Zimmer, die Bedienten, der Garten, die Gesellschaft; ich wollte auch wieder hin; nur war etwas mehr Bewegung, und eine Art Unruh in den Zimmern, ohne sonstige Störung noch Un- ordnung; ich sah mein Thier auch nicht; welches, wie mich dünkte, mir schon sehr oft gefehlt hatte, eine lange Zeit her; ohne mich besonders zu kränken noch zu befremden, obgleich ich mit den Dienern des Hauses davon gesprochen hatte. Weil die unruhige Bewegung mich noch mehr störte, als die ge- wöhnliche Gewalt, die mich vom letzten Zimmer abhielt, so trat ich de plain pied aus großen Glasfenstern auf die Ter- rasse, die sich bald in den Platz mit Bäumen ohne weitere Gränze verlor; dort waren zwischen den alten Bäumen hin und her helle Laternen auf großen Pfählen angezündet; ich betrachtete müßig die erleuchteten Fenster des Schlosses, und das prächtig beschienene große Laub der Bäume: die Diener liefen häufiger und mehr als sonst hin und wieder; sie beach- teten mich nicht, ich sie nicht. Mit einemmale sehe ich dicht an einem großen Baumstamm, halb auf seiner starken Wur- zel, mein Thier zusammengekrümmt, mit verstecktem Kopf, auf dem Bauch schlafend liegen: es war ganz schwarz mit bor- stigem Haar: Mein Thier! schrei ich, mein Thier ist wieder da; zu den Bedienten, die mit Geräthen in den Händen und Servietten über den Schultern, in ihren Gängen bloß ge- hemmt, aber nicht ganz nahe tretend, stehen bleiben. Es schläft, sag' ich; und tippe es mit der Fußspitze an, um es ein wenig zu rütteln: in demselben Augenblick schlägt es aber über sich um, fällt auseinander, und liegt platt da als Fell; die rauche Seite auf der Erde, trocken und rein. "Es ist ein
Zimmer, die Bedienten, der Garten, die Geſellſchaft; ich wollte auch wieder hin; nur war etwas mehr Bewegung, und eine Art Unruh in den Zimmern, ohne ſonſtige Störung noch Un- ordnung; ich ſah mein Thier auch nicht; welches, wie mich dünkte, mir ſchon ſehr oft gefehlt hatte, eine lange Zeit her; ohne mich beſonders zu kränken noch zu befremden, obgleich ich mit den Dienern des Hauſes davon geſprochen hatte. Weil die unruhige Bewegung mich noch mehr ſtörte, als die ge- wöhnliche Gewalt, die mich vom letzten Zimmer abhielt, ſo trat ich de plain pied aus großen Glasfenſtern auf die Ter- raſſe, die ſich bald in den Platz mit Bäumen ohne weitere Gränze verlor; dort waren zwiſchen den alten Bäumen hin und her helle Laternen auf großen Pfählen angezündet; ich betrachtete müßig die erleuchteten Fenſter des Schloſſes, und das prächtig beſchienene große Laub der Bäume: die Diener liefen häufiger und mehr als ſonſt hin und wieder; ſie beach- teten mich nicht, ich ſie nicht. Mit einemmale ſehe ich dicht an einem großen Baumſtamm, halb auf ſeiner ſtarken Wur- zel, mein Thier zuſammengekrümmt, mit verſtecktem Kopf, auf dem Bauch ſchlafend liegen: es war ganz ſchwarz mit bor- ſtigem Haar: Mein Thier! ſchrei ich, mein Thier iſt wieder da; zu den Bedienten, die mit Geräthen in den Händen und Servietten über den Schultern, in ihren Gängen bloß ge- hemmt, aber nicht ganz nahe tretend, ſtehen bleiben. Es ſchläft, ſag’ ich; und tippe es mit der Fußſpitze an, um es ein wenig zu rütteln: in demſelben Augenblick ſchlägt es aber über ſich um, fällt auseinander, und liegt platt da als Fell; die rauche Seite auf der Erde, trocken und rein. „Es iſt ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0060"n="52"/>
Zimmer, die Bedienten, der Garten, die Geſellſchaft; ich wollte<lb/>
auch wieder hin; nur war etwas mehr Bewegung, und eine<lb/>
