richt von einigen ernsthaften Unterredungen, die meine Mutter mit dem Prior gehabt, endlich ward ich vorgerufen; der ehrwürdige Pater empfahl mir noch einmal sein Heil, und nun trat ich nicht ohne Herzklopfen und bange Er- wartung in meiner Mutter Zimmer.
Hier hatte ich einen schweren Auftritt zu überstehen. Jch ward genau aber ohne Stren- ge vernommen; dann wandten sowohl meine Mutter als der Prior jede Ueberredung, jede Schmeicheley an, mich zu bewegen, daß ich mich freywillig zum Kloster entschliessen sollte. Meine Mutter weinte, bat, rief mir jede Er- innerung ihrer mütterlichen Zärtlichkeit ins Ge- dächtniß zurück, beschwor mich mit aufgehobe- nen Handen, mit den rührendsten Gebehrden, ihr alles was sie je für mich geduldet hätte durch diesen einzigen Entschuß, der das ewige Heil meiner Seele und ihrer eigenen sicherte, zu be- lohnen. Jch war wie gepeinigt, konnte nicht sprechen, nur durch meine Liebkosungen suchte ich sie zu beruhigen; im Schmer, die Frau, die ich ehrte, so leiden zu sehen, und um meinet-
richt von einigen ernſthaften Unterredungen, die meine Mutter mit dem Prior gehabt, endlich ward ich vorgerufen; der ehrwuͤrdige Pater empfahl mir noch einmal ſein Heil, und nun trat ich nicht ohne Herzklopfen und bange Er- wartung in meiner Mutter Zimmer.
Hier hatte ich einen ſchweren Auftritt zu uͤberſtehen. Jch ward genau aber ohne Stren- ge vernommen; dann wandten ſowohl meine Mutter als der Prior jede Ueberredung, jede Schmeicheley an, mich zu bewegen, daß ich mich freywillig zum Kloſter entſchlieſſen ſollte. Meine Mutter weinte, bat, rief mir jede Er- innerung ihrer muͤtterlichen Zaͤrtlichkeit ins Ge- daͤchtniß zuruͤck, beſchwor mich mit aufgehobe- nen Handen, mit den ruͤhrendſten Gebehrden, ihr alles was ſie je fuͤr mich geduldet haͤtte durch dieſen einzigen Entſchuß, der das ewige Heil meiner Seele und ihrer eigenen ſicherte, zu be- lohnen. Jch war wie gepeinigt, konnte nicht ſprechen, nur durch meine Liebkoſungen ſuchte ich ſie zu beruhigen; im Schmer, die Frau, die ich ehrte, ſo leiden zu ſehen, und um meinet-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0133"n="125"/>
richt von einigen ernſthaften Unterredungen, die<lb/>
meine Mutter mit dem Prior gehabt, endlich<lb/>
ward ich vorgerufen; der ehrwuͤrdige Pater<lb/>
empfahl mir noch einmal ſein Heil, und nun<lb/>
trat ich nicht ohne Herzklopfen und bange Er-<lb/>
wartung in meiner Mutter Zimmer.</p><lb/><p>Hier hatte ich einen ſchweren Auftritt zu<lb/>
uͤberſtehen. Jch ward genau aber ohne Stren-<lb/>
ge vernommen; dann wandten ſowohl meine<lb/>
Mutter als der Prior jede Ueberredung, jede<lb/>
Schmeicheley an, mich zu bewegen, daß ich<lb/>
mich freywillig zum Kloſter entſchlieſſen ſollte.<lb/>
Meine Mutter weinte, bat, rief mir jede Er-<lb/>
innerung ihrer muͤtterlichen Zaͤrtlichkeit ins Ge-<lb/>
daͤchtniß zuruͤck, beſchwor mich mit aufgehobe-<lb/>
nen Handen, mit den ruͤhrendſten Gebehrden,<lb/>
ihr alles was ſie je fuͤr mich geduldet haͤtte durch<lb/>
dieſen einzigen Entſchuß, der das ewige Heil<lb/>
meiner Seele und ihrer eigenen ſicherte, zu be-<lb/>
lohnen. Jch war wie gepeinigt, konnte nicht<lb/>ſprechen, nur durch meine Liebkoſungen ſuchte<lb/>
ich ſie zu beruhigen; im Schmer, die Frau, die<lb/>
ich ehrte, ſo leiden zu ſehen, und um meinet-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[125/0133]
richt von einigen ernſthaften Unterredungen, die
meine Mutter mit dem Prior gehabt, endlich
ward ich vorgerufen; der ehrwuͤrdige Pater
empfahl mir noch einmal ſein Heil, und nun
trat ich nicht ohne Herzklopfen und bange Er-
wartung in meiner Mutter Zimmer.
Hier hatte ich einen ſchweren Auftritt zu
uͤberſtehen. Jch ward genau aber ohne Stren-
ge vernommen; dann wandten ſowohl meine
Mutter als der Prior jede Ueberredung, jede
Schmeicheley an, mich zu bewegen, daß ich
mich freywillig zum Kloſter entſchlieſſen ſollte.
Meine Mutter weinte, bat, rief mir jede Er-
innerung ihrer muͤtterlichen Zaͤrtlichkeit ins Ge-
daͤchtniß zuruͤck, beſchwor mich mit aufgehobe-
nen Handen, mit den ruͤhrendſten Gebehrden,
ihr alles was ſie je fuͤr mich geduldet haͤtte durch
dieſen einzigen Entſchuß, der das ewige Heil
meiner Seele und ihrer eigenen ſicherte, zu be-
lohnen. Jch war wie gepeinigt, konnte nicht
ſprechen, nur durch meine Liebkoſungen ſuchte
ich ſie zu beruhigen; im Schmer, die Frau, die
ich ehrte, ſo leiden zu ſehen, und um meinet-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/133>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.