Nur an Weiterleben trotz ihm ist zu erinnren. Leben Sie gleich weiter mit Ihren Kindern und Ihren Blumen und Ihrem großen Freund. Das ist Ihnen Assing: und auch mir war er Trost, daß Mama ihn zum Freund und Arzt hatte. Leben Sie! das ist Mama'ens bestes Mausoleum und Anden- ken: und ihr bester Wunsch! Und Ihrer, für Ihre Kinder. Mein armer, tief betrübter, mehr als glaublich zerrissener August ist bei dem wohlthuendsten Sommerwetter, nach Regen, in's Freie gegangen: ich konnte aus Anstrengung nicht mit: ich werde ihn und mich gesund erhalten. Thut das auch, liebe Kinder! Ach! wie leid, wie weh thut einem jedes, was man einem Gestorbenen nicht anthat!! Wir wollen uns alles zu Gefallen thun, alles verzeihen, so lange wir leben; und nicht allein gut, sondern auch mit Anstrengung noch besser sein! Heute mußt' ich einen Gang ausgehen; und da hab' ich auf der Straße alle alte Frauen beschenkt, die mir begegneten: in Mama's Namen; und ich will es ferner thun. Das wird Sie freuen, liebe Rosa; auch darum schreib' ich es Ihnen. Ich habe Varnhagens Brief noch nicht gelesen; nun will ich's thun, er sieht diesen meinen nicht mehr: er geht zur Post, ehe er zurück ist. Ach! ich hoffe gar nicht mehr, daß Mama lebt! Gott segne sie; und euch! Wir wollen immer besser werden: sei dieses Unglück diese gute Veranlassung! Nicht wahr, liebe Schwester? Adieu. Ich weiß nichts Besseres. Ihre treue
Fr. V.
Ach! wie traurig ist meines Augusts Brief: so ist er. Liebe Freundin Rosa, gehn Sie, fahren Sie nur gleich in's Freie. Ich lief auch auf's Feld, wie meine Mutter todt war,
Nur an Weiterleben trotz ihm iſt zu erinnren. Leben Sie gleich weiter mit Ihren Kindern und Ihren Blumen und Ihrem großen Freund. Das iſt Ihnen Aſſing: und auch mir war er Troſt, daß Mama ihn zum Freund und Arzt hatte. Leben Sie! das iſt Mama’ens beſtes Mauſoleum und Anden- ken: und ihr beſter Wunſch! Und Ihrer, für Ihre Kinder. Mein armer, tief betrübter, mehr als glaublich zerriſſener Auguſt iſt bei dem wohlthuendſten Sommerwetter, nach Regen, in’s Freie gegangen: ich konnte aus Anſtrengung nicht mit: ich werde ihn und mich geſund erhalten. Thut das auch, liebe Kinder! Ach! wie leid, wie weh thut einem jedes, was man einem Geſtorbenen nicht anthat!! Wir wollen uns alles zu Gefallen thun, alles verzeihen, ſo lange wir leben; und nicht allein gut, ſondern auch mit Anſtrengung noch beſſer ſein! Heute mußt’ ich einen Gang ausgehen; und da hab’ ich auf der Straße alle alte Frauen beſchenkt, die mir begegneten: in Mama’s Namen; und ich will es ferner thun. Das wird Sie freuen, liebe Roſa; auch darum ſchreib’ ich es Ihnen. Ich habe Varnhagens Brief noch nicht geleſen; nun will ich’s thun, er ſieht dieſen meinen nicht mehr: er geht zur Poſt, ehe er zurück iſt. Ach! ich hoffe gar nicht mehr, daß Mama lebt! Gott ſegne ſie; und euch! Wir wollen immer beſſer werden: ſei dieſes Unglück dieſe gute Veranlaſſung! Nicht wahr, liebe Schweſter? Adieu. Ich weiß nichts Beſſeres. Ihre treue
Fr. V.
Ach! wie traurig iſt meines Auguſts Brief: ſo iſt er. Liebe Freundin Roſa, gehn Sie, fahren Sie nur gleich in’s Freie. Ich lief auch auf’s Feld, wie meine Mutter todt war,
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Nur an Weiterleben trotz ihm iſt zu erinnren. Leben Sie
gleich weiter mit Ihren Kindern und Ihren Blumen und
Ihrem großen Freund. Das iſt Ihnen Aſſing: und auch mir
war er Troſt, daß Mama ihn zum Freund und Arzt hatte.
Leben Sie! das iſt Mama’ens beſtes Mauſoleum und Anden-
ken: und ihr beſter Wunſch! Und Ihrer, für Ihre Kinder.
Mein armer, tief betrübter, mehr als glaublich zerriſſener
Auguſt iſt bei dem wohlthuendſten Sommerwetter, nach Regen,
in’s Freie gegangen: ich konnte aus Anſtrengung nicht mit:
ich werde ihn und mich geſund erhalten. Thut das auch, liebe
Kinder! Ach! wie leid, wie weh thut einem jedes, was man
einem Geſtorbenen nicht anthat!! Wir wollen uns alles zu
Gefallen thun, alles verzeihen, ſo lange wir leben; und nicht
allein gut, ſondern auch mit Anſtrengung noch beſſer ſein!
Heute mußt’ ich einen Gang ausgehen; und da hab’ ich auf
der Straße alle alte Frauen beſchenkt, die mir begegneten:
in Mama’s Namen; und ich will es ferner thun. Das wird
Sie freuen, liebe Roſa; auch darum ſchreib’ ich es Ihnen.
Ich habe Varnhagens Brief noch nicht geleſen; nun will ich’s
thun, er ſieht dieſen meinen nicht mehr: er geht zur Poſt, ehe
er zurück iſt. Ach! ich hoffe gar nicht mehr, daß Mama lebt!
Gott ſegne ſie; und euch! Wir wollen immer beſſer werden:
ſei dieſes Unglück dieſe gute Veranlaſſung! Nicht wahr,
liebe Schweſter? Adieu. Ich weiß nichts Beſſeres. Ihre
treue
Fr. V.
Ach! wie traurig iſt meines Auguſts Brief: ſo iſt er.
Liebe Freundin Roſa, gehn Sie, fahren Sie nur gleich in’s
Freie. Ich lief auch auf’s Feld, wie meine Mutter todt war,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/255>, abgerufen am 22.11.2024.
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