pital. Das Stück "lebendiges Wissen" ist unser Unterpfand. -- Das Ich muß immer vollständiger werden. Daß alle Ver- gleiche hinken -- wie man's nennt -- ist auch voller Bedeu- tung, und voll von Gründen; einer davon ist, daß das zu Vergleichende auch hinkt. Das "Kapital" und der zu erstei- gende "Berg," so schön gefunden sie sind, stellen ein Gebre- chen dar. Es gebricht uns ein großes Hauptstück. --
"Die ganze Repräsentation beruht auf einem Gegenwär- tigmachen des Nichtgegenwärtigen und so fort. (Wunderkraft der Fiktion.) (Glauben und Liebe beruht auf repräsen- tativen Glauben.) So die Annahme: der ewige Friede ist schon da, Gott ist unter uns, hier ist Amerika oder nirgend," u. s. w. (S. 401.) Glauben und Liebe sind durchaus nicht willkürlich, wir können nur Bilder fixiren, und auch das Bild eines Zustandes, aber nicht die Gründe zu einem intellektuellen Zustand. Ich verstehe Novalis hier wohl nicht: ich werde fragen. --
"Sittlichkeit und Philosophie sind Künste. Erstere ist die Kunst, unter den Motiven zu Handlungen einer sittlichen Idee, einer Kunstidee a priori, gemäß zu wählen" u. s. w. (S. 406.) Sittlichkeit ist ein Zustand, aus dem heraus wir ein Motiv zu Handlungen wählen; dieser Zustand entsteht, wenn wir in Beziehung mit der Idee von Sittlichkeit sind; und allemal diese Beziehung herausfinden zu können, das allein kann eine Kunst genannt werden. Philosophie, Phi- losophiren: den Gebrauch unseres Verstandes bis zu unse- rer Vernunft zu führen; bis zum Unwiderleglichen, Absoluten, Vorgefundenen; und wieder eine Kunst ist es, den Weg dazu
pital. Das Stück „lebendiges Wiſſen“ iſt unſer Unterpfand. — Das Ich muß immer vollſtändiger werden. Daß alle Ver- gleiche hinken — wie man’s nennt — iſt auch voller Bedeu- tung, und voll von Gründen; einer davon iſt, daß das zu Vergleichende auch hinkt. Das „Kapital“ und der zu erſtei- gende „Berg,“ ſo ſchön gefunden ſie ſind, ſtellen ein Gebre- chen dar. Es gebricht uns ein großes Hauptſtück. —
„Die ganze Repräſentation beruht auf einem Gegenwär- tigmachen des Nichtgegenwärtigen und ſo fort. (Wunderkraft der Fiktion.) (Glauben und Liebe beruht auf repräſen- tativen Glauben.) So die Annahme: der ewige Friede iſt ſchon da, Gott iſt unter uns, hier iſt Amerika oder nirgend,“ u. ſ. w. (S. 401.) Glauben und Liebe ſind durchaus nicht willkürlich, wir können nur Bilder fixiren, und auch das Bild eines Zuſtandes, aber nicht die Gründe zu einem intellektuellen Zuſtand. Ich verſtehe Novalis hier wohl nicht: ich werde fragen. —
„Sittlichkeit und Philoſophie ſind Künſte. Erſtere iſt die Kunſt, unter den Motiven zu Handlungen einer ſittlichen Idee, einer Kunſtidee a priori, gemäß zu wählen“ u. ſ. w. (S. 406.) Sittlichkeit iſt ein Zuſtand, aus dem heraus wir ein Motiv zu Handlungen wählen; dieſer Zuſtand entſteht, wenn wir in Beziehung mit der Idee von Sittlichkeit ſind; und allemal dieſe Beziehung herausfinden zu können, das allein kann eine Kunſt genannt werden. Philoſophie, Phi- loſophiren: den Gebrauch unſeres Verſtandes bis zu unſe- rer Vernunft zu führen; bis zum Unwiderleglichen, Abſoluten, Vorgefundenen; und wieder eine Kunſt iſt es, den Weg dazu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0151"n="143"/>
pital. Das Stück „lebendiges Wiſſen“ iſt unſer Unterpfand. —<lb/>
Das Ich muß immer vollſtändiger werden. Daß alle Ver-<lb/>
