glückliche Bestimmung verhinderte, daß nicht das lang verborgne Feuer heftiger Leidenschaft- lichkeit verderblich um sich gegriffen. Was an- ders bewahrte sie vor jeder Gefahr, die ihr aus ihrem Jnnern drohte, als die Zufriedenheit mit ihrem Loose, die sie an den Pforten der Selbst- erkenntniß, empfing; als die ruhige Liebe in ih- rem Herzen; als der Gatte, die Schwester, die Kinder! Jhr kostbaren Reichthümer! Mei- nem Glück verdanke ich meine Tugend!
Auch das ist wahr, daß Eduard uns von Jugend auf mehr Beweise eines liebenden Ge- müths und der feinen Ausbildung, als eines selbstständigen Sinns gegeben; aber eben dieß sein liebendes Gemüth, dächte ich, müßte uns Bürge seyn. Wie hängt er doch mit inniger Liebe an der Geliebten seiner Jugend! Wie ist er ihr durch alle Wandelbarkeit seines Lebens so wahrhaft treu geblieben! Seine Liebe war gleichsam der dauernde Grund, auf welchem die bunten Farben des Lebens wie lose Fäden hin und her gewebt waren. Es fehlt ihm vielleicht nichts weiter, als die bestimmen-
gluͤckliche Beſtimmung verhinderte, daß nicht das lang verborgne Feuer heftiger Leidenſchaft- lichkeit verderblich um ſich gegriffen. Was an- ders bewahrte ſie vor jeder Gefahr, die ihr aus ihrem Jnnern drohte, als die Zufriedenheit mit ihrem Looſe, die ſie an den Pforten der Selbſt- erkenntniß, empfing; als die ruhige Liebe in ih- rem Herzen; als der Gatte, die Schweſter, die Kinder! Jhr koſtbaren Reichthuͤmer! Mei- nem Gluͤck verdanke ich meine Tugend!
Auch das iſt wahr, daß Eduard uns von Jugend auf mehr Beweiſe eines liebenden Ge- muͤths und der feinen Ausbildung, als eines ſelbſtſtaͤndigen Sinns gegeben; aber eben dieß ſein liebendes Gemuͤth, daͤchte ich, muͤßte uns Buͤrge ſeyn. Wie haͤngt er doch mit inniger Liebe an der Geliebten ſeiner Jugend! Wie iſt er ihr durch alle Wandelbarkeit ſeines Lebens ſo wahrhaft treu geblieben! Seine Liebe war gleichſam der dauernde Grund, auf welchem die bunten Farben des Lebens wie loſe Faͤden hin und her gewebt waren. Es