Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

funden, die mir meinen ganzen Vorrath von Gedanken und
Betrachtung in Bewegung brachten. In einer gelassenen Zeile,
einer halben, geben Sie oft unwidersprechlich an, wie es mit
den Welthändeln stand, stehen kann, und wie sie sich zur Na-
tur, und zur Menschennatur verhalten: mir ist dies nicht ent-
gangen. Und gefallen hat mir diese Art besonders -- die ich
nur, als die einzige, Geschichtliches zu verfassen, gestatte --
weil ich gar kein Raisonnement für dumme Leute mehr ertra-
gen kann; das heißt, ein langes, breites, weitläufiges; ich
habe zu irritirte Nerven dazu, und zu viel gedacht! Dabei
bin ich ganz gehörig ignorant, und erfahre nun von Ihnen
so viel faits, die mich ungemein unterhalten. Ich bin Ihnen
also sehr dankbar; und weiß meine Erkenntlichkeit nur dadurch
an den Tag zu legen, daß ich es sage.

Ich habe auch dieser Tage Hrn. Villers Buch über Uni-
versitäten an den König von Westphalen gelesen: welches
wirklich eine stärkende Bekanntschaft ist: trostreich. Das Buch
ist durchaus ehrlich, und also edel: es macht uns viel Ehre,
und wir -- Deutsche -- können Villers nicht genug anthun.
Einfach, unterrichtet, anspruchslos ist dies Buch; voller edlen
Muth, wenn man die Zeit, und die Attitüde der Kronen
in ihr bedenkt. Ein edler Europäer war Villers; was wir
Alle werden sollen! das wollen wir ihm nachschreien. -- Hal-
ten Sie Hrn. Thiers zum Deutschen an!!!

-- Nur noch dies Wort über Thiers! Ich vergaß Ihnen
noch zu schreiben, daß bestimmt ein Finanzminister in ihm
sitzt. Mir bürgt sein Artikel Marseille dafür. Er sieht die
reinen faits: oder vielmehr sucht die nur: keine Parthei und

funden, die mir meinen ganzen Vorrath von Gedanken und
Betrachtung in Bewegung brachten. In einer gelaſſenen Zeile,
einer halben, geben Sie oft unwiderſprechlich an, wie es mit
den Welthändeln ſtand, ſtehen kann, und wie ſie ſich zur Na-
tur, und zur Menſchennatur verhalten: mir iſt dies nicht ent-
gangen. Und gefallen hat mir dieſe Art beſonders — die ich
nur, als die einzige, Geſchichtliches zu verfaſſen, geſtatte —
weil ich gar kein Raiſonnement für dumme Leute mehr ertra-
gen kann; das heißt, ein langes, breites, weitläufiges; ich
habe zu irritirte Nerven dazu, und zu viel gedacht! Dabei
bin ich ganz gehörig ignorant, und erfahre nun von Ihnen
ſo viel faits, die mich ungemein unterhalten. Ich bin Ihnen
alſo ſehr dankbar; und weiß meine Erkenntlichkeit nur dadurch
an den Tag zu legen, daß ich es ſage.

Ich habe auch dieſer Tage Hrn. Villers Buch über Uni-
verſitäten an den König von Weſtphalen geleſen: welches
wirklich eine ſtärkende Bekanntſchaft iſt: troſtreich. Das Buch
iſt durchaus ehrlich, und alſo edel: es macht uns viel Ehre,
und wir — Deutſche — können Villers nicht genug anthun.
Einfach, unterrichtet, anſpruchslos iſt dies Buch; voller edlen
Muth, wenn man die Zeit, und die Attitüde der Kronen
in ihr bedenkt. Ein edler Europäer war Villers; was wir
Alle werden ſollen! das wollen wir ihm nachſchreien. — Hal-
ten Sie Hrn. Thiers zum Deutſchen an!!!

