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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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nummer gesucht wurde, aber ausgezogen war, in ihrem neuen
Quartier gefunden ward; aber, als sie den Brief erbrochen
hatte, erklärte, sie sei die Person nicht, an die der Brief und
das Geld gerichtet wäre; der Brief war nun offen; die rechte
Person noch vergeblich gesucht; und darauf schickte der Herr
Postmeister den Boten zu mir, ob ich keine Auskunft wüßte.
Ich wußte keine, als das Versprechen, Ihnen um welche zu
schreiben; und die Bitte, er möchte Brief und Geld bis zu
Ihrer Antwort verwahren. Haben Sie nun die Gnade, mir
schleunigst ein ostensibles Wort zu antworten. Ich will --
und wo soll ich -- die Person suchen lassen? Können Sie
mir das Gewerb ihres Mannes nennen? Soll ich das Geld in
Empfang nehmen? Ich bitte um schnelle Antwort.

Die ganze Urbanität Ihres Briefes bestand in der abso-
luten Gleichstellung dieser Person mit Ihren vornehmsten
Freunden: in dem Auseinandersetzen, weßhalb Sie nicht mehr
für sie thun könnten; in der Empfehlung an Ihre beste Freun-
din; in dem Trost auf das Höchste -- beinah ohne Worte --
angewiesen: auf die Hoffnung, sie zu sehn und zu sprechen;
in dem ganzen Ton und Art: und daß Sie für eine Unterge-
ordnete in Bildung, und leider auch in Anspruch, keine andre
Sprache besitzen, als für Ihre höchsten Freunde, und Ihre
höchsten Stimmungen.

Sie sind auch recht geliebt, liebe Adelheid. Von Allen,
die Ächtes und Herzlebendes zu sehn vermögen. Und vermö-
gen nicht Viele viel von solchem zu sehn, so vermag doch je-
der einiges wahrzunehmen; und so müssen sich Alle, die Ihnen
nur näher waren, nach und nach günstig und anerkennend

nummer geſucht wurde, aber ausgezogen war, in ihrem neuen
Quartier gefunden ward; aber, als ſie den Brief erbrochen
hatte, erklärte, ſie ſei die Perſon nicht, an die der Brief und
das Geld gerichtet wäre; der Brief war nun offen; die rechte
Perſon noch vergeblich geſucht; und darauf ſchickte der Herr
Poſtmeiſter den Boten zu mir, ob ich keine Auskunft wüßte.
Ich wußte keine, als das Verſprechen, Ihnen um welche zu
ſchreiben; und die Bitte, er möchte Brief und Geld bis zu
Ihrer Antwort verwahren. Haben Sie nun die Gnade, mir
ſchleunigſt ein oſtenſibles Wort zu antworten. Ich will —
und wo ſoll ich — die Perſon ſuchen laſſen? Können Sie
mir das Gewerb ihres Mannes nennen? Soll ich das Geld in
Empfang nehmen? Ich bitte um ſchnelle Antwort.

Die ganze Urbanität Ihres Briefes beſtand in der abſo-
luten Gleichſtellung dieſer Perſon mit Ihren vornehmſten
Freunden: in dem Auseinanderſetzen, weßhalb Sie nicht mehr
für ſie thun könnten; in der Empfehlung an Ihre beſte Freun-
din; in dem Troſt auf das Höchſte — beinah ohne Worte —
angewieſen: auf die Hoffnung, ſie zu ſehn und zu ſprechen;
in dem ganzen Ton und Art: und daß Sie für eine Unterge-
ordnete in Bildung, und leider auch in Anſpruch, keine andre
Sprache beſitzen, als für Ihre höchſten Freunde, und Ihre
höchſten Stimmungen.

Sie ſind auch recht geliebt, liebe Adelheid. Von Allen,
die Ächtes und Herzlebendes zu ſehn vermögen. Und vermö-
gen nicht Viele viel von ſolchem zu ſehn, ſo vermag doch je-
der einiges wahrzunehmen; und ſo müſſen ſich Alle, die Ihnen
nur näher waren, nach und nach günſtig und anerkennend

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[343/0351] nummer geſucht wurde, aber ausgezogen war, in ihrem neuen Quartier gefunden ward; aber, als ſie den Brief erbrochen hatte, erklärte, ſie ſei die Perſon nicht, an die der Brief und das Geld gerichtet wäre; der Brief war nun offen; die rechte Perſon noch vergeblich geſucht; und darauf ſchickte der Herr Poſtmeiſter den Boten zu mir, ob ich keine Auskunft wüßte. Ich wußte keine, als das Verſprechen, Ihnen um welche zu ſchreiben; und die Bitte, er möchte Brief und Geld bis zu Ihrer Antwort verwahren. Haben Sie nun die Gnade, mir ſchleunigſt ein oſtenſibles Wort zu antworten. Ich will — und wo ſoll ich — die Perſon ſuchen laſſen? Können Sie mir das Gewerb ihres Mannes nennen? Soll ich das Geld in Empfang nehmen? Ich bitte um ſchnelle Antwort. Die ganze Urbanität Ihres Briefes beſtand in der abſo- luten Gleichſtellung dieſer Perſon mit Ihren vornehmſten Freunden: in dem Auseinanderſetzen, weßhalb Sie nicht mehr für ſie thun könnten; in der Empfehlung an Ihre beſte Freun- din; in dem Troſt auf das Höchſte — beinah ohne Worte — angewieſen: auf die Hoffnung, ſie zu ſehn und zu ſprechen; in dem ganzen Ton und Art: und daß Sie für eine Unterge- ordnete in Bildung, und leider auch in Anſpruch, keine andre Sprache beſitzen, als für Ihre höchſten Freunde, und Ihre höchſten Stimmungen. Sie ſind auch recht geliebt, liebe Adelheid. Von Allen, die Ächtes und Herzlebendes zu ſehn vermögen. Und vermö- gen nicht Viele viel von ſolchem zu ſehn, ſo vermag doch je- der einiges wahrzunehmen; und ſo müſſen ſich Alle, die Ihnen nur näher waren, nach und nach günſtig und anerkennend

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/351>, abgerufen am 22.11.2024.