Stolz einige Tage verbarg, der ich aber end- lich unterliegen mußte, die Zärtlichkeit meiner Mutter und die Sorgfalt meines Hofmeisters für meine Genesung gewahr ward! Es wa- ren die Blattern, die mit gefährlichen Sym- ptomen herausbrachen. Einige Tage lag ich in heftigen Fieber ohne Bewußtseyn; in dem Augenblick, als ich endlich zu mir kam, und noch ganz entkräftet die Augen aufschlug, war das erste, was ich unterscheiden konnte, der Anblick meiner Mutter, die auf ihren Knieen lag, und mit heissen Thränen und geängstig- tem Herzen Gebete für ihr Kind zum Him- mel schickte. Jch machte eine Bewegung, sie kam zu mir, ich sah sie bleich und ihre Klei- dung und Haare zerstreut und nicht in der gewöhnlichen Ordnung; ich erkundigte mich nach der Ursache, da hörte ich: sie wäre in den Nächten meiner Lebensgefahr nicht von mei- nem Bette gewichen, und hätte sich auch am Tage nicht von mir entfernen wollen, um ge- hörig auf ihrem Bette zu ruhn, oder sich um- zukleiden. Jhre Freude, als sie gewahr ward,
Stolz einige Tage verbarg, der ich aber end- lich unterliegen mußte, die Zaͤrtlichkeit meiner Mutter und die Sorgfalt meines Hofmeiſters fuͤr meine Geneſung gewahr ward! Es wa- ren die Blattern, die mit gefaͤhrlichen Sym- ptomen herausbrachen. Einige Tage lag ich in heftigen Fieber ohne Bewußtſeyn; in dem Augenblick, als ich endlich zu mir kam, und noch ganz entkraͤftet die Augen aufſchlug, war das erſte, was ich unterſcheiden konnte, der Anblick meiner Mutter, die auf ihren Knieen lag, und mit heiſſen Thraͤnen und geaͤngſtig- tem Herzen Gebete fuͤr ihr Kind zum Him- mel ſchickte. Jch machte eine Bewegung, ſie kam zu mir, ich ſah ſie bleich und ihre Klei- dung und Haare zerſtreut und nicht in der gewoͤhnlichen Ordnung; ich erkundigte mich nach der Urſache, da hoͤrte ich: ſie waͤre in den Naͤchten meiner Lebensgefahr nicht von mei- nem Bette gewichen, und haͤtte ſich auch am Tage nicht von mir entfernen wollen, um ge- hoͤrig auf ihrem Bette zu ruhn, oder ſich um- zukleiden. Jhre Freude, als ſie gewahr ward,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0116"n="108"/>
Stolz einige Tage verbarg, der ich aber end-<lb/>
lich unterliegen mußte, die Zaͤrtlichkeit meiner<lb/>
Mutter und die Sorgfalt meines Hofmeiſters<lb/>
fuͤr meine Geneſung gewahr ward! Es wa-<lb/>
ren die Blattern, die mit gefaͤhrlichen Sym-<lb/>
ptomen herausbrachen. Einige Tage lag ich<lb/>
in heftigen Fieber ohne Bewußtſeyn; in dem<lb/>
Augenblick, als ich endlich zu mir kam, und<lb/>
noch ganz entkraͤftet die Augen aufſchlug, war<lb/>
das erſte, was ich unterſcheiden konnte, der<lb/>
Anblick meiner Mutter, die auf ihren Knieen<lb/>
lag, und mit heiſſen Thraͤnen und geaͤngſtig-<lb/>
tem Herzen Gebete fuͤr ihr Kind zum Him-<lb/>
mel ſchickte. Jch machte eine Bewegung, ſie<lb/>
kam zu mir, ich ſah ſie bleich und ihre Klei-<lb/>
dung und Haare zerſtreut und nicht in der<lb/>
gewoͤhnlichen Ordnung; ich erkundigte mich<lb/>
nach der Urſache, da hoͤrte ich: ſie waͤre in den<lb/>
Naͤchten meiner Lebensgefahr nicht von mei-<lb/>
nem Bette gewichen, und haͤtte ſich auch am<lb/>
Tage nicht von mir entfernen wollen, um ge-<lb/>
hoͤrig auf ihrem Bette zu ruhn, oder ſich um-<lb/>
zukleiden. Jhre Freude, als ſie gewahr ward,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[108/0116]
Stolz einige Tage verbarg, der ich aber end-
lich unterliegen mußte, die Zaͤrtlichkeit meiner
Mutter und die Sorgfalt meines Hofmeiſters
fuͤr meine Geneſung gewahr ward! Es wa-
ren die Blattern, die mit gefaͤhrlichen Sym-
ptomen herausbrachen. Einige Tage lag ich
in heftigen Fieber ohne Bewußtſeyn; in dem
Augenblick, als ich endlich zu mir kam, und
noch ganz entkraͤftet die Augen aufſchlug, war
das erſte, was ich unterſcheiden konnte, der
Anblick meiner Mutter, die auf ihren Knieen
lag, und mit heiſſen Thraͤnen und geaͤngſtig-
tem Herzen Gebete fuͤr ihr Kind zum Him-
mel ſchickte. Jch machte eine Bewegung, ſie
kam zu mir, ich ſah ſie bleich und ihre Klei-
dung und Haare zerſtreut und nicht in der
gewoͤhnlichen Ordnung; ich erkundigte mich
nach der Urſache, da hoͤrte ich: ſie waͤre in den
Naͤchten meiner Lebensgefahr nicht von mei-
nem Bette gewichen, und haͤtte ſich auch am
Tage nicht von mir entfernen wollen, um ge-
hoͤrig auf ihrem Bette zu ruhn, oder ſich um-
zukleiden. Jhre Freude, als ſie gewahr ward,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/116>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.