— Nur noch dies Wort über Thiers! Ich vergaß Ihnen
noch zu ſchreiben, daß beſtimmt ein Finanzminiſter in ihm
ſitzt. Mir bürgt ſein Artikel Marſeille dafür. Er ſieht die
reinen faits: oder vielmehr ſucht die nur: keine Parthei und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0112" n="104"/>
funden, die mir meinen ganzen Vorrath von Gedanken und<lb/>
Betrachtung in Bewegung brachten. In einer gela&#x017F;&#x017F;enen Zeile,<lb/>
einer halben, geben Sie oft unwider&#x017F;prechlich an, wie es mit<lb/>
den Welthändeln &#x017F;tand, &#x017F;tehen kann, und wie &#x017F;ie &#x017F;ich zur Na-<lb/>
tur, und zur Men&#x017F;chennatur verhalten: mir i&#x017F;t dies nicht ent-<lb/>
gangen. Und gefallen hat mir die&#x017F;e Art be&#x017F;onders &#x2014; die ich<lb/>
nur, als die einzige, Ge&#x017F;chichtliches zu verfa&#x017F;&#x017F;en, ge&#x017F;tatte &#x2014;<lb/>
weil ich gar kein Rai&#x017F;onnement für dumme Leute mehr ertra-<lb/>
gen kann; das heißt, ein langes, breites, weitläufiges; ich<lb/>
habe zu irritirte Nerven dazu, und zu viel gedacht! Dabei<lb/>
bin ich ganz gehörig ignorant, und erfahre nun von Ihnen<lb/>
&#x017F;o viel <hi rendition="#aq">faits,</hi> die mich ungemein unterhalten. Ich bin Ihnen<lb/>
al&#x017F;o &#x017F;ehr dankbar; und weiß meine Erkenntlichkeit nur dadurch<lb/>
an den Tag zu legen, daß ich es &#x017F;age.</p><lb/>
          <p>Ich habe auch die&#x017F;er Tage Hrn. Villers Buch über Uni-<lb/>
ver&#x017F;itäten an den König von We&#x017F;tphalen gele&#x017F;en: welches<lb/>
wirklich eine &#x017F;tärkende Bekannt&#x017F;chaft i&#x017F;t: tro&#x017F;treich. Das Buch<lb/>
i&#x017F;t durchaus ehrlich, und al&#x017F;o edel: es macht uns viel Ehre,<lb/>
und wir &#x2014; Deut&#x017F;che &#x2014; können Villers nicht genug anthun.<lb/>
Einfach, unterrichtet, an&#x017F;pruchslos i&#x017F;t dies Buch; voller edlen<lb/>
Muth, wenn man die Zeit, und die Attitüde der <hi rendition="#g">Kronen</hi><lb/>
in ihr bedenkt. Ein edler Europäer war Villers; was wir<lb/>
Alle werden &#x017F;ollen! das wollen wir ihm nach&#x017F;chreien. &#x2014; Hal-<lb/>
ten Sie Hrn. Thiers zum Deut&#x017F;chen an!!!</p><lb/>
          <p>&#x2014; Nur noch dies Wort über Thiers! Ich vergaß Ihnen<lb/>
noch zu &#x017F;chreiben, daß be&#x017F;timmt ein Finanzmini&#x017F;ter in ihm<lb/>
&#x017F;itzt. Mir bürgt &#x017F;ein Artikel Mar&#x017F;eille dafür. Er &#x017F;ieht die<lb/>
reinen <hi rendition="#aq">faits:</hi> oder vielmehr &#x017F;ucht die nur: keine Parthei und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0112] funden, die mir meinen ganzen Vorrath von Gedanken und Betrachtung in Bewegung brachten. In einer gelaſſenen Zeile, einer halben, geben Sie oft unwiderſprechlich an, wie es mit den Welthändeln ſtand, ſtehen kann, und wie ſie ſich zur Na- tur, und zur Menſchennatur verhalten: mir iſt dies nicht ent- gangen. Und gefallen hat mir dieſe Art beſonders — die ich nur, als die einzige, Geſchichtliches zu verfaſſen, geſtatte — weil ich gar kein Raiſonnement für dumme Leute mehr ertra- gen kann; das heißt, ein langes, breites, weitläufiges; ich habe zu irritirte Nerven dazu, und zu viel gedacht! Dabei bin ich ganz gehörig ignorant, und erfahre nun von Ihnen ſo viel faits, die mich ungemein unterhalten. Ich bin Ihnen alſo ſehr dankbar; und weiß meine Erkenntlichkeit nur dadurch an den Tag zu legen, daß ich es ſage. Ich habe auch dieſer Tage Hrn. Villers Buch über Uni- verſitäten an den König von Weſtphalen geleſen: welches wirklich eine ſtärkende Bekanntſchaft iſt: troſtreich. Das Buch iſt durchaus ehrlich, und alſo edel: es macht uns viel Ehre, und wir — Deutſche — können Villers nicht genug anthun. Einfach, unterrichtet, anſpruchslos iſt dies Buch; voller edlen Muth, wenn man die Zeit, und die Attitüde der Kronen in ihr bedenkt. Ein edler Europäer war Villers; was wir Alle werden ſollen! das wollen wir ihm nachſchreien. — Hal- ten Sie Hrn. Thiers zum Deutſchen an!!! — Nur noch dies Wort über Thiers! Ich vergaß Ihnen noch zu ſchreiben, daß beſtimmt ein Finanzminiſter in ihm ſitzt. Mir bürgt ſein Artikel Marſeille dafür. Er ſieht die reinen faits: oder vielmehr ſucht die nur: keine Parthei und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/112
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/112>, abgerufen am 27.11.2024.