Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

sehn! Dabei empfinde ich doch Gewissen, daß ich alle gesellige
Pflichten beleidige. Sie aber, sind mir gewiß gnädig: und
überraschen mich auch Einmal! alsdann bin ich nicht verant-
wortlich, und doch glücklich. Vielleicht überrascht der Him-
mel
mich; und ich kann Sie, verehrte Fürstin, überraschen.
Noch halte ich alles für möglich; überhaupt kann ich bis jetzt,
für gute Gedanken und Einfälle danken: ich thue es tief erken-
nend, weil ich auch schon das verzweiflungsvolle Gegentheil
in mir erlebt habe; und mich nie stolz dafür sicher glaube.

Ich freue mich wahrhaftig Ihres Wohlseins: mögen auch
harmonische Gedanken es begleiten! Die wahre Unterstützung.
Einen Moment sah ich Fürst Pückler; er berichtete mir Gu-
tes; sah auch gut aus: nur etwas schlafbedürftig; ich sagte
es ihm; zu seiner Warnung. Hochachtungsvoll ergeben Fr. V.



An Karl Schall.


... Insomnisten
Werden durch der langen Nächte Qual
Artisten;
Im Erfinden, im Besinnen, in der Wahl.
Vermissen
Schlafes Balsam, grades Ruhn der armen Glieder,
Finden müder, als am Abend, so den andern Morgen wieder.
Nun erdacht' ich uns die kurze Schonung,
Momentane Haupteswohnung,
Dieses Kissen.


ſehn! Dabei empfinde ich doch Gewiſſen, daß ich alle geſellige
Pflichten beleidige. Sie aber, ſind mir gewiß gnädig: und
überraſchen mich auch Einmal! alsdann bin ich nicht verant-
wortlich, und doch glücklich. Vielleicht überraſcht der Him-
mel
mich; und ich kann Sie, verehrte Fürſtin, überraſchen.
Noch halte ich alles für möglich; überhaupt kann ich bis jetzt,
für gute Gedanken und Einfälle danken: ich thue es tief erken-
nend, weil ich auch ſchon das verzweiflungsvolle Gegentheil
in mir erlebt habe; und mich nie ſtolz dafür ſicher glaube.

Ich freue mich wahrhaftig Ihres Wohlſeins: mögen auch
harmoniſche Gedanken es begleiten! Die wahre Unterſtützung.
Einen Moment ſah ich Fürſt Pückler; er berichtete mir Gu-
tes; ſah auch gut aus: nur etwas ſchlafbedürftig; ich ſagte
es ihm; zu ſeiner Warnung. Hochachtungsvoll ergeben Fr. V.



An Karl Schall.


… Inſomniſten
Werden durch der langen Nächte Qual
Artiſten;
Im Erfinden, im Beſinnen, in der Wahl.
Vermiſſen
Schlafes Balſam, grades Ruhn der armen Glieder,
Finden müder, als am Abend, ſo den andern Morgen wieder.
Nun erdacht’ ich uns die kurze Schonung,
Momentane Haupteswohnung,
Dieſes Kiſſen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0554" n="546"/>
&#x017F;ehn! Dabei empfinde ich doch Gewi&#x017F;&#x017F;en, daß ich alle ge&#x017F;ellige<lb/>
Pflichten beleidige. Sie aber, &#x017F;ind mir gewiß gnädig: und<lb/>
überra&#x017F;chen mich auch Einmal! alsdann bin ich nicht verant-<lb/>
wortlich, und doch glücklich. Vielleicht überra&#x017F;cht der <hi rendition="#g">Him-<lb/>
mel</hi> mich; und ich kann <hi rendition="#g">Sie</hi>, verehrte Für&#x017F;tin, überra&#x017F;chen.<lb/>
Noch halte ich alles für möglich; überhaupt kann ich bis jetzt,<lb/>
für <hi rendition="#g">gute</hi> Gedanken und Einfälle danken: ich thue es tief erken-<lb/>
nend, weil ich auch &#x017F;chon das verzweiflungsvolle Gegentheil<lb/>
in mir erlebt habe; und mich nie &#x017F;tolz dafür &#x017F;icher glaube.</p><lb/>
          <p>Ich freue mich wahrhaftig Ihres Wohl&#x017F;eins: mögen auch<lb/>
harmoni&#x017F;che Gedanken es begleiten! Die wahre Unter&#x017F;tützung.<lb/>
Einen Moment &#x017F;ah ich Für&#x017F;t Pückler; er berichtete mir Gu-<lb/>
tes; &#x017F;ah auch gut aus: nur etwas &#x017F;chlafbedürftig; ich &#x017F;agte<lb/>
es ihm; zu &#x017F;einer Warnung. Hochachtungsvoll ergeben Fr. V.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Karl Schall.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Zum Sylve&#x017F;ter-Abend 1831.</hi> </dateline><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x2026; In&#x017F;omni&#x017F;ten</l><lb/>
            <l>Werden durch der langen Nächte Qual</l><lb/>
            <l>Arti&#x017F;ten;</l><lb/>
            <l>Im Erfinden, im Be&#x017F;innen, in der Wahl.</l><lb/>
            <l>Vermi&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Schlafes Bal&#x017F;am, grades Ruhn der armen Glieder,</l><lb/>
            <l>Finden müder, als am Abend, &#x017F;o den andern Morgen wieder.</l><lb/>
            <l>Nun erdacht&#x2019; ich uns die kurze Schonung,</l><lb/>
            <l>Momentane Haupteswohnung,</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;es Ki&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[546/0554] ſehn! Dabei empfinde ich doch Gewiſſen, daß ich alle geſellige Pflichten beleidige. Sie aber, ſind mir gewiß gnädig: und überraſchen mich auch Einmal! alsdann bin ich nicht verant- wortlich, und doch glücklich. Vielleicht überraſcht der Him- mel mich; und ich kann Sie, verehrte Fürſtin, überraſchen. Noch halte ich alles für möglich; überhaupt kann ich bis jetzt, für gute Gedanken und Einfälle danken: ich thue es tief erken- nend, weil ich auch ſchon das verzweiflungsvolle Gegentheil in mir erlebt habe; und mich nie ſtolz dafür ſicher glaube. Ich freue mich wahrhaftig Ihres Wohlſeins: mögen auch harmoniſche Gedanken es begleiten! Die wahre Unterſtützung. Einen Moment ſah ich Fürſt Pückler; er berichtete mir Gu- tes; ſah auch gut aus: nur etwas ſchlafbedürftig; ich ſagte es ihm; zu ſeiner Warnung. Hochachtungsvoll ergeben Fr. V. An Karl Schall. Zum Sylveſter-Abend 1831. … Inſomniſten Werden durch der langen Nächte Qual Artiſten; Im Erfinden, im Beſinnen, in der Wahl. Vermiſſen Schlafes Balſam, grades Ruhn der armen Glieder, Finden müder, als am Abend, ſo den andern Morgen wieder. Nun erdacht’ ich uns die kurze Schonung, Momentane Haupteswohnung, Dieſes Kiſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/554
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/554>, abgerufen am 22.11.2024.