Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

mächtig, warf ich mein Messer, das ich in der
Hand hatte, mit solcher Gewalt zu ihr hinüber
... es hätte sie auf der Stelle tödten müssen,
hätte die Wuth mich nicht blind gemacht; es
blieb über ihrem Kopf tief in der Wand stecken.
Von meiner Wildheit erschreckt, schrie sie laut
auf, und verließ eilends das Zimmer, ich war
unvermögend, ihr zu folgen. --

O Florentin, sagte Juliane, wie fürchter-
lich erscheinen Sie mir! Sie hätten eine Mord-
that begehen können! -- Wie! war nicht sie
eine hartherzige, treulose, widernatürliche Mör-
derin? Mich, mich hatte sie höchst unbarmher-
zig gemordet! Still nur davon, und erlaubt,
daß ich ende. --

Die Treulose hatte auf der Stelle das Haus
verlassen, ich sah sie nicht wieder. Ein gewis-
ser Kardinal hatte sich ihrer angenommen. Wie
ich nun erfuhr, hatte Se. Eminenz, die übri-
gens ein Muster der Frömmigkeit für ganz Rom
war, ihr schon längst nachgestellt, und wahr-
scheinlich während meiner Abwesenheit seine Ab-
sicht erreicht. Ein heftiger Blutsturz, den ich

maͤchtig, warf ich mein Meſſer, das ich in der
Hand hatte, mit ſolcher Gewalt zu ihr hinuͤber
… es haͤtte ſie auf der Stelle toͤdten muͤſſen,
haͤtte die Wuth mich nicht blind gemacht; es
blieb uͤber ihrem Kopf tief in der Wand ſtecken.
Von meiner Wildheit erſchreckt, ſchrie ſie laut
auf, und verließ eilends das Zimmer, ich war
unvermoͤgend, ihr zu folgen. —

O Florentin, ſagte Juliane, wie fuͤrchter-
lich erſcheinen Sie mir! Sie haͤtten eine Mord-
that begehen koͤnnen! — Wie! war nicht ſie
eine hartherzige, treuloſe, widernatuͤrliche Moͤr-
derin? Mich, mich hatte ſie hoͤchſt unbarmher-
zig gemordet! Still nur davon, und erlaubt,
daß ich ende. —

Die Treuloſe hatte auf der Stelle das Haus
verlaſſen, ich ſah ſie nicht wieder. Ein gewiſ-
ſer Kardinal hatte ſich ihrer angenommen. Wie
ich nun erfuhr, hatte Se. Eminenz, die uͤbri-
gens ein Muſter der Froͤmmigkeit fuͤr ganz Rom
war, ihr ſchon laͤngſt nachgeſtellt, und wahr-
ſcheinlich waͤhrend meiner Abweſenheit ſeine Ab-
ſicht erreicht. Ein heftiger Blutſturz, den ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0188" n="180"/>
ma&#x0364;chtig, warf ich mein Me&#x017F;&#x017F;er, das ich in der<lb/>
Hand hatte, mit &#x017F;olcher Gewalt zu ihr hinu&#x0364;ber<lb/>
&#x2026; es ha&#x0364;tte &#x017F;ie auf der Stelle to&#x0364;dten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ha&#x0364;tte die Wuth mich nicht blind gemacht; es<lb/>
blieb u&#x0364;ber ihrem Kopf tief in der Wand &#x017F;tecken.<lb/>
Von meiner Wildheit er&#x017F;chreckt, &#x017F;chrie &#x017F;ie laut<lb/>
auf, und verließ eilends das Zimmer, ich war<lb/>
unvermo&#x0364;gend, ihr zu folgen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>O Florentin, &#x017F;agte Juliane, wie fu&#x0364;rchter-<lb/>
lich er&#x017F;cheinen Sie mir! Sie ha&#x0364;tten eine Mord-<lb/>
that begehen ko&#x0364;nnen! &#x2014; Wie! war nicht &#x017F;ie<lb/>
eine hartherzige, treulo&#x017F;e, widernatu&#x0364;rliche Mo&#x0364;r-<lb/>
derin? Mich, mich hatte &#x017F;ie ho&#x0364;ch&#x017F;t unbarmher-<lb/>
zig gemordet! Still nur davon, und erlaubt,<lb/>
daß ich ende. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die Treulo&#x017F;e hatte auf der Stelle das Haus<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en, ich &#x017F;ah &#x017F;ie nicht wieder. Ein gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Kardinal hatte &#x017F;ich ihrer angenommen. Wie<lb/>
ich nun erfuhr, hatte Se. Eminenz, die u&#x0364;bri-<lb/>
gens ein Mu&#x017F;ter der Fro&#x0364;mmigkeit fu&#x0364;r ganz Rom<lb/>
war, ihr &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t nachge&#x017F;tellt, und wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich wa&#x0364;hrend meiner Abwe&#x017F;enheit &#x017F;eine Ab-<lb/>
&#x017F;icht erreicht. Ein heftiger Blut&#x017F;turz, den ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0188] maͤchtig, warf ich mein Meſſer, das ich in der Hand hatte, mit ſolcher Gewalt zu ihr hinuͤber … es haͤtte ſie auf der Stelle toͤdten muͤſſen, haͤtte die Wuth mich nicht blind gemacht; es blieb uͤber ihrem Kopf tief in der Wand ſtecken. Von meiner Wildheit erſchreckt, ſchrie ſie laut auf, und verließ eilends das Zimmer, ich war unvermoͤgend, ihr zu folgen. — O Florentin, ſagte Juliane, wie fuͤrchter- lich erſcheinen Sie mir! Sie haͤtten eine Mord- that begehen koͤnnen! — Wie! war nicht ſie eine hartherzige, treuloſe, widernatuͤrliche Moͤr- derin? Mich, mich hatte ſie hoͤchſt unbarmher- zig gemordet! Still nur davon, und erlaubt, daß ich ende. — Die Treuloſe hatte auf der Stelle das Haus verlaſſen, ich ſah ſie nicht wieder. Ein gewiſ- ſer Kardinal hatte ſich ihrer angenommen. Wie ich nun erfuhr, hatte Se. Eminenz, die uͤbri- gens ein Muſter der Froͤmmigkeit fuͤr ganz Rom war, ihr ſchon laͤngſt nachgeſtellt, und wahr- ſcheinlich waͤhrend meiner Abweſenheit ſeine Ab- ſicht erreicht. Ein heftiger Blutſturz, den ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/188
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/188>, abgerufen am 09.11.2024.