man es diesen? Nicht aus Besorglichkeit: aus Schwäche und Krankheit muß ich bleiben, so hat mich die Einwirkung dieser Krankheit, ihre Luft, dahingenommen. Paix la-dessus! Ich käme nach Wien zu meinen Freunden; zu Ihnen. Das sind meine Vatikans, meine Bildergalerien, meine Schweizerberge, die ich besteigen will. Vielleicht lebe ich künftigen Som- mer noch. Vielleicht bringt auch dieser mich noch hin. Jetzt nur bin ich noch nicht recht reisefähig. Ich bin stolz darauf, daß wir Beide genesen sind: wenn ich mich freue, fühle ich mich immer stolz. Ist das unnatürlich? unrecht? Ich weiß nicht recht. Wie lange hatte ich diesen Liebesbrief schon auf dem Herzen! Und doch wohl läge er ohne eine äußere Ver- anlassung noch wohl darauf. Mlle. F., eine angehende Sän- gerin, bringt ihn Ihnen. Beschützen Sie sie, a la Ephraim! Sie ist voller Talent, nur noch nicht das, sich geltend zu ma- chen. -- Ihnen steht in Wien alles Gute zu Gebot, obenan Ihre Schwester, Ihre Nichten! Bitte, bitte! diese Damen alle!!! auch meine Freundin Fr., die ich hier tausendmal herz- lich umarme: auch sie kommt nicht hierher, ich muß hin! Auch Sie, liebe Henriette, nehmen Sie sich der jungen unschuldigen Fremden an: wie Sie es können, und sie ist für Wien und für weiter geborgen. --
Nun, theure Freundin, erlauben Sie mir, Ihnen eine Anekdote zu erzählen. Vor mehr als zwanzig Jahren sollte ein Akteur in Nürnberg den Marinelli als Gastrolle spielen. Es schlägt sechs; das Publikum pocht, es soll angehen: ein Vier- tel, es geht noch nicht an: halb! der Mann tritt in habit habille, den Degen an der Seite, heraus, ein Paar Schuhe
man es dieſen? Nicht aus Beſorglichkeit: aus Schwäche und Krankheit muß ich bleiben, ſo hat mich die Einwirkung dieſer Krankheit, ihre Luft, dahingenommen. Paix là-dessus! Ich käme nach Wien zu meinen Freunden; zu Ihnen. Das ſind meine Vatikans, meine Bildergalerien, meine Schweizerberge, die ich beſteigen will. Vielleicht lebe ich künftigen Som- mer noch. Vielleicht bringt auch dieſer mich noch hin. Jetzt nur bin ich noch nicht recht reiſefähig. Ich bin ſtolz darauf, daß wir Beide geneſen ſind: wenn ich mich freue, fühle ich mich immer ſtolz. Iſt das unnatürlich? unrecht? Ich weiß nicht recht. Wie lange hatte ich dieſen Liebesbrief ſchon auf dem Herzen! Und doch wohl läge er ohne eine äußere Ver- anlaſſung noch wohl darauf. Mlle. F., eine angehende Sän- gerin, bringt ihn Ihnen. Beſchützen Sie ſie, à la Ephraim! Sie iſt voller Talent, nur noch nicht das, ſich geltend zu ma- chen. — Ihnen ſteht in Wien alles Gute zu Gebot, obenan Ihre Schweſter, Ihre Nichten! Bitte, bitte! dieſe Damen alle!!! auch meine Freundin Fr., die ich hier tauſendmal herz- lich umarme: auch ſie kommt nicht hierher, ich muß hin! Auch Sie, liebe Henriette, nehmen Sie ſich der jungen unſchuldigen Fremden an: wie Sie es können, und ſie iſt für Wien und für weiter geborgen. —
Nun, theure Freundin, erlauben Sie mir, Ihnen eine Anekdote zu erzählen. Vor mehr als zwanzig Jahren ſollte ein Akteur in Nürnberg den Marinelli als Gaſtrolle ſpielen. Es ſchlägt ſechs; das Publikum pocht, es ſoll angehen: ein Vier- tel, es geht noch nicht an: halb! der Mann tritt in habit habillé, den Degen an der Seite, heraus, ein Paar Schuhe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0580"n="572"/>
man es dieſen? Nicht aus Beſorglichkeit: aus Schwäche und<lb/>
Krankheit muß ich bleiben, ſo hat mich die Einwirkung dieſer<lb/>
Krankheit, ihre <hirendition="#g">Luft</hi>, dahingenommen. <hirendition="#aq">Paix là-dessus!</hi> Ich<lb/><hirendition="#g">käme</hi> nach Wien zu meinen Freunden; zu Ihnen. Das <hirendition="#g">ſind</hi><lb/>
