Antheil, die große Anerkennung des lieben Vaters, ist für den hiesigen Verlust und Schmerz doch ein großer Balsam. Reich- licher wurde er wohl nie gespendet! Wenn wir uns in den Schmerz des trennenden Todes versenken wollen, betrachten wir lieber das ewige große Wunder des Lebens, welches beides Eins ausmacht; und uns zur tiefsten Unterwürfig- keit leitet, und auf die größte Liebe anweist! Jedes Wort, was ich Ihnen sage, ist zu viel! Auch will ich Ihnen auch nur mein Gemüth bei diesem großen Schmerzensereig- niß zeigen.
Die halbe Stadt hat Ihnen ihre Dienste angeboten; ich weiß es. Aber doch könnte es so kommen, daß Sie grade in einem Falle uns brauchten; vergessen Sie nicht, mit welcher Ergebenheit wir Ihnen gern dienten!
Gehn Sie schon aus? Ich halte in Noth und Schmerz bei mir immer mit Erfolg darauf, andre Wände zu sehn. Gerne empfange ich Sie bei mir: so still Sie wollen, mit wem Sie mögen. Andre Menschen bleiben lieber gerne zu Hause; ich weiß es. Sie lassen mich gelegentlich wissen, ob, und wann ich Sie sehn darf. Grüßen Sie gnädigst Ihre Frau Mutter, und Fräulein Schwester, denen ich hier Allen mit ge- schrieben. Zweiflen Sie nie an meiner überzeugungsvollen Er- gebenheit.
Fr. Varnhagen.
Haben Sie vom lieben Bruder schon Nachricht? Der Arme; dem es ein Brief lehren mußte!
Antheil, die große Anerkennung des lieben Vaters, iſt für den hieſigen Verluſt und Schmerz doch ein großer Balſam. Reich- licher wurde er wohl nie geſpendet! Wenn wir uns in den Schmerz des trennenden Todes verſenken wollen, betrachten wir lieber das ewige große Wunder des Lebens, welches beides Eins ausmacht; und uns zur tiefſten Unterwürfig- keit leitet, und auf die größte Liebe anweiſt! Jedes Wort, was ich Ihnen ſage, iſt zu viel! Auch will ich Ihnen auch nur mein Gemüth bei dieſem großen Schmerzensereig- niß zeigen.
Die halbe Stadt hat Ihnen ihre Dienſte angeboten; ich weiß es. Aber doch könnte es ſo kommen, daß Sie grade in einem Falle uns brauchten; vergeſſen Sie nicht, mit welcher Ergebenheit wir Ihnen gern dienten!
Gehn Sie ſchon aus? Ich halte in Noth und Schmerz bei mir immer mit Erfolg darauf, andre Wände zu ſehn. Gerne empfange ich Sie bei mir: ſo ſtill Sie wollen, mit wem Sie mögen. Andre Menſchen bleiben lieber gerne zu Hauſe; ich weiß es. Sie laſſen mich gelegentlich wiſſen, ob, und wann ich Sie ſehn darf. Grüßen Sie gnädigſt Ihre Frau Mutter, und Fräulein Schweſter, denen ich hier Allen mit ge- ſchrieben. Zweiflen Sie nie an meiner überzeugungsvollen Er- gebenheit.
Fr. Varnhagen.
Haben Sie vom lieben Bruder ſchon Nachricht? Der Arme; dem es ein Brief lehren mußte!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0498"n="490"/>
Antheil, die große Anerkennung des lieben Vaters, iſt für den<lb/>
hieſigen Verluſt und Schmerz doch ein großer Balſam. Reich-<lb/>
licher wurde er wohl nie geſpendet! Wenn wir uns in den<lb/>
Schmerz des trennenden Todes verſenken wollen, betrachten<lb/>
wir lieber das ewige große Wunder des Lebens, welches<lb/>
beides Eins ausmacht; und uns zur tiefſten Unterwürfig-<lb/>
keit leitet, und auf die <hirendition="#g">größte Liebe</hi> anweiſt! Jedes<lb/>
Wort, was ich Ihnen ſage, iſt zu viel! Auch will ich Ihnen<lb/>
auch nur <hirendition="#g">mein</hi> Gemüth bei dieſem großen Schmerzensereig-<lb/>
niß zeigen.</p><lb/><p>Die halbe Stadt hat Ihnen ihre Dienſte angeboten; ich<lb/>
weiß es. Aber doch könnte es ſo kommen, daß Sie grade in<lb/>
einem Falle uns brauchten; vergeſſen Sie nicht, mit welcher<lb/>
Ergebenheit wir Ihnen gern dienten!</p><lb/><p><hirendition="#g">Gehn</hi> Sie ſchon aus? Ich halte in Noth und Schmerz<lb/>
bei mir immer mit Erfolg darauf, andre Wände zu ſehn.<lb/>
Gerne empfange ich Sie bei mir: ſo ſtill Sie wollen, mit wem<lb/>
Sie mögen. Andre Menſchen bleiben lieber gerne zu Hauſe;<lb/>
ich weiß es. Sie laſſen mich <hirendition="#g">gelegentlich</hi> wiſſen, ob, und<lb/>
wann ich Sie ſehn darf. Grüßen Sie gnädigſt Ihre Frau<lb/>
Mutter, und Fräulein Schweſter, denen ich hier Allen mit ge-<lb/>ſchrieben. Zweiflen Sie nie an meiner überzeugungsvollen Er-<lb/>
gebenheit.</p><closer><salute><hirendition="#et">Fr. Varnhagen.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>Haben Sie vom lieben Bruder ſchon Nachricht? Der<lb/>
Arme; dem es ein Brief lehren mußte!</p></postscript></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[490/0498]
Antheil, die große Anerkennung des lieben Vaters, iſt für den
hieſigen Verluſt und Schmerz doch ein großer Balſam. Reich-
licher wurde er wohl nie geſpendet! Wenn wir uns in den
Schmerz des trennenden Todes verſenken wollen, betrachten
wir lieber das ewige große Wunder des Lebens, welches
beides Eins ausmacht; und uns zur tiefſten Unterwürfig-
keit leitet, und auf die größte Liebe anweiſt! Jedes
Wort, was ich Ihnen ſage, iſt zu viel! Auch will ich Ihnen
auch nur mein Gemüth bei dieſem großen Schmerzensereig-
niß zeigen.
Die halbe Stadt hat Ihnen ihre Dienſte angeboten; ich
weiß es. Aber doch könnte es ſo kommen, daß Sie grade in
einem Falle uns brauchten; vergeſſen Sie nicht, mit welcher
Ergebenheit wir Ihnen gern dienten!
Gehn Sie ſchon aus? Ich halte in Noth und Schmerz
bei mir immer mit Erfolg darauf, andre Wände zu ſehn.
Gerne empfange ich Sie bei mir: ſo ſtill Sie wollen, mit wem
Sie mögen. Andre Menſchen bleiben lieber gerne zu Hauſe;
ich weiß es. Sie laſſen mich gelegentlich wiſſen, ob, und
wann ich Sie ſehn darf. Grüßen Sie gnädigſt Ihre Frau
Mutter, und Fräulein Schweſter, denen ich hier Allen mit ge-
ſchrieben. Zweiflen Sie nie an meiner überzeugungsvollen Er-
gebenheit.
Fr. Varnhagen.
Haben Sie vom lieben Bruder ſchon Nachricht? Der
Arme; dem es ein Brief lehren mußte!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/498>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.