Überzeugen gesagt. Nur noch das! Was Einer ernst meint, was ihn erhebt, was ihn beruhigt, was ihn kräftigt, ist mir recht: nur muß sein Inneres und sein Leben aus Einem Stück gehen; derselbe Ernst bei jedem; nämlich, die kleinste Meinung, die kleinste Regung muß sich bis auf seine ihm wichtigste, richtig, und ohne Abschnitt, hinauf- oder zurück- führen. Dann ist es gut: und der Mensch ein treuer Gottes- sohn; und keine Grimasse.
Auf Ihren ersten Brief sollte ich eigentlich auch antwor- ten! der voller Talent ist, und den wir mit so vielem Ergötzen bewundert haben: denn ich konnte mich nicht enthalten, Varnh. die Stellen, wo Sie das Schloß, den Abbe, Mama's Wesen, mit zwei Worten; Bärstecher mit einem, ganz treffend, ganz erschöpfend bezeichnen, mitzutheilen. Ich möchte wissen ob mehr Franzosen, ohne alles Deutsch, so schreiben. Sie ver- stehen mich recht. Sie wissen, daß ich nicht denke, Deutsch giebt Geist, Augen, Sinne, Lebhaftigkeit, Wortfindigkeit, und Wahl: aber ob gewisse Wendungen Ihnen auch gekommen wären und Wortstellungen. Ich bekomme auch jetzt von ei- nem jungen Franzosen, vom Sohn der Mad. Campan, Briefe die vortrefflich sind! Voller Wahrheit, unergründlicher Nai- vetät; der weiß nicht, was "Ja" ist! Aber Ihre Art ist es nicht; doch auch bei weitem nicht die alte gute Bücherart: aber das schönste Französisch. Ich kenne Campan seit Anno 6. von Berlin. Warum schreiben Sie denn nicht an M. Ma- quinehan, daß er zum General Prinz Solms schickt, und sich das Paket ausbittet! Aber der Bote muß den General selbst sprechen: sonst läugnet ein Kammerdiener vielleicht das Paket-
Überzeugen geſagt. Nur noch das! Was Einer ernſt meint, was ihn erhebt, was ihn beruhigt, was ihn kräftigt, iſt mir recht: nur muß ſein Inneres und ſein Leben aus Einem Stück gehen; derſelbe Ernſt bei jedem; nämlich, die kleinſte Meinung, die kleinſte Regung muß ſich bis auf ſeine ihm wichtigſte, richtig, und ohne Abſchnitt, hinauf- oder zurück- führen. Dann iſt es gut: und der Menſch ein treuer Gottes- ſohn; und keine Grimaſſe.
Auf Ihren erſten Brief ſollte ich eigentlich auch antwor- ten! der voller Talent iſt, und den wir mit ſo vielem Ergötzen bewundert haben: denn ich konnte mich nicht enthalten, Varnh. die Stellen, wo Sie das Schloß, den Abbé, Mama’s Weſen, mit zwei Worten; Bärſtecher mit einem, ganz treffend, ganz erſchöpfend bezeichnen, mitzutheilen. Ich möchte wiſſen ob mehr Franzoſen, ohne alles Deutſch, ſo ſchreiben. Sie ver- ſtehen mich recht. Sie wiſſen, daß ich nicht denke, Deutſch giebt Geiſt, Augen, Sinne, Lebhaftigkeit, Wortfindigkeit, und Wahl: aber ob gewiſſe Wendungen Ihnen auch gekommen wären und Wortſtellungen. Ich bekomme auch jetzt von ei- nem jungen Franzoſen, vom Sohn der Mad. Campan, Briefe die vortrefflich ſind! Voller Wahrheit, unergründlicher Nai- vetät; der weiß nicht, was „Ja“ iſt! Aber Ihre Art iſt es nicht; doch auch bei weitem nicht die alte gute Bücherart: aber das ſchönſte Franzöſiſch. Ich kenne Campan ſeit Anno 6. von Berlin. Warum ſchreiben Sie denn nicht an M. Ma- quinehan, daß er zum General Prinz Solms ſchickt, und ſich das Paket ausbittet! Aber der Bote muß den General ſelbſt ſprechen: ſonſt läugnet ein Kammerdiener vielleicht das Paket-
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Überzeugen geſagt. Nur noch das! Was Einer ernſt meint,
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mir recht: nur muß ſein Inneres und ſein Leben aus Einem
Stück gehen; derſelbe Ernſt bei jedem; nämlich, die kleinſte
Meinung, die kleinſte Regung muß ſich bis auf ſeine ihm
wichtigſte, richtig, und ohne Abſchnitt, hinauf- oder zurück-
führen. Dann iſt es gut: und der Menſch ein treuer Gottes-
ſohn; und keine Grimaſſe.
Auf Ihren erſten Brief ſollte ich eigentlich auch antwor-
ten! der voller Talent iſt, und den wir mit ſo vielem Ergötzen
bewundert haben: denn ich konnte mich nicht enthalten, Varnh.
die Stellen, wo Sie das Schloß, den Abbé, Mama’s Weſen,
mit zwei Worten; Bärſtecher mit einem, ganz treffend, ganz
erſchöpfend bezeichnen, mitzutheilen. Ich möchte wiſſen ob
mehr Franzoſen, ohne alles Deutſch, ſo ſchreiben. Sie ver-
ſtehen mich recht. Sie wiſſen, daß ich nicht denke, Deutſch
giebt Geiſt, Augen, Sinne, Lebhaftigkeit, Wortfindigkeit, und
Wahl: aber ob gewiſſe Wendungen Ihnen auch gekommen
wären und Wortſtellungen. Ich bekomme auch jetzt von ei-
nem jungen Franzoſen, vom Sohn der Mad. Campan, Briefe
die vortrefflich ſind! Voller Wahrheit, unergründlicher Nai-
vetät; der weiß nicht, was „Ja“ iſt! Aber Ihre Art iſt es
nicht; doch auch bei weitem nicht die alte gute Bücherart:
aber das ſchönſte Franzöſiſch. Ich kenne Campan ſeit Anno 6.
von Berlin. Warum ſchreiben Sie denn nicht an M. Ma-
quinehan, daß er zum General Prinz Solms ſchickt, und ſich
das Paket ausbittet! Aber der Bote muß den General ſelbſt
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/450>, abgerufen am 22.11.2024.
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