schlecht fand, und ihn antichambriren ließ. Unversehens hat er etwas Napoleon geschildert; aber nicht das von ihm, was er beabsichtigte. Wer daraus die polnischen Affairen kennen lernt, den will ich sehen! Carnot aber, der bei weitem nicht tief ist, und dem etwas, man möchte sagen wie Geist, wie Spirituöses in seinem Schreiben fehlt, hat den Muth, der bei den Rechtschaffenen vom Selbsteinstehen, vom Soldatenleben kommt; der macht mit dieser Vertheidigung selon moi einen neuen Abschnitt in dem Schreibegeschwätz. Er ist der Erste, der blank und baar sagt, worauf es angekommen ist. Sein Land zu retten und zu schützen; und dies durch welche Art von Regierungshaupt es auch sei u. s. w.; und nicht die ab- gebrauchte Lügensprache führt! Für die Alliirten ist seine Schrift der kritischte rapport Fouche's, an den müssen sie sich halten; so steht's mit dem Lande; so denken Franzosen. --
-- Habe Geduld, August! Lieber! ich muß auch welche haben: und immerfort; in allen Dingen groß und klein. Heute hab' ich mich erst so wieder bedacht; ich bin voller Geschmack in allen Dingen: in allem; in Betragen, in allem; und muß mich immerweg so geschmacklos betragen, und sein, und Ge- schmackloses annehmen: und bin selbst davon, trotz der rein- sten schärfsten Überzeugung, wider Willen, wie jäh bergab gestürzt, solche Erscheinung geworden. Ohne alle meine zu dieser Betrachtung führende Gedanken scheint es ein Unsinn! Aber wir reden darüber. Ich habe ein graziöses Herz, und betrage mich auch ungraziös; aber was mir zu und an mich geschickt worden ist, war auch wahrhaftig lauter Verletz-Ge-
ſchlecht fand, und ihn antichambriren ließ. Unverſehens hat er etwas Napoleon geſchildert; aber nicht das von ihm, was er beabſichtigte. Wer daraus die polniſchen Affairen kennen lernt, den will ich ſehen! Carnot aber, der bei weitem nicht tief iſt, und dem etwas, man möchte ſagen wie Geiſt, wie Spirituöſes in ſeinem Schreiben fehlt, hat den Muth, der bei den Rechtſchaffenen vom Selbſteinſtehen, vom Soldatenleben kommt; der macht mit dieſer Vertheidigung selon moi einen neuen Abſchnitt in dem Schreibegeſchwätz. Er iſt der Erſte, der blank und baar ſagt, worauf es angekommen iſt. Sein Land zu retten und zu ſchützen; und dies durch welche Art von Regierungshaupt es auch ſei u. ſ. w.; und nicht die ab- gebrauchte Lügenſprache führt! Für die Alliirten iſt ſeine Schrift der kritiſchte rapport Fouché’s, an den müſſen ſie ſich halten; ſo ſteht’s mit dem Lande; ſo denken Franzoſen. —
— Habe Geduld, Auguſt! Lieber! ich muß auch welche haben: und immerfort; in allen Dingen groß und klein. Heute hab’ ich mich erſt ſo wieder bedacht; ich bin voller Geſchmack in allen Dingen: in allem; in Betragen, in allem; und muß mich immerweg ſo geſchmacklos betragen, und ſein, und Ge- ſchmackloſes annehmen: und bin ſelbſt davon, trotz der rein- ſten ſchärfſten Überzeugung, wider Willen, wie jäh bergab geſtürzt, ſolche Erſcheinung geworden. Ohne alle meine zu dieſer Betrachtung führende Gedanken ſcheint es ein Unſinn! Aber wir reden darüber. Ich habe ein graziöſes Herz, und betrage mich auch ungraziös; aber was mir zu und an mich geſchickt worden iſt, war auch wahrhaftig lauter Verletz-Ge-
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ſchlecht fand, und ihn antichambriren ließ. Unverſehens hat
er etwas Napoleon geſchildert; aber nicht das von ihm, was
er beabſichtigte. Wer daraus die polniſchen Affairen kennen
lernt, den will ich ſehen! Carnot aber, der bei weitem nicht
tief iſt, und dem etwas, man möchte ſagen wie Geiſt, wie
Spirituöſes in ſeinem Schreiben fehlt, hat den Muth, der bei
den Rechtſchaffenen vom Selbſteinſtehen, vom Soldatenleben
kommt; der macht mit dieſer Vertheidigung selon moi einen
neuen Abſchnitt in dem Schreibegeſchwätz. Er iſt der Erſte,
der blank und baar ſagt, worauf es angekommen iſt. Sein
Land zu retten und zu ſchützen; und dies durch welche Art
von Regierungshaupt es auch ſei u. ſ. w.; und nicht die ab-
gebrauchte Lügenſprache führt! Für die Alliirten iſt ſeine
Schrift der kritiſchte rapport Fouché’s, an den müſſen ſie ſich
halten; ſo ſteht’s mit dem Lande; ſo denken Franzoſen. —
— Habe Geduld, Auguſt! Lieber! ich muß auch welche
haben: und immerfort; in allen Dingen groß und klein. Heute
hab’ ich mich erſt ſo wieder bedacht; ich bin voller Geſchmack
in allen Dingen: in allem; in Betragen, in allem; und muß
mich immerweg ſo geſchmacklos betragen, und ſein, und Ge-
ſchmackloſes annehmen: und bin ſelbſt davon, trotz der rein-
ſten ſchärfſten Überzeugung, wider Willen, wie jäh bergab
geſtürzt, ſolche Erſcheinung geworden. Ohne alle meine zu
dieſer Betrachtung führende Gedanken ſcheint es ein Unſinn!
Aber wir reden darüber. Ich habe ein graziöſes Herz, und
betrage mich auch ungraziös; aber was mir zu und an mich
geſchickt worden iſt, war auch wahrhaftig lauter Verletz-Ge-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/336>, abgerufen am 22.11.2024.
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