mächtig, warf ich mein Messer, das ich in der Hand hatte, mit solcher Gewalt zu ihr hinüber ... es hätte sie auf der Stelle tödten müssen, hätte die Wuth mich nicht blind gemacht; es blieb über ihrem Kopf tief in der Wand stecken. Von meiner Wildheit erschreckt, schrie sie laut auf, und verließ eilends das Zimmer, ich war unvermögend, ihr zu folgen. --
O Florentin, sagte Juliane, wie fürchter- lich erscheinen Sie mir! Sie hätten eine Mord- that begehen können! -- Wie! war nicht sie eine hartherzige, treulose, widernatürliche Mör- derin? Mich, mich hatte sie höchst unbarmher- zig gemordet! Still nur davon, und erlaubt, daß ich ende. --
Die Treulose hatte auf der Stelle das Haus verlassen, ich sah sie nicht wieder. Ein gewis- ser Kardinal hatte sich ihrer angenommen. Wie ich nun erfuhr, hatte Se. Eminenz, die übri- gens ein Muster der Frömmigkeit für ganz Rom war, ihr schon längst nachgestellt, und wahr- scheinlich während meiner Abwesenheit seine Ab- sicht erreicht. Ein heftiger Blutsturz, den ich
maͤchtig, warf ich mein Meſſer, das ich in der Hand hatte, mit ſolcher Gewalt zu ihr hinuͤber … es haͤtte ſie auf der Stelle toͤdten muͤſſen, haͤtte die Wuth mich nicht blind gemacht; es blieb uͤber ihrem Kopf tief in der Wand ſtecken. Von meiner Wildheit erſchreckt, ſchrie ſie laut auf, und verließ eilends das Zimmer, ich war unvermoͤgend, ihr zu folgen. —
O Florentin, ſagte Juliane, wie fuͤrchter- lich erſcheinen Sie mir! Sie haͤtten eine Mord- that begehen koͤnnen! — Wie! war nicht ſie eine hartherzige, treuloſe, widernatuͤrliche Moͤr- derin? Mich, mich hatte ſie hoͤchſt unbarmher- zig gemordet! Still nur davon, und erlaubt, daß ich ende. —
Die Treuloſe hatte auf der Stelle das Haus verlaſſen, ich ſah ſie nicht wieder. Ein gewiſ- ſer Kardinal hatte ſich ihrer angenommen. Wie ich nun erfuhr, hatte Se. Eminenz, die uͤbri- gens ein Muſter der Froͤmmigkeit fuͤr ganz Rom war, ihr ſchon laͤngſt nachgeſtellt, und wahr- ſcheinlich waͤhrend meiner Abweſenheit ſeine Ab- ſicht erreicht. Ein heftiger Blutſturz, den ich
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maͤchtig, warf ich mein Meſſer, das ich in der
Hand hatte, mit ſolcher Gewalt zu ihr hinuͤber
… es haͤtte ſie auf der Stelle toͤdten muͤſſen,
haͤtte die Wuth mich nicht blind gemacht; es
blieb uͤber ihrem Kopf tief in der Wand ſtecken.
Von meiner Wildheit erſchreckt, ſchrie ſie laut
auf, und verließ eilends das Zimmer, ich war
unvermoͤgend, ihr zu folgen. —
O Florentin, ſagte Juliane, wie fuͤrchter-
lich erſcheinen Sie mir! Sie haͤtten eine Mord-
that begehen koͤnnen! — Wie! war nicht ſie
eine hartherzige, treuloſe, widernatuͤrliche Moͤr-
derin? Mich, mich hatte ſie hoͤchſt unbarmher-
zig gemordet! Still nur davon, und erlaubt,
daß ich ende. —
Die Treuloſe hatte auf der Stelle das Haus
verlaſſen, ich ſah ſie nicht wieder. Ein gewiſ-
ſer Kardinal hatte ſich ihrer angenommen. Wie
ich nun erfuhr, hatte Se. Eminenz, die uͤbri-
gens ein Muſter der Froͤmmigkeit fuͤr ganz Rom
war, ihr ſchon laͤngſt nachgeſtellt, und wahr-
ſcheinlich waͤhrend meiner Abweſenheit ſeine Ab-
ſicht erreicht. Ein heftiger Blutſturz, den ich
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/188>, abgerufen am 09.11.2024.
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