so klug dich beträgst! und mir so schmeichelst, als wäre ich schuld! -- Mein geliebter August! Wenn du etwa des Nachts nach Frankfurt kommst, oder wenn es finster ist: laß dich nur nach der Gallengasse fahren. Ich wohne auf derselben Seite von der Gräfin Custine, eh man zu ihrem Hause kommt von der Allee aus; es steht ein Brunnen vor meiner Hausthür. Schneider heißt mein Wirth; ist ein Weißbinder, d. h. bei uns ein Stubenweißer. --
Grüß ja die Woltmann aus innigstem Herzen! Sag' ihr, Ihr Brief war gelassen, stark, voll Herz, brav wie sie: und erregte meine ganze Liebe und Verehrung für sie; ich hoffte, wir sähen uns doch. Geh ja, Geliebter, zur Grotthuß: ach! sie ist nie ordentlich verwirrt, nur überreizt, und unter Men- schen, die sie nicht verstehen: und krank. Sag' ihr alles von mir. Ihrentwegen wär' ich wahrhaftig noch nach Berlin ge- reist: das ist man sich schuldig: dies hätte sie sehr erhoben. Ferdinand freut mich; ich denke über das Kind wie du: er müßte mir ein Robert werden; wird es auch wohl doch, und bald!
Alles grüßt dich. -- Sag Theodor, ich hätte gestern in der Komödie Mad. Chevalier gesprochen, die heute nach Mainz geht, den Winter dort zuzubringen, weil Frankfurt zu ennu- yant ist -- sagt sie -- und theuer ist, und sie künftigen Som- mer nach Schwalbach soll: solche Veränderung hätte ich nur bei Major Kaphengst gesehen: sie ist eine Andere: und sieht der in Reinerz auch nicht ähnlich. Höflich und freundlich übrigens.
Thu mir den Gefallen, und trag' ihm auch diese meine
ſo klug dich beträgſt! und mir ſo ſchmeichelſt, als wäre ich ſchuld! — Mein geliebter Auguſt! Wenn du etwa des Nachts nach Frankfurt kommſt, oder wenn es finſter iſt: laß dich nur nach der Gallengaſſe fahren. Ich wohne auf derſelben Seite von der Gräfin Cuſtine, eh man zu ihrem Hauſe kommt von der Allee aus; es ſteht ein Brunnen vor meiner Hausthür. Schneider heißt mein Wirth; iſt ein Weißbinder, d. h. bei uns ein Stubenweißer. —
Grüß ja die Woltmann aus innigſtem Herzen! Sag’ ihr, Ihr Brief war gelaſſen, ſtark, voll Herz, brav wie ſie: und erregte meine ganze Liebe und Verehrung für ſie; ich hoffte, wir ſähen uns doch. Geh ja, Geliebter, zur Grotthuß: ach! ſie iſt nie ordentlich verwirrt, nur überreizt, und unter Men- ſchen, die ſie nicht verſtehen: und krank. Sag’ ihr alles von mir. Ihrentwegen wär’ ich wahrhaftig noch nach Berlin ge- reiſt: das iſt man ſich ſchuldig: dies hätte ſie ſehr erhoben. Ferdinand freut mich; ich denke über das Kind wie du: er müßte mir ein Robert werden; wird es auch wohl doch, und bald!
Alles grüßt dich. — Sag Theodor, ich hätte geſtern in der Komödie Mad. Chevalier geſprochen, die heute nach Mainz geht, den Winter dort zuzubringen, weil Frankfurt zu ennu- yant iſt — ſagt ſie — und theuer iſt, und ſie künftigen Som- mer nach Schwalbach ſoll: ſolche Veränderung hätte ich nur bei Major Kaphengſt geſehen: ſie iſt eine Andere: und ſieht der in Reinerz auch nicht ähnlich. Höflich und freundlich übrigens.
Thu mir den Gefallen, und trag’ ihm auch dieſe meine
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ſo klug dich beträgſt! und mir ſo ſchmeichelſt, als wäre ich
ſchuld! — Mein geliebter Auguſt! Wenn du etwa des Nachts
nach Frankfurt kommſt, oder wenn es finſter iſt: laß dich nur
nach der Gallengaſſe fahren. Ich wohne auf derſelben Seite
von der Gräfin Cuſtine, eh man zu ihrem Hauſe kommt von
der Allee aus; es ſteht ein Brunnen vor meiner Hausthür.
Schneider heißt mein Wirth; iſt ein Weißbinder, d. h. bei uns
ein Stubenweißer. —
Grüß ja die Woltmann aus innigſtem Herzen! Sag’ ihr,
Ihr Brief war gelaſſen, ſtark, voll Herz, brav wie ſie: und
erregte meine ganze Liebe und Verehrung für ſie; ich hoffte,
wir ſähen uns doch. Geh ja, Geliebter, zur Grotthuß: ach!
ſie iſt nie ordentlich verwirrt, nur überreizt, und unter Men-
ſchen, die ſie nicht verſtehen: und krank. Sag’ ihr alles von
mir. Ihrentwegen wär’ ich wahrhaftig noch nach Berlin ge-
reiſt: das iſt man ſich ſchuldig: dies hätte ſie ſehr erhoben.
Ferdinand freut mich; ich denke über das Kind wie du: er
müßte mir ein Robert werden; wird es auch wohl doch,
und bald!
Alles grüßt dich. — Sag Theodor, ich hätte geſtern in
der Komödie Mad. Chevalier geſprochen, die heute nach Mainz
geht, den Winter dort zuzubringen, weil Frankfurt zu ennu-
yant iſt — ſagt ſie — und theuer iſt, und ſie künftigen Som-
mer nach Schwalbach ſoll: ſolche Veränderung hätte ich nur
bei Major Kaphengſt geſehen: ſie iſt eine Andere: und ſieht
der in Reinerz auch nicht ähnlich. Höflich und freundlich
übrigens.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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