gleiche hinken — wie man’s nennt — iſt auch voller Bedeu-<lb/>
tung, und voll von Gründen; einer davon iſt, daß das zu<lb/>
Vergleichende auch hinkt. Das „Kapital“ und der zu erſtei-<lb/>
gende „Berg,“ſo ſchön gefunden ſie ſind, ſtellen ein Gebre-<lb/>
chen dar. Es gebricht uns ein großes Hauptſtück. —</p><lb/><p>„Die ganze Repräſentation beruht auf einem Gegenwär-<lb/>
tigmachen des Nichtgegenwärtigen und ſo fort. (Wunderkraft<lb/>
der Fiktion.) (<hirendition="#g">Glauben und Liebe</hi> beruht auf repräſen-<lb/>
tativen Glauben.) So die Annahme: der ewige Friede iſt<lb/>ſchon da, Gott iſt unter uns, hier iſt Amerika oder nirgend,“<lb/>
u. ſ. w. (S. 401.) Glauben und Liebe ſind durchaus nicht<lb/>
willkürlich, wir können nur Bilder fixiren, und auch das Bild<lb/>
eines Zuſtandes, aber nicht die Gründe zu einem intellektuellen<lb/>
Zuſtand. Ich verſtehe Novalis hier wohl nicht: ich werde<lb/>
fragen. —</p><lb/><p>„Sittlichkeit und Philoſophie ſind Künſte. Erſtere iſt die<lb/>
Kunſt, unter den Motiven zu Handlungen einer ſittlichen<lb/>
Idee, einer Kunſtidee <hirendition="#aq">a priori,</hi> gemäß zu wählen“ u. ſ. w.<lb/>
(S. 406.) Sittlichkeit iſt ein Zuſtand, aus dem heraus wir<lb/>
ein Motiv zu Handlungen wählen; dieſer Zuſtand entſteht,<lb/>
wenn wir in Beziehung mit der Idee von Sittlichkeit ſind;<lb/>
und allemal dieſe Beziehung herausfinden zu können, das<lb/>
allein kann eine Kunſt genannt werden. Philoſophie, Phi-<lb/>
loſophiren: den Gebrauch unſeres Verſtandes bis zu unſe-<lb/>
rer Vernunft zu führen; bis zum Unwiderleglichen, Abſoluten,<lb/>
Vorgefundenen; und wieder eine Kunſt iſt es, den Weg dazu<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[143/0151]
pital. Das Stück „lebendiges Wiſſen“ iſt unſer Unterpfand. —
Das Ich muß immer vollſtändiger werden. Daß alle Ver-
gleiche hinken — wie man’s nennt — iſt auch voller Bedeu-
tung, und voll von Gründen; einer davon iſt, daß das zu
Vergleichende auch hinkt. Das „Kapital“ und der zu erſtei-
gende „Berg,“ ſo ſchön gefunden ſie ſind, ſtellen ein Gebre-
chen dar. Es gebricht uns ein großes Hauptſtück. —
„Die ganze Repräſentation beruht auf einem Gegenwär-
tigmachen des Nichtgegenwärtigen und ſo fort. (Wunderkraft
der Fiktion.) (Glauben und Liebe beruht auf repräſen-
tativen Glauben.) So die Annahme: der ewige Friede iſt
ſchon da, Gott iſt unter uns, hier iſt Amerika oder nirgend,“
u. ſ. w. (S. 401.) Glauben und Liebe ſind durchaus nicht
willkürlich, wir können nur Bilder fixiren, und auch das Bild
eines Zuſtandes, aber nicht die Gründe zu einem intellektuellen
Zuſtand. Ich verſtehe Novalis hier wohl nicht: ich werde
fragen. —
„Sittlichkeit und Philoſophie ſind Künſte. Erſtere iſt die
Kunſt, unter den Motiven zu Handlungen einer ſittlichen
Idee, einer Kunſtidee a priori, gemäß zu wählen“ u. ſ. w.
(S. 406.) Sittlichkeit iſt ein Zuſtand, aus dem heraus wir
ein Motiv zu Handlungen wählen; dieſer Zuſtand entſteht,
wenn wir in Beziehung mit der Idee von Sittlichkeit ſind;
und allemal dieſe Beziehung herausfinden zu können, das
allein kann eine Kunſt genannt werden. Philoſophie, Phi-
loſophiren: den Gebrauch unſeres Verſtandes bis zu unſe-
rer Vernunft zu führen; bis zum Unwiderleglichen, Abſoluten,
Vorgefundenen; und wieder eine Kunſt iſt es, den Weg dazu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/151>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.