leer; in dieser leeren halb sonnigen Feuchtigkeit spazirt Reh- mann -- mit Demidoff heute von Paris und Ems angelangt -- mit Montlezun Arm in Arm weiß behutet umher; näm- lich, über die kleine Brücke von der Stadt nach der Promenade wo die Buden sind; und bilden sich ein, sie suchen ein Logis, für Demidoff und Rehmann, denen bei unserm Nachbar eins gemiethet war: da aber seit vier Tagen, unsichtbar mit ihrem Gefolge -- von welchem nachher -- die schöne Mad. Narisch- kin dort schon wohnt, so war zu wenig Raum für die Spä- tergekommenen. Nur im Krieg sieht man in unserm Europa solche Gefolge von Wagen, Gepäcken, Pferden und Leuten, als die beiden sich ausweichenden Moskowiten-Parten hier, berg- auf, bergab, tramplen ließen. Den Baron-Hauswirth selbst hält ein großes Geschäft seit acht Tagen von hier entfernt. Er floh nach Stuttgart! Gewisse Dinge muß man je mehr und mehr im Flug ergreifen, weil nur sehr wenige Ereignisse sie noch zuwege bringen: dahin gehört unstreitbar, z. B. den Stuttgarter Hofstaat auf seidenen Beinen zu sehen: vulgo, in Gala; oder auf den Beinen. Die Hochzeitfeier des Palatinus schien unserm Vielbewegten eine einzige Gelegenheit, das Würtemberger Streben und Gelingen endlich mit dem Badener zu vergleichen: er hatte es nicht hehl; es ist seine Pflicht. Sie kennen sein Gewissen, seine -- was scheint Ihnen passender? seine eiserne, oder hölzerne? -- Thätigkeit, seine Titel, sein Amt, seine Emsigkeit! Seine Besitzthümer hatte er also frem- den Nationen überlassen: Franzosen und Russen: meint er, dies eben sei Politik? Einer würde den andern bewachen? Noch ist hier Mistreß Caulfield, eine Engländerin mit zwei
leer; in dieſer leeren halb ſonnigen Feuchtigkeit ſpazirt Reh- mann — mit Demidoff heute von Paris und Ems angelangt — mit Montlezun Arm in Arm weiß behutet umher; näm- lich, über die kleine Brücke von der Stadt nach der Promenade wo die Buden ſind; und bilden ſich ein, ſie ſuchen ein Logis, für Demidoff und Rehmann, denen bei unſerm Nachbar eins gemiethet war: da aber ſeit vier Tagen, unſichtbar mit ihrem Gefolge — von welchem nachher — die ſchöne Mad. Nariſch- kin dort ſchon wohnt, ſo war zu wenig Raum für die Spä- tergekommenen. Nur im Krieg ſieht man in unſerm Europa ſolche Gefolge von Wagen, Gepäcken, Pferden und Leuten, als die beiden ſich ausweichenden Moskowiten-Parten hier, berg- auf, bergab, tramplen ließen. Den Baron-Hauswirth ſelbſt hält ein großes Geſchäft ſeit acht Tagen von hier entfernt. Er floh nach Stuttgart! Gewiſſe Dinge muß man je mehr und mehr im Flug ergreifen, weil nur ſehr wenige Ereigniſſe ſie noch zuwege bringen: dahin gehört unſtreitbar, z. B. den Stuttgarter Hofſtaat auf ſeidenen Beinen zu ſehen: vulgo, in Gala; oder auf den Beinen. Die Hochzeitfeier des Palatinus ſchien unſerm Vielbewegten eine einzige Gelegenheit, das Würtemberger Streben und Gelingen endlich mit dem Badener zu vergleichen: er hatte es nicht hehl; es iſt ſeine Pflicht. Sie kennen ſein Gewiſſen, ſeine — was ſcheint Ihnen paſſender? ſeine eiſerne, oder hölzerne? — Thätigkeit, ſeine Titel, ſein Amt, ſeine Emſigkeit! Seine Beſitzthümer hatte er alſo frem- den Nationen überlaſſen: Franzoſen und Ruſſen: meint er, dies eben ſei Politik? Einer würde den andern bewachen? Noch iſt hier Miſtreß Caulfield, eine Engländerin mit zwei
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leer; in dieſer leeren halb ſonnigen Feuchtigkeit ſpazirt Reh-
mann — mit Demidoff heute von Paris und Ems angelangt
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lich, über die kleine Brücke von der Stadt nach der Promenade
wo die Buden ſind; und bilden ſich ein, ſie ſuchen ein Logis,
für Demidoff und Rehmann, denen bei unſerm Nachbar eins
gemiethet war: da aber ſeit vier Tagen, unſichtbar mit ihrem
Gefolge — von welchem nachher — die ſchöne Mad. Nariſch-
kin dort ſchon wohnt, ſo war zu wenig Raum für die Spä-
tergekommenen. Nur im Krieg ſieht man in unſerm Europa
ſolche Gefolge von Wagen, Gepäcken, Pferden und Leuten, als
die beiden ſich ausweichenden Moskowiten-Parten hier, berg-
auf, bergab, tramplen ließen. Den Baron-Hauswirth ſelbſt
hält ein großes Geſchäft ſeit acht Tagen von hier entfernt.
Er floh nach Stuttgart! Gewiſſe Dinge muß man je mehr
und mehr im Flug ergreifen, weil nur ſehr wenige Ereigniſſe
ſie noch zuwege bringen: dahin gehört unſtreitbar, z. B. den
Stuttgarter Hofſtaat auf ſeidenen Beinen zu ſehen: vulgo, in
Gala; oder auf den Beinen. Die Hochzeitfeier des Palatinus
ſchien unſerm Vielbewegten eine einzige Gelegenheit, das
Würtemberger Streben und Gelingen endlich mit dem Badener
zu vergleichen: er hatte es nicht hehl; es iſt ſeine Pflicht. Sie
kennen ſein Gewiſſen, ſeine — was ſcheint Ihnen paſſender?
ſeine eiſerne, oder hölzerne? — Thätigkeit, ſeine Titel, ſein
Amt, ſeine Emſigkeit! Seine Beſitzthümer hatte er alſo frem-
den Nationen überlaſſen: Franzoſen und Ruſſen: meint er,
dies eben ſei Politik? Einer würde den andern bewachen?
Noch iſt hier Miſtreß Caulfield, eine Engländerin mit zwei
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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