Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

auf, dies würde ihm bleiben; aber es ging ein! äußerte sich
ihm selbst nicht laut und thätig genug, macht' ihn wohl noch
ehrenwerth, aber mochte nicht wieder als Thätigkeit zum schön-
sten Wirken, was es gekonnt hätte, erweckt werden. So war
er vor Halle gewiß einer der ersten, reinsten Geister; von
Halle kam er angebrochen zurück; und sank und sank bis zur
Schmalzischen Schrift hinab. Von bloßem falschen Lob, und
Loben, und vom Tumult, anstatt der keuschen, ehrwürdigen
Seeleneinsamkeit. Ich kannt' ihn wohl, liebt' ihn sehr, habe
ihn immer gekannt, und sinken sehn. Er ist aber groß! und
wäre er jung und gesund genug, ich könnte ihm das alles sa-
gen; und wäre es wahr, mit Erfolg.

-- Welche Wahlen für seinen Umgang traf er! Nicht,
daß weit weniger Begabte uns nicht weit mehr erregen, er-
füllen, befriedigen, erquicken, gefallen, wohlthun, beruhigen,
unterhalten könnten! Aber ich kenne seinen hölzernen, uner-
giebigen, nicht nach der Tiefe dringenden Umgang, wo es bei
ihm so schön ist, und er so zu leben versteht. Er ist aber ge-
fallen; und dies durch einen Verstandesmangel; Tieck aber
sagt, man ist nicht dumm -- wenn man nicht imbecile ist --;
da wo man dumm ist, ist auch Unsittlichkeit, böser Wille; und
dies glaube ich mit Tieck. Also hat er sehr gefehlt; und ist
sehr gesunken; aber wer ihn kennt, liebt ihn doch; und ärgert
sich doppelt. Da ich ihn lange schon so sehr angreife, und
neulich noch bei Ohme so fallen ließ, muß ich ihn wieder bei
euch schützen, wie er's in meinem Herzen ist: nur wer ihn ganz
kennt, darf ihn jetzt loben, und muß es auch. --

-- -- Danieder liegen die Menschen aus allen Ecken

auf, dies würde ihm bleiben; aber es ging ein! äußerte ſich
ihm ſelbſt nicht laut und thätig genug, macht’ ihn wohl noch
ehrenwerth, aber mochte nicht wieder als Thätigkeit zum ſchön-
ſten Wirken, was es gekonnt hätte, erweckt werden. So war
er vor Halle gewiß einer der erſten, reinſten Geiſter; von
Halle kam er angebrochen zurück; und ſank und ſank bis zur
Schmalziſchen Schrift hinab. Von bloßem falſchen Lob, und
Loben, und vom Tumult, anſtatt der keuſchen, ehrwürdigen
Seeleneinſamkeit. Ich kannt’ ihn wohl, liebt’ ihn ſehr, habe
ihn immer gekannt, und ſinken ſehn. Er iſt aber groß! und
wäre er jung und geſund genug, ich könnte ihm das alles ſa-
gen; und wäre es wahr, mit Erfolg.

— Welche Wahlen für ſeinen Umgang traf er! Nicht,
daß weit weniger Begabte uns nicht weit mehr erregen, er-
füllen, befriedigen, erquicken, gefallen, wohlthun, beruhigen,
unterhalten könnten! Aber ich kenne ſeinen hölzernen, uner-
giebigen, nicht nach der Tiefe dringenden Umgang, wo es bei
ihm ſo ſchön iſt, und er ſo zu leben verſteht. Er iſt aber ge-
fallen; und dies durch einen Verſtandesmangel; Tieck aber
ſagt, man iſt nicht dumm — wenn man nicht imbécile iſt —;
da wo man dumm iſt, iſt auch Unſittlichkeit, böſer Wille; und
dies glaube ich mit Tieck. Alſo hat er ſehr gefehlt; und iſt
ſehr geſunken; aber wer ihn kennt, liebt ihn doch; und ärgert
ſich doppelt. Da ich ihn lange ſchon ſo ſehr angreife, und
neulich noch bei Ohme ſo fallen ließ, muß ich ihn wieder bei
euch ſchützen, wie er’s in meinem Herzen iſt: nur wer ihn ganz
kennt, darf ihn jetzt loben, und muß es auch. —

— — Danieder liegen die Menſchen aus allen Ecken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0389" n="381"/>
auf, dies würde ihm bleiben; aber es ging ein! äußerte &#x017F;ich<lb/>
ihm &#x017F;elb&#x017F;t nicht laut und thätig genug, macht&#x2019; ihn wohl noch<lb/>
ehrenwerth, aber mochte nicht wieder als Thätigkeit zum &#x017F;chön-<lb/>
&#x017F;ten Wirken, was es gekonnt hätte, erweckt werden. So war<lb/>
er <hi rendition="#g">vor</hi> Halle gewiß einer der er&#x017F;ten, rein&#x017F;ten Gei&#x017F;ter; <hi rendition="#g">von</hi><lb/>
Halle kam er angebrochen zurück; und &#x017F;ank und &#x017F;ank bis zur<lb/>
Schmalzi&#x017F;chen Schrift hinab. Von bloßem fal&#x017F;chen Lob, und<lb/>
Loben, und vom Tumult, an&#x017F;tatt der keu&#x017F;chen, ehrwürdigen<lb/>
Seelenein&#x017F;amkeit. Ich kannt&#x2019; ihn wohl, liebt&#x2019; ihn &#x017F;ehr, habe<lb/>
ihn immer gekannt, und &#x017F;inken &#x017F;ehn. Er i&#x017F;t aber groß! und<lb/>
wäre er jung und ge&#x017F;und genug, ich könnte ihm das alles &#x017F;a-<lb/>
gen; und wäre es wahr, mit Erfolg.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Welche Wahlen für &#x017F;einen Umgang traf er! Nicht,<lb/>
daß weit weniger Begabte uns nicht weit mehr erregen, er-<lb/>
füllen, befriedigen, erquicken, gefallen, wohlthun, beruhigen,<lb/>
unterhalten könnten! Aber ich kenne &#x017F;einen hölzernen, uner-<lb/>
giebigen, nicht nach der Tiefe dringenden Umgang, wo es bei<lb/>
ihm &#x017F;o &#x017F;chön i&#x017F;t, und er &#x017F;o zu leben ver&#x017F;teht. Er i&#x017F;t aber ge-<lb/>
fallen; und dies durch einen Ver&#x017F;tandesmangel; Tieck aber<lb/>
&#x017F;agt, man <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi> nicht dumm &#x2014; wenn man nicht <hi rendition="#aq">imbécile</hi> i&#x017F;t &#x2014;;<lb/>
da wo man dumm i&#x017F;t, i&#x017F;t auch Un&#x017F;ittlichkeit, bö&#x017F;er Wille; und<lb/>
dies glaube ich mit Tieck. Al&#x017F;o hat er &#x017F;ehr gefehlt; und i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr ge&#x017F;unken; aber wer ihn kennt, liebt ihn doch; und ärgert<lb/>
&#x017F;ich doppelt. Da ich ihn lange &#x017F;chon &#x017F;o &#x017F;ehr angreife, und<lb/>
neulich noch bei Ohme &#x017F;o fallen ließ, muß ich ihn wieder bei<lb/>
euch &#x017F;chützen, wie er&#x2019;s in meinem Herzen i&#x017F;t: nur wer ihn ganz<lb/>
kennt, darf ihn jetzt loben, und muß es auch. &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x2014; Danieder liegen die Men&#x017F;chen aus allen Ecken<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0389] auf, dies würde ihm bleiben; aber es ging ein! äußerte ſich ihm ſelbſt nicht laut und thätig genug, macht’ ihn wohl noch ehrenwerth, aber mochte nicht wieder als Thätigkeit zum ſchön- ſten Wirken, was es gekonnt hätte, erweckt werden. So war er vor Halle gewiß einer der erſten, reinſten Geiſter; von Halle kam er angebrochen zurück; und ſank und ſank bis zur Schmalziſchen Schrift hinab. Von bloßem falſchen Lob, und Loben, und vom Tumult, anſtatt der keuſchen, ehrwürdigen Seeleneinſamkeit. Ich kannt’ ihn wohl, liebt’ ihn ſehr, habe ihn immer gekannt, und ſinken ſehn. Er iſt aber groß! und wäre er jung und geſund genug, ich könnte ihm das alles ſa- gen; und wäre es wahr, mit Erfolg. — Welche Wahlen für ſeinen Umgang traf er! Nicht, daß weit weniger Begabte uns nicht weit mehr erregen, er- füllen, befriedigen, erquicken, gefallen, wohlthun, beruhigen, unterhalten könnten! Aber ich kenne ſeinen hölzernen, uner- giebigen, nicht nach der Tiefe dringenden Umgang, wo es bei ihm ſo ſchön iſt, und er ſo zu leben verſteht. Er iſt aber ge- fallen; und dies durch einen Verſtandesmangel; Tieck aber ſagt, man iſt nicht dumm — wenn man nicht imbécile iſt —; da wo man dumm iſt, iſt auch Unſittlichkeit, böſer Wille; und dies glaube ich mit Tieck. Alſo hat er ſehr gefehlt; und iſt ſehr geſunken; aber wer ihn kennt, liebt ihn doch; und ärgert ſich doppelt. Da ich ihn lange ſchon ſo ſehr angreife, und neulich noch bei Ohme ſo fallen ließ, muß ich ihn wieder bei euch ſchützen, wie er’s in meinem Herzen iſt: nur wer ihn ganz kennt, darf ihn jetzt loben, und muß es auch. — — — Danieder liegen die Menſchen aus allen Ecken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/389
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/389>, abgerufen am 26.11.2024.