hagen dies thun will. Einen solchen Aristokratism kann man anhören. Wie ist er deutlich, bündig und umschauend. Auch er berührt einen alten Gedanken von mir; die Erde wird nicht groß genug am Ende, man wird mit den Sternen zu schaffen haben wollen. Verzeihung für den zerrissenen Gruß! Ich bin zu sehr in Eil. Wie geht das Privatleben in Paris: Ihres, Mad. Oelsner ihres? besser? bequemer?
Ihre R.
An Astolf Grafen von Custine, in Fervaques.
Karlsruhe, Sonntag Vormittag den 1. November 1818.
Trübes, näßlich kaltes Wetter.
Heute sind es vier Wochen, daß ich von Baden hier zu- rück bin. Es war dort bis ein paar Tage vor meiner Abreise wunderschön, und in unzähligen Wetter- und Lichtabwechslun- gen immer von neuem unendlich reich für Sinn, und Traum, möcht' ich es nennen; wir waren die ganz letzten sechs Wo- chen beinah ohne alle Gesellschaft dort; nur Frau von Tetten- born lebte auf dem Schlosse; und die letzten drei Monate nur mit sehr wenig Gesellschaft; vier, vom 8. Juni an, war ich dort. Tausendfältig wünscht' ich meine Freunde hin! -- bald den einen, bald den andern; aber unsere Lebenstage sind uns vorgesetzt, in einer Krippe, wie wir dem Thier sein Futter rei- chen; die Art, das Maß, nichts hängt von uns ab: höchstens können wir das Futter unangetastet lassen; zu ändern ist sehr wenig. Und bis ein großes Ereigniß kömmt, möcht' ich gar nicht nach mir hinsehen! Seit ein paar Tagen hat der Ge- danke des Sterbens durch einen für mich neuen Einfall etwas
hagen dies thun will. Einen ſolchen Ariſtokratism kann man anhören. Wie iſt er deutlich, bündig und umſchauend. Auch er berührt einen alten Gedanken von mir; die Erde wird nicht groß genug am Ende, man wird mit den Sternen zu ſchaffen haben wollen. Verzeihung für den zerriſſenen Gruß! Ich bin zu ſehr in Eil. Wie geht das Privatleben in Paris: Ihres, Mad. Oelsner ihres? beſſer? bequemer?
Ihre R.
An Aſtolf Grafen von Cuſtine, in Fervaques.
Karlsruhe, Sonntag Vormittag den 1. November 1818.
Trübes, näßlich kaltes Wetter.
Heute ſind es vier Wochen, daß ich von Baden hier zu- rück bin. Es war dort bis ein paar Tage vor meiner Abreiſe wunderſchön, und in unzähligen Wetter- und Lichtabwechſlun- gen immer von neuem unendlich reich für Sinn, und Traum, möcht’ ich es nennen; wir waren die ganz letzten ſechs Wo- chen beinah ohne alle Geſellſchaft dort; nur Frau von Tetten- born lebte auf dem Schloſſe; und die letzten drei Monate nur mit ſehr wenig Geſellſchaft; vier, vom 8. Juni an, war ich dort. Tauſendfältig wünſcht’ ich meine Freunde hin! — bald den einen, bald den andern; aber unſere Lebenstage ſind uns vorgeſetzt, in einer Krippe, wie wir dem Thier ſein Futter rei- chen; die Art, das Maß, nichts hängt von uns ab: höchſtens können wir das Futter unangetaſtet laſſen; zu ändern iſt ſehr wenig. Und bis ein großes Ereigniß kömmt, möcht’ ich gar nicht nach mir hinſehen! Seit ein paar Tagen hat der Ge- danke des Sterbens durch einen für mich neuen Einfall etwas
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hagen dies thun will. Einen ſolchen Ariſtokratism kann man
anhören. Wie iſt er deutlich, bündig und umſchauend. Auch
er berührt einen alten Gedanken von mir; die Erde wird nicht
groß genug am Ende, man wird mit den Sternen zu ſchaffen
haben wollen. Verzeihung für den zerriſſenen Gruß! Ich
bin zu ſehr in Eil. Wie geht das Privatleben in Paris:
Ihres, Mad. Oelsner ihres? beſſer? bequemer?
Ihre R.
An Aſtolf Grafen von Cuſtine, in Fervaques.
Karlsruhe, Sonntag Vormittag den 1. November 1818.
Trübes, näßlich kaltes Wetter.
Heute ſind es vier Wochen, daß ich von Baden hier zu-
rück bin. Es war dort bis ein paar Tage vor meiner Abreiſe
wunderſchön, und in unzähligen Wetter- und Lichtabwechſlun-
gen immer von neuem unendlich reich für Sinn, und Traum,
möcht’ ich es nennen; wir waren die ganz letzten ſechs Wo-
chen beinah ohne alle Geſellſchaft dort; nur Frau von Tetten-
born lebte auf dem Schloſſe; und die letzten drei Monate nur
mit ſehr wenig Geſellſchaft; vier, vom 8. Juni an, war ich
dort. Tauſendfältig wünſcht’ ich meine Freunde hin! — bald
den einen, bald den andern; aber unſere Lebenstage ſind uns
vorgeſetzt, in einer Krippe, wie wir dem Thier ſein Futter rei-
chen; die Art, das Maß, nichts hängt von uns ab: höchſtens
können wir das Futter unangetaſtet laſſen; zu ändern iſt ſehr
wenig. Und bis ein großes Ereigniß kömmt, möcht’ ich gar
nicht nach mir hinſehen! Seit ein paar Tagen hat der Ge-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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