ist Graf Christian Bernstorffs Frau, von der ich einen so rei- zend unschuldigen Brief gesehen habe, und so gründlich und eigenmächtig gescheidt, daß sie mir ganz merkwürdig ist. (Nicht wahr, ihr liebt diese Geschwätzigkeit?) Vorgestern sah ich die Zauberflöte, an der Wien. Fragt Moritz als Zeugen! Ich schwöre es, ich hörte aus dem bloßen Vortrag her, Me- lodien in diesem Werke, die ich, doch auch nicht unmusika- lisch, nie erahndet hätte auf den Stellen, wo sie hervorbra- chen; dergleichen vermuthend, weil ich gehört, was Righini aus musikalischen Phrasen und Figuren durch accelerirte oder angehaltene Noten, für welches keine musikalische Zeichen exi- stiren, herauszog, war ich einzig hingegangen. Dekorationen, Anordnung und Pracht stehen bei weitem unserer Aufführung dieses Stückes nach. -- Die Königin der Nacht kam aus ei- nem großen Monde gestiegen, der in eben als Wolken herabgelassener Leinwand herunter rollen mußte; sie kam aus ihm wie aus einer großen Thüre gelassen und alt heraus, mit einer Krone von Silberpapier, woran Monde und der- gleichen von reinem Blech zitterten. Sie sang die unsinnigen Arien mit einer alten Stimme, die so dezidirt auftrat, daß man hörte, daß sie sich in der Art Gesang sonst mit Recht habe bewundern lassen, und in diesem Nachrespekt schonten sie auch die Zuhörer. Mad. Rosenbaum heißt sie; über fünfzig; aber sie ist die erste Person, die mich gelehrt hat, was staccato ist. Kein Unsinn: zu welchem es alle Sänger, die es nicht erfunden, und dazu geboren sind, machen. Denke dir, daß diese Frau noch diesen höchsten Ton trifft, und mit einer gemäßigten, besonnenen Gewalt anschlägt, daß er durch-
iſt Graf Chriſtian Bernſtorffs Frau, von der ich einen ſo rei- zend unſchuldigen Brief geſehen habe, und ſo gründlich und eigenmächtig geſcheidt, daß ſie mir ganz merkwürdig iſt. (Nicht wahr, ihr liebt dieſe Geſchwätzigkeit?) Vorgeſtern ſah ich die Zauberflöte, an der Wien. Fragt Moritz als Zeugen! Ich ſchwöre es, ich hörte aus dem bloßen Vortrag her, Me- lodien in dieſem Werke, die ich, doch auch nicht unmuſika- liſch, nie erahndet hätte auf den Stellen, wo ſie hervorbra- chen; dergleichen vermuthend, weil ich gehört, was Righini aus muſikaliſchen Phraſen und Figuren durch accelerirte oder angehaltene Noten, für welches keine muſikaliſche Zeichen exi- ſtiren, herauszog, war ich einzig hingegangen. Dekorationen, Anordnung und Pracht ſtehen bei weitem unſerer Aufführung dieſes Stückes nach. — Die Königin der Nacht kam aus ei- nem großen Monde geſtiegen, der in eben als Wolken herabgelaſſener Leinwand herunter rollen mußte; ſie kam aus ihm wie aus einer großen Thüre gelaſſen und alt heraus, mit einer Krone von Silberpapier, woran Monde und der- gleichen von reinem Blech zitterten. Sie ſang die unſinnigen Arien mit einer alten Stimme, die ſo dezidirt auftrat, daß man hörte, daß ſie ſich in der Art Geſang ſonſt mit Recht habe bewundern laſſen, und in dieſem Nachreſpekt ſchonten ſie auch die Zuhörer. Mad. Roſenbaum heißt ſie; über fünfzig; aber ſie iſt die erſte Perſon, die mich gelehrt hat, was staccato iſt. Kein Unſinn: zu welchem es alle Sänger, die es nicht erfunden, und dazu geboren ſind, machen. Denke dir, daß dieſe Frau noch dieſen höchſten Ton trifft, und mit einer gemäßigten, beſonnenen Gewalt anſchlägt, daß er durch-
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iſt Graf Chriſtian Bernſtorffs Frau, von der ich einen ſo rei-
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(Nicht wahr, ihr liebt dieſe Geſchwätzigkeit?) Vorgeſtern ſah
ich die Zauberflöte, an der Wien. Fragt Moritz als Zeugen!
Ich ſchwöre es, ich hörte aus dem bloßen Vortrag her, Me-
lodien in dieſem Werke, die ich, doch auch nicht unmuſika-
liſch, nie erahndet hätte auf den Stellen, wo ſie hervorbra-
chen; dergleichen vermuthend, weil ich gehört, was Righini
aus muſikaliſchen Phraſen und Figuren durch accelerirte oder
angehaltene Noten, für welches keine muſikaliſche Zeichen exi-
ſtiren, herauszog, war ich einzig hingegangen. Dekorationen,
Anordnung und Pracht ſtehen bei weitem unſerer Aufführung
dieſes Stückes nach. — Die Königin der Nacht kam aus ei-
nem großen Monde geſtiegen, der in eben als Wolken
herabgelaſſener Leinwand herunter rollen mußte; ſie kam aus
ihm wie aus einer großen Thüre gelaſſen und alt heraus,
mit einer Krone von Silberpapier, woran Monde und der-
gleichen von reinem Blech zitterten. Sie ſang die unſinnigen
Arien mit einer alten Stimme, die ſo dezidirt auftrat, daß
man hörte, daß ſie ſich in der Art Geſang ſonſt mit Recht
habe bewundern laſſen, und in dieſem Nachreſpekt ſchonten
ſie auch die Zuhörer. Mad. Roſenbaum heißt ſie; über
fünfzig; aber ſie iſt die erſte Perſon, die mich gelehrt hat,
was staccato iſt. Kein Unſinn: zu welchem es alle Sänger,
die es nicht erfunden, und dazu geboren ſind, machen. Denke
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/258>, abgerufen am 21.11.2024.
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