich glaube in der That, sie sind Alle verrückt geworden: denn denken Sie sich, Varnhagen, der ein Fels ist wie ich selbst, schreibt mir aus Berlin (wo er zwei Tage mit Tettenborn war, der den Kron- prinzen von Schweden komplimentirte) über diese Sachen ganz verkehrt. -- Um toll zu werden! und das alles in Zeiten, wo die Länder alle Augenblick gesperrt werden können! Von hier nach Wien bleibt es noch lange offen, also schicken Sie mir nur auf jeden Fall, weil alle andern Fälle unsicher sind. Mein Herz ist in Thränen über Ihren Brief. Nicht daß Sie mir so willig schicken wollen; aber über die Art wie Sie es mir sagen. Sie haben sich an mir eine Freundin für's Leben verschafft, nicht weil Sie meine Schwägerin sind, weil ich Ihre liebe ehrliche Natur liebe: sondern weil Sie meine einzusehen scheinen, weil Sie mir nicht nur gut sind, wenn sie Ihnen wohlthut und gefällt, sondern weil Sie ein festes rechtschaffe- nes Herz haben: und auch wollen, daß es mir gut gehe: und mir darin zu helfen fest gesonnen sind. Wem ich aber in meiner Seele dankbare Freundschaft widmen und zugestehen muß, der kann auf mein Blut rechnen! so furchtsam Sie mich kennen. Sie haben also auch eine ewige Freundin in der Familie: und keinen Hund! keine Unthätige, und noch keine Verlassene, und das bloß wegen Ihrer Worte bei der That. Ob ich wahr bin, wissen Sie!
Sehen Sie, daß X. das Schweinehündchen, ein Schweine- hund ist? glauben Sie, Ernestine, wenn ich dezidirt sage, einer ist gottverlassen, so muß sich der Herr erst wieder mit einer neuen Seele seiner erbarmen, ehe er etwas taugt. Einen ganzen Men-
Sie ſehen, jetzt nur auf Sie verlaſſen kann. Ich glaube in der That, ſie ſind Alle verrückt geworden: denn denken Sie ſich, Varnhagen, der ein Fels iſt wie ich ſelbſt, ſchreibt mir aus Berlin (wo er zwei Tage mit Tettenborn war, der den Kron- prinzen von Schweden komplimentirte) über dieſe Sachen ganz verkehrt. — Um toll zu werden! und das alles in Zeiten, wo die Länder alle Augenblick geſperrt werden können! Von hier nach Wien bleibt es noch lange offen, alſo ſchicken Sie mir nur auf jeden Fall, weil alle andern Fälle unſicher ſind. Mein Herz iſt in Thränen über Ihren Brief. Nicht daß Sie mir ſo willig ſchicken wollen; aber über die Art wie Sie es mir ſagen. Sie haben ſich an mir eine Freundin für’s Leben verſchafft, nicht weil Sie meine Schwägerin ſind, weil ich Ihre liebe ehrliche Natur liebe: ſondern weil Sie meine einzuſehen ſcheinen, weil Sie mir nicht nur gut ſind, wenn ſie Ihnen wohlthut und gefällt, ſondern weil Sie ein feſtes rechtſchaffe- nes Herz haben: und auch wollen, daß es mir gut gehe: und mir darin zu helfen feſt geſonnen ſind. Wem ich aber in meiner Seele dankbare Freundſchaft widmen und zugeſtehen muß, der kann auf mein Blut rechnen! ſo furchtſam Sie mich kennen. Sie haben alſo auch eine ewige Freundin in der Familie: und keinen Hund! keine Unthätige, und noch keine Verlaſſene, und das bloß wegen Ihrer Worte bei der That. Ob ich wahr bin, wiſſen Sie!
Sehen Sie, daß X. das Schweinehündchen, ein Schweine- hund iſt? glauben Sie, Erneſtine, wenn ich dezidirt ſage, einer iſt gottverlaſſen, ſo muß ſich der Herr erſt wieder mit einer neuen Seele ſeiner erbarmen, ehe er etwas taugt. Einen ganzen Men-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0117"n="109"/>
Sie ſehen, jetzt nur auf Sie verlaſſen kann. Ich glaube in der<lb/>
That, ſie ſind <hirendition="#g">Alle</hi> verrückt geworden: denn denken Sie ſich,<lb/>
Varnhagen, der ein Fels iſt wie ich ſelbſt, ſchreibt mir aus<lb/>
Berlin (wo er zwei Tage mit Tettenborn war, der den Kron-<lb/>
prinzen von Schweden komplimentirte) über dieſe Sachen ganz<lb/>
verkehrt. — Um toll zu werden! und das alles in Zeiten, wo<lb/>
die Länder alle Augenblick geſperrt werden können! Von hier<lb/>
nach Wien bleibt es noch lange offen, alſo ſchicken Sie mir<lb/>
nur auf jeden Fall, weil alle andern Fälle unſicher ſind.<lb/>
Mein Herz iſt in Thränen über Ihren Brief. Nicht daß Sie<lb/>
mir ſo willig ſchicken wollen; aber über die Art wie Sie es<lb/>
mir ſagen. Sie haben ſich an mir eine Freundin für’s Leben<lb/>
verſchafft, nicht weil Sie meine Schwägerin ſind, weil ich Ihre<lb/>
liebe ehrliche Natur liebe: ſondern weil Sie meine einzuſehen<lb/>ſcheinen, weil Sie mir nicht nur gut ſind, wenn ſie Ihnen<lb/>
wohlthut und gefällt, ſondern weil Sie ein feſtes rechtſchaffe-<lb/>
nes Herz haben: und auch wollen, daß es mir gut gehe: und<lb/>
mir darin zu helfen feſt geſonnen ſind. Wem ich aber in<lb/>
meiner Seele dankbare Freundſchaft widmen und zugeſtehen<lb/>
muß, der kann auf mein <hirendition="#g">Blut</hi> rechnen! ſo furchtſam Sie<lb/>
mich kennen. Sie haben alſo auch eine ewige Freundin in<lb/>
der Familie: und keinen Hund! keine Unthätige, und noch<lb/>
keine Verlaſſene, und das bloß wegen Ihrer Worte bei der<lb/>
That. Ob ich wahr bin, wiſſen Sie!</p><lb/><p>Sehen Sie, daß X. das Schweinehündchen, ein Schweine-<lb/>
hund iſt? glauben Sie, Erneſtine, wenn ich dezidirt ſage, einer iſt<lb/>
gottverlaſſen, ſo muß ſich der Herr erſt wieder mit einer neuen<lb/>
Seele ſeiner erbarmen, ehe er etwas taugt. Einen ganzen Men-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[109/0117]
Sie ſehen, jetzt nur auf Sie verlaſſen kann. Ich glaube in der
That, ſie ſind Alle verrückt geworden: denn denken Sie ſich,
Varnhagen, der ein Fels iſt wie ich ſelbſt, ſchreibt mir aus
Berlin (wo er zwei Tage mit Tettenborn war, der den Kron-
prinzen von Schweden komplimentirte) über dieſe Sachen ganz
verkehrt. — Um toll zu werden! und das alles in Zeiten, wo
die Länder alle Augenblick geſperrt werden können! Von hier
nach Wien bleibt es noch lange offen, alſo ſchicken Sie mir
nur auf jeden Fall, weil alle andern Fälle unſicher ſind.
Mein Herz iſt in Thränen über Ihren Brief. Nicht daß Sie
mir ſo willig ſchicken wollen; aber über die Art wie Sie es
mir ſagen. Sie haben ſich an mir eine Freundin für’s Leben
verſchafft, nicht weil Sie meine Schwägerin ſind, weil ich Ihre
liebe ehrliche Natur liebe: ſondern weil Sie meine einzuſehen
ſcheinen, weil Sie mir nicht nur gut ſind, wenn ſie Ihnen
wohlthut und gefällt, ſondern weil Sie ein feſtes rechtſchaffe-
nes Herz haben: und auch wollen, daß es mir gut gehe: und
mir darin zu helfen feſt geſonnen ſind. Wem ich aber in
meiner Seele dankbare Freundſchaft widmen und zugeſtehen
muß, der kann auf mein Blut rechnen! ſo furchtſam Sie
mich kennen. Sie haben alſo auch eine ewige Freundin in
der Familie: und keinen Hund! keine Unthätige, und noch
keine Verlaſſene, und das bloß wegen Ihrer Worte bei der
That. Ob ich wahr bin, wiſſen Sie!
Sehen Sie, daß X. das Schweinehündchen, ein Schweine-
hund iſt? glauben Sie, Erneſtine, wenn ich dezidirt ſage, einer iſt
gottverlaſſen, ſo muß ſich der Herr erſt wieder mit einer neuen
Seele ſeiner erbarmen, ehe er etwas taugt. Einen ganzen Men-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/117>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.