meine Vatikans, meine Bildergalerien, meine Schweizerberge,<lb/>
die ich beſteigen <hirendition="#g">will</hi>. Vielleicht lebe ich <hirendition="#g">künftigen</hi> Som-<lb/>
mer noch. Vielleicht bringt auch dieſer mich noch hin. Jetzt<lb/>
nur bin ich noch nicht recht reiſefähig. Ich bin ſtolz darauf,<lb/>
daß wir Beide geneſen ſind: wenn ich mich freue, fühle ich<lb/>
mich immer ſtolz. Iſt das unnatürlich? <hirendition="#g">unrecht</hi>? Ich weiß<lb/>
nicht recht. Wie lange hatte ich dieſen Liebesbrief ſchon auf<lb/>
dem Herzen! Und doch wohl läge er ohne eine äußere Ver-<lb/>
anlaſſung noch wohl darauf. Mlle. F., eine angehende Sän-<lb/>
gerin, bringt ihn Ihnen. Beſchützen Sie ſie, <hirendition="#aq">à la Ephraim!</hi><lb/>
Sie iſt voller Talent, nur noch nicht das, ſich geltend zu ma-<lb/>
chen. — Ihnen ſteht in Wien alles Gute zu Gebot, obenan<lb/>
Ihre Schweſter, Ihre Nichten! Bitte, bitte! dieſe Damen<lb/>
alle!!! auch meine Freundin Fr., die ich hier tauſendmal herz-<lb/>
lich umarme: auch ſie kommt nicht hierher, ich muß hin! Auch<lb/>
Sie, liebe Henriette, nehmen Sie ſich der jungen unſchuldigen<lb/>
Fremden an: wie <hirendition="#g">Sie</hi> es können, und ſie iſt für Wien und<lb/>
für weiter geborgen. —</p><lb/><p>Nun, theure Freundin, erlauben Sie mir, Ihnen eine<lb/>
Anekdote zu erzählen. Vor mehr als zwanzig Jahren ſollte ein<lb/>
Akteur in Nürnberg den Marinelli als Gaſtrolle ſpielen. Es<lb/>ſchlägt ſechs; das Publikum pocht, es ſoll angehen: ein Vier-<lb/>
tel, es geht noch nicht an: halb! der Mann tritt in <hirendition="#aq">habit<lb/>
habillé,</hi> den Degen an der Seite, heraus, ein Paar Schuhe<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[572/0580]
man es dieſen? Nicht aus Beſorglichkeit: aus Schwäche und
Krankheit muß ich bleiben, ſo hat mich die Einwirkung dieſer
Krankheit, ihre Luft, dahingenommen. Paix là-dessus! Ich
käme nach Wien zu meinen Freunden; zu Ihnen. Das ſind
meine Vatikans, meine Bildergalerien, meine Schweizerberge,
die ich beſteigen will. Vielleicht lebe ich künftigen Som-
mer noch. Vielleicht bringt auch dieſer mich noch hin. Jetzt
nur bin ich noch nicht recht reiſefähig. Ich bin ſtolz darauf,
daß wir Beide geneſen ſind: wenn ich mich freue, fühle ich
mich immer ſtolz. Iſt das unnatürlich? unrecht? Ich weiß
nicht recht. Wie lange hatte ich dieſen Liebesbrief ſchon auf
dem Herzen! Und doch wohl läge er ohne eine äußere Ver-
anlaſſung noch wohl darauf. Mlle. F., eine angehende Sän-
gerin, bringt ihn Ihnen. Beſchützen Sie ſie, à la Ephraim!
Sie iſt voller Talent, nur noch nicht das, ſich geltend zu ma-
chen. — Ihnen ſteht in Wien alles Gute zu Gebot, obenan
Ihre Schweſter, Ihre Nichten! Bitte, bitte! dieſe Damen
alle!!! auch meine Freundin Fr., die ich hier tauſendmal herz-
lich umarme: auch ſie kommt nicht hierher, ich muß hin! Auch
Sie, liebe Henriette, nehmen Sie ſich der jungen unſchuldigen
Fremden an: wie Sie es können, und ſie iſt für Wien und
für weiter geborgen. —
Nun, theure Freundin, erlauben Sie mir, Ihnen eine
Anekdote zu erzählen. Vor mehr als zwanzig Jahren ſollte ein
Akteur in Nürnberg den Marinelli als Gaſtrolle ſpielen. Es
ſchlägt ſechs; das Publikum pocht, es ſoll angehen: ein Vier-
tel, es geht noch nicht an: halb! der Mann tritt in habit
habillé, den Degen an der Seite, heraus, ein Paar Schuhe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/580>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.