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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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tig, mit nassen herunterhängenden Haaren,
beym Eintritt nicht wieder erkannt; er bat sie
sehr wegen des Verdachts seiner Frau um Ver-
zeihung, suchte diese, so gut als er vermochte,
zu entschuldigen, und verließ sogleich das Zim-
mer wieder.

Die Müllerin war beschämt und verwirrt,
sie erbot sich zu allen Diensten mit der größten
Bereitwilligkeit, und erkundigte sich nach den
Befehlen der jungen Gräfin. Vor allen Din-
gen bat Juliane, ihr einen Boten zu verschas-
fen, den sie aufs Schloß schicken könnte, um
ihren Wagen heraus zu holen, weil sie gleich
nach Hause fahren wolle. Die Nacht war aber
unterdessen völlig hereingebrochen, das Gewit-
ter hatte zwar aufgehört, aber der Sturm war
noch stark und der Regen strömte gewaltig
herab, dabey konnte man in der Finsterniß
nicht einen Schritt vor sich sehen. Der Müller
entschuldigte sich, daß er jetzt niemand über
den Bach könne fahren lassen, es wäre beynahe
unvermeidliche Lebensgefahr dabey, da er vom
Regen sehr angeschwollen sey, und der Sturm

tig, mit naſſen herunterhaͤngenden Haaren,
beym Eintritt nicht wieder erkannt; er bat ſie
ſehr wegen des Verdachts ſeiner Frau um Ver-
zeihung, ſuchte dieſe, ſo gut als er vermochte,
zu entſchuldigen, und verließ ſogleich das Zim-
mer wieder.

Die Muͤllerin war beſchaͤmt und verwirrt,
ſie erbot ſich zu allen Dienſten mit der groͤßten
Bereitwilligkeit, und erkundigte ſich nach den
Befehlen der jungen Graͤfin. Vor allen Din-
gen bat Juliane, ihr einen Boten zu verſchaſ-
fen, den ſie aufs Schloß ſchicken koͤnnte, um
ihren Wagen heraus zu holen, weil ſie gleich
nach Hauſe fahren wolle. Die Nacht war aber
unterdeſſen voͤllig hereingebrochen, das Gewit-
ter hatte zwar aufgehoͤrt, aber der Sturm war
noch ſtark und der Regen ſtroͤmte gewaltig
herab, dabey konnte man in der Finſterniß
nicht einen Schritt vor ſich ſehen. Der Muͤller
entſchuldigte ſich, daß er jetzt niemand uͤber
den Bach koͤnne fahren laſſen, es waͤre beynahe
unvermeidliche Lebensgefahr dabey, da er vom
Regen ſehr angeſchwollen ſey, und der Sturm

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[214/0222] tig, mit naſſen herunterhaͤngenden Haaren, beym Eintritt nicht wieder erkannt; er bat ſie ſehr wegen des Verdachts ſeiner Frau um Ver- zeihung, ſuchte dieſe, ſo gut als er vermochte, zu entſchuldigen, und verließ ſogleich das Zim- mer wieder. Die Muͤllerin war beſchaͤmt und verwirrt, ſie erbot ſich zu allen Dienſten mit der groͤßten Bereitwilligkeit, und erkundigte ſich nach den Befehlen der jungen Graͤfin. Vor allen Din- gen bat Juliane, ihr einen Boten zu verſchaſ- fen, den ſie aufs Schloß ſchicken koͤnnte, um ihren Wagen heraus zu holen, weil ſie gleich nach Hauſe fahren wolle. Die Nacht war aber unterdeſſen voͤllig hereingebrochen, das Gewit- ter hatte zwar aufgehoͤrt, aber der Sturm war noch ſtark und der Regen ſtroͤmte gewaltig herab, dabey konnte man in der Finſterniß nicht einen Schritt vor ſich ſehen. Der Muͤller entſchuldigte ſich, daß er jetzt niemand uͤber den Bach koͤnne fahren laſſen, es waͤre beynahe unvermeidliche Lebensgefahr dabey, da er vom Regen ſehr angeſchwollen ſey, und der Sturm

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/222>, abgerufen am 21.11.2024.