Art Unruh in den Zimmern, ohne ſonſtige Störung noch Un-<lb/>
ordnung; ich ſah mein Thier auch nicht; welches, wie mich<lb/>
dünkte, mir ſchon ſehr oft gefehlt hatte, eine lange Zeit her;<lb/>
ohne mich beſonders zu kränken noch zu befremden, obgleich<lb/>
ich mit den Dienern des Hauſes davon geſprochen hatte. Weil<lb/>
die unruhige Bewegung mich noch mehr ſtörte, als die ge-<lb/>
wöhnliche Gewalt, die mich vom letzten Zimmer abhielt, ſo<lb/>
trat ich <hirendition="#aq">de plain pied</hi> aus großen Glasfenſtern auf die Ter-<lb/>
raſſe, die ſich bald in den Platz mit Bäumen ohne weitere<lb/>
Gränze verlor; dort waren zwiſchen den alten Bäumen hin<lb/>
und her helle Laternen auf großen Pfählen angezündet; ich<lb/>
betrachtete müßig die erleuchteten Fenſter des Schloſſes, und<lb/>
das prächtig beſchienene große Laub der Bäume: die Diener<lb/>
liefen häufiger und mehr als ſonſt hin und wieder; ſie beach-<lb/>
teten mich nicht, ich ſie nicht. Mit einemmale ſehe ich dicht<lb/>
an einem großen Baumſtamm, halb auf ſeiner ſtarken Wur-<lb/>
zel, mein Thier zuſammengekrümmt, mit verſtecktem Kopf, auf<lb/>
dem Bauch ſchlafend liegen: es war ganz ſchwarz mit bor-<lb/>ſtigem Haar: Mein Thier! ſchrei ich, mein Thier iſt wieder<lb/>
da; zu den Bedienten, die mit Geräthen in den Händen und<lb/>
Servietten über den Schultern, in ihren Gängen bloß ge-<lb/>
hemmt, aber nicht ganz nahe tretend, ſtehen bleiben. Es<lb/>ſchläft, ſag’ ich; und tippe es mit der Fußſpitze an, um es<lb/>
ein wenig zu rütteln: in demſelben Augenblick ſchlägt es aber<lb/>
über ſich um, fällt auseinander, und liegt platt da als Fell;<lb/>
die rauche Seite auf der Erde, trocken und rein. „Es iſt ein<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[52/0060]
Zimmer, die Bedienten, der Garten, die Geſellſchaft; ich wollte
auch wieder hin; nur war etwas mehr Bewegung, und eine
Art Unruh in den Zimmern, ohne ſonſtige Störung noch Un-
ordnung; ich ſah mein Thier auch nicht; welches, wie mich
dünkte, mir ſchon ſehr oft gefehlt hatte, eine lange Zeit her;
ohne mich beſonders zu kränken noch zu befremden, obgleich
ich mit den Dienern des Hauſes davon geſprochen hatte. Weil
die unruhige Bewegung mich noch mehr ſtörte, als die ge-
wöhnliche Gewalt, die mich vom letzten Zimmer abhielt, ſo
trat ich de plain pied aus großen Glasfenſtern auf die Ter-
raſſe, die ſich bald in den Platz mit Bäumen ohne weitere
Gränze verlor; dort waren zwiſchen den alten Bäumen hin
und her helle Laternen auf großen Pfählen angezündet; ich
betrachtete müßig die erleuchteten Fenſter des Schloſſes, und
das prächtig beſchienene große Laub der Bäume: die Diener
liefen häufiger und mehr als ſonſt hin und wieder; ſie beach-
teten mich nicht, ich ſie nicht. Mit einemmale ſehe ich dicht
an einem großen Baumſtamm, halb auf ſeiner ſtarken Wur-
zel, mein Thier zuſammengekrümmt, mit verſtecktem Kopf, auf
dem Bauch ſchlafend liegen: es war ganz ſchwarz mit bor-
ſtigem Haar: Mein Thier! ſchrei ich, mein Thier iſt wieder
da; zu den Bedienten, die mit Geräthen in den Händen und
Servietten über den Schultern, in ihren Gängen bloß ge-
hemmt, aber nicht ganz nahe tretend, ſtehen bleiben. Es
ſchläft, ſag’ ich; und tippe es mit der Fußſpitze an, um es
ein wenig zu rütteln: in demſelben Augenblick ſchlägt es aber
über ſich um, fällt auseinander, und liegt platt da als Fell;
die rauche Seite auf der Erde, trocken und rein. „Es iſt ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/60>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.