aufgebracht: nicht wegen changement de casaque; aber wegen ihrer schlechten Gründe. Gentz müssen diese Herren studiren, der hat vor drei Posttagen ein Meisterwerk! in die Allge- meine Zeitung einrücken lassen: Sie sollen es hier lesen, bei mir. Auch ich, liebe Freundin, viel älter als Sie, möchte für den Rest Lebens Ruhe: aber meine Einsicht zeigt mir das Ge- gentheil; jedoch nicht allein es kann, es wird sich über un- ser Leben hinaus hinziehn. Eins ist gewiß. Erobren will Europa nicht mehr Stücke Erde; aber ernster! Stücke Gleich- heit: Freiheit ist nur Ausrede, und Mißverstand. Die Rede ist vom Rechte, und nicht mehr vom Herkommen: ganz ein- fach. Mais nous deux nous voulons causer, et vivre douce- ment; et moi je voudrais savoir si vous voulez le bas com- mence? mille belles choses au prince de la journee, et a son aimable fille, et a vous, aimable Marie! A demain donc!
F. V.
Freitag, den 4. November 1831.
Das Herz -- der Wille -- begreift keine Zukunft: der Geist -- das Urtheil -- hebt sie auf, macht sie zur Gegen- wart. Nur er ist frei, selbstthätig, auf Unbekanntes gerichtet; jenes gebunden an ein fest schon Gegebenes.
aufgebracht: nicht wegen changement de casaque; aber wegen ihrer ſchlechten Gründe. Gentz müſſen dieſe Herren ſtudiren, der hat vor drei Poſttagen ein Meiſterwerk! in die Allge- meine Zeitung einrücken laſſen: Sie ſollen es hier leſen, bei mir. Auch ich, liebe Freundin, viel älter als Sie, möchte für den Reſt Lebens Ruhe: aber meine Einſicht zeigt mir das Ge- gentheil; jedoch nicht allein es kann, es wird ſich über un- ſer Leben hinaus hinziehn. Eins iſt gewiß. Erobren will Europa nicht mehr Stücke Erde; aber ernſter! Stücke Gleich- heit: Freiheit iſt nur Ausrede, und Mißverſtand. Die Rede iſt vom Rechte, und nicht mehr vom Herkommen: ganz ein- fach. Mais nous deux nous voulons causer, et vivre douce- ment; et moi je voudrais savoir si vous voulez le bas com- mencé? mille belles choses au prince de la journée, et à son aimable fille, et à vous, aimable Marie! A demain donc!
F. V.
Freitag, den 4. November 1831.
Das Herz — der Wille — begreift keine Zukunft: der Geiſt — das Urtheil — hebt ſie auf, macht ſie zur Gegen- wart. Nur er iſt frei, ſelbſtthätig, auf Unbekanntes gerichtet; jenes gebunden an ein feſt ſchon Gegebenes.
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aufgebracht: nicht wegen changement de casaque; aber wegen
ihrer ſchlechten Gründe. Gentz müſſen dieſe Herren ſtudiren,
der hat vor drei Poſttagen ein Meiſterwerk! in die Allge-
meine Zeitung einrücken laſſen: Sie ſollen es hier leſen, bei
mir. Auch ich, liebe Freundin, viel älter als Sie, möchte für
den Reſt Lebens Ruhe: aber meine Einſicht zeigt mir das Ge-
gentheil; jedoch nicht allein es kann, es wird ſich über un-
ſer Leben hinaus hinziehn. Eins iſt gewiß. Erobren will
Europa nicht mehr Stücke Erde; aber ernſter! Stücke Gleich-
heit: Freiheit iſt nur Ausrede, und Mißverſtand. Die Rede
iſt vom Rechte, und nicht mehr vom Herkommen: ganz ein-
fach. Mais nous deux nous voulons causer, et vivre douce-
ment; et moi je voudrais savoir si vous voulez le bas com-
mencé? mille belles choses au prince de la journée, et à son
aimable fille, et à vous, aimable Marie! A demain donc!
F. V.
Freitag, den 4. November 1831.
Das Herz — der Wille — begreift keine Zukunft: der
Geiſt — das Urtheil — hebt ſie auf, macht ſie zur Gegen-
wart. Nur er iſt frei, ſelbſtthätig, auf Unbekanntes gerichtet;
jenes gebunden an ein feſt ſchon Gegebenes.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/543>, abgerufen am 22.11.2024.
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