Hier sind die Beobachter; doch rath' ich euch, nicht buch- stäblich daran zu halten. In dem heutigen fehlt eine dritte Proklamation Napoleons, worin er Talleyrand, Marmont und Augereau in die Acht erklärt, und worin er sagt, er würde den Franzosen alles geben, was man ihnen versprochen aber nicht gehalten, Ruhe, Sieg, Sicherheit, Freiheit etc. -- Nun, lieber Markus und Moritz, folgt mir, wenn ihr es bewerkstel- ligen könnt, folgt dem Poltron! -- Ruhe kommt nicht; schmei- chelt euch nicht: wenigstens in den ersten Zeiten nicht, und es ist besser, an Interessen und Verdienst zu verlieren, als sein Gut. -- Alexander sagte letzten Freitag Abend bei einem Sou- per bei Graf Stackelberg nach den schlechtern Nachrichten fol- gendes, welches wir von einer Gastin des Soupers wissen: "La France n'est plus a sauver, il faut prevenir les suites; le roi ira en Belgique, Mad. d'Angouleme est a Bordeaux; ce que sont devenus les princes, on ne le sait pas." Die Sache ist die: Napoleon ist in Lyon, und die Soldaten erklären sich für ihn. Der Kourier, der vorgestern Abend kam, sagte, er könne nun nicht mehr zurück, weil Metz sich erklärt habe: mit Straßburg ist's noch ungewiß. Lefebvre-Desnouettes ist von Metz aufgebrochen, für ihn. Im Elsaß und Lothringen hat man die dreifarbige Kokarde genommen. Den heutigen Beob- achter find' ich beinah komisch: der und die wollen Hamlets Mutter zur Tugend zwingen, zeigen aber die Bilder verkehrt
An M. Th. Robert, in Berlin.
Wien, Montag den 20. März 1815.
Hier ſind die Beobachter; doch rath’ ich euch, nicht buch- ſtäblich daran zu halten. In dem heutigen fehlt eine dritte Proklamation Napoleons, worin er Talleyrand, Marmont und Augereau in die Acht erklärt, und worin er ſagt, er würde den Franzoſen alles geben, was man ihnen verſprochen aber nicht gehalten, Ruhe, Sieg, Sicherheit, Freiheit ꝛc. — Nun, lieber Markus und Moritz, folgt mir, wenn ihr es bewerkſtel- ligen könnt, folgt dem Poltron! — Ruhe kommt nicht; ſchmei- chelt euch nicht: wenigſtens in den erſten Zeiten nicht, und es iſt beſſer, an Intereſſen und Verdienſt zu verlieren, als ſein Gut. — Alexander ſagte letzten Freitag Abend bei einem Sou- per bei Graf Stackelberg nach den ſchlechtern Nachrichten fol- gendes, welches wir von einer Gaſtin des Soupers wiſſen: „La France n’est plus à sauver, il faut prévenir les suites; le roi ira en Belgique, Mad. d’Angoulême est à Bordeaux; ce que sont devenus les princes, on ne le sait pas.” Die Sache iſt die: Napoleon iſt in Lyon, und die Soldaten erklären ſich für ihn. Der Kourier, der vorgeſtern Abend kam, ſagte, er könne nun nicht mehr zurück, weil Metz ſich erklärt habe: mit Straßburg iſt’s noch ungewiß. Lefebvre-Desnouettes iſt von Metz aufgebrochen, für ihn. Im Elſaß und Lothringen hat man die dreifarbige Kokarde genommen. Den heutigen Beob- achter find’ ich beinah komiſch: der und die wollen Hamlets Mutter zur Tugend zwingen, zeigen aber die Bilder verkehrt
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An M. Th. Robert, in Berlin.
Wien, Montag den 20. März 1815.
Hier ſind die Beobachter; doch rath’ ich euch, nicht buch-
ſtäblich daran zu halten. In dem heutigen fehlt eine dritte
Proklamation Napoleons, worin er Talleyrand, Marmont
und Augereau in die Acht erklärt, und worin er ſagt, er würde
den Franzoſen alles geben, was man ihnen verſprochen aber
nicht gehalten, Ruhe, Sieg, Sicherheit, Freiheit ꝛc. — Nun,
lieber Markus und Moritz, folgt mir, wenn ihr es bewerkſtel-
ligen könnt, folgt dem Poltron! — Ruhe kommt nicht; ſchmei-
chelt euch nicht: wenigſtens in den erſten Zeiten nicht, und es
iſt beſſer, an Intereſſen und Verdienſt zu verlieren, als ſein
Gut. — Alexander ſagte letzten Freitag Abend bei einem Sou-
per bei Graf Stackelberg nach den ſchlechtern Nachrichten fol-
gendes, welches wir von einer Gaſtin des Soupers wiſſen:
„La France n’est plus à sauver, il faut prévenir les suites; le
roi ira en Belgique, Mad. d’Angoulême est à Bordeaux; ce que
sont devenus les princes, on ne le sait pas.” Die Sache iſt
die: Napoleon iſt in Lyon, und die Soldaten erklären ſich für
ihn. Der Kourier, der vorgeſtern Abend kam, ſagte, er
könne nun nicht mehr zurück, weil Metz ſich erklärt habe: mit
Straßburg iſt’s noch ungewiß. Lefebvre-Desnouettes iſt von
Metz aufgebrochen, für ihn. Im Elſaß und Lothringen hat
man die dreifarbige Kokarde genommen. Den heutigen Beob-
achter find’ ich beinah komiſch: der und die wollen Hamlets
Mutter zur Tugend zwingen, zeigen aber die Bilder verkehrt
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/278>, abgerufen am 21.11.2024.
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