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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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Opfer gebracht werden müssen, würde ich tadeln, wenn dies
nicht ganz auf Gott zurückfiele; der aber hat den größten
Witz darin angebracht, den wir hier kennen, nämlich hat es
zur tiefsten Aufgabe unseres persönlichen Daseins gemacht, zur
Aufgabe der Sittlichkeit, die aber ein jeder nur an sich selber
machen kann und beurtheilen kann. Rechne es mir hoch an,
daß ich dir dies alles schrieb, es ist das Höchste, was ich
weiß. Mir ist unter allen philosophischen Systemen -- ich
kenne ja was sie aufstellen -- keines haltbarer, natürlicher,
wahrhafter, einfacher in der Voraussetzung. -- --

Ich muß noch ein Wort hinzufügen. Das Buch von F.
ist, ich wiederhol' es, ein Werk voller Geist, handelt von den
wichtigsten Gegenständen, regt unendlich zum Denken auf.
Wenn der Verfasser mich in Ärger brachte, so liegt das in
seiner und meiner Art zu sein, und in der, wie wir zu unsern
Gedanken kommen, und sie zu Folgerungen gebrauchen. (Frau
von Stael z. B. ärgert mich auf dieselbe Weise.) So ärgert
mich nicht sowohl seine Religiosität, als vielmehr die Stellen,
wo er sie anbringt, und die Wege, wie er zu ihr kommt;
dich aber wird sie unendlich ansprechen, weil es ganz deine
ist; und du wirst ihn, wo du ihn ehrlich (hier nur konse-
quent) findest, darum besser verstehen, als ich. Ich empfehle
dies Buch, weil es dich sehr beschäftigen und dir in vielem
neu sein wird. Lavater aber und Saint-Martin, die ich dir
auch zu lesen empfahl, und andre solche großartige Seelen,
kommen wie aus einem religiösen Meere mit ihren Gedanken
hervor, ohne zu ihren Beweisen ein Stück Religion vor sich
zu nehmen, und daraus eine Mosaik von strengen Folgerungen

Opfer gebracht werden müſſen, würde ich tadeln, wenn dies
nicht ganz auf Gott zurückfiele; der aber hat den größten
Witz darin angebracht, den wir hier kennen, nämlich hat es
zur tiefſten Aufgabe unſeres perſönlichen Daſeins gemacht, zur
Aufgabe der Sittlichkeit, die aber ein jeder nur an ſich ſelber
machen kann und beurtheilen kann. Rechne es mir hoch an,
daß ich dir dies alles ſchrieb, es iſt das Höchſte, was ich
weiß. Mir iſt unter allen philoſophiſchen Syſtemen — ich
kenne ja was ſie aufſtellen — keines haltbarer, natürlicher,
wahrhafter, einfacher in der Vorausſetzung. — —

Ich muß noch ein Wort hinzufügen. Das Buch von F.
iſt, ich wiederhol’ es, ein Werk voller Geiſt, handelt von den
wichtigſten Gegenſtänden, regt unendlich zum Denken auf.
Wenn der Verfaſſer mich in Ärger brachte, ſo liegt das in
ſeiner und meiner Art zu ſein, und in der, wie wir zu unſern
Gedanken kommen, und ſie zu Folgerungen gebrauchen. (Frau
von Staël z. B. ärgert mich auf dieſelbe Weiſe.) So ärgert
mich nicht ſowohl ſeine Religioſität, als vielmehr die Stellen,
wo er ſie anbringt, und die Wege, wie er zu ihr kommt;
dich aber wird ſie unendlich anſprechen, weil es ganz deine
iſt; und du wirſt ihn, wo du ihn ehrlich (hier nur konſe-
quent) findeſt, darum beſſer verſtehen, als ich. Ich empfehle
dies Buch, weil es dich ſehr beſchäftigen und dir in vielem
neu ſein wird. Lavater aber und Saint-Martin, die ich dir
auch zu leſen empfahl, und andre ſolche großartige Seelen,
kommen wie aus einem religiöſen Meere mit ihren Gedanken
hervor, ohne zu ihren Beweiſen ein Stück Religion vor ſich
zu nehmen, und daraus eine Moſaik von ſtrengen Folgerungen

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[557/0565] Opfer gebracht werden müſſen, würde ich tadeln, wenn dies nicht ganz auf Gott zurückfiele; der aber hat den größten Witz darin angebracht, den wir hier kennen, nämlich hat es zur tiefſten Aufgabe unſeres perſönlichen Daſeins gemacht, zur Aufgabe der Sittlichkeit, die aber ein jeder nur an ſich ſelber machen kann und beurtheilen kann. Rechne es mir hoch an, daß ich dir dies alles ſchrieb, es iſt das Höchſte, was ich weiß. Mir iſt unter allen philoſophiſchen Syſtemen — ich kenne ja was ſie aufſtellen — keines haltbarer, natürlicher, wahrhafter, einfacher in der Vorausſetzung. — — Ich muß noch ein Wort hinzufügen. Das Buch von F. iſt, ich wiederhol’ es, ein Werk voller Geiſt, handelt von den wichtigſten Gegenſtänden, regt unendlich zum Denken auf. Wenn der Verfaſſer mich in Ärger brachte, ſo liegt das in ſeiner und meiner Art zu ſein, und in der, wie wir zu unſern Gedanken kommen, und ſie zu Folgerungen gebrauchen. (Frau von Staël z. B. ärgert mich auf dieſelbe Weiſe.) So ärgert mich nicht ſowohl ſeine Religioſität, als vielmehr die Stellen, wo er ſie anbringt, und die Wege, wie er zu ihr kommt; dich aber wird ſie unendlich anſprechen, weil es ganz deine iſt; und du wirſt ihn, wo du ihn ehrlich (hier nur konſe- quent) findeſt, darum beſſer verſtehen, als ich. Ich empfehle dies Buch, weil es dich ſehr beſchäftigen und dir in vielem neu ſein wird. Lavater aber und Saint-Martin, die ich dir auch zu leſen empfahl, und andre ſolche großartige Seelen, kommen wie aus einem religiöſen Meere mit ihren Gedanken hervor, ohne zu ihren Beweiſen ein Stück Religion vor ſich zu nehmen, und daraus eine Moſaik von ſtrengen Folgerungen

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/565>, abgerufen am 22.11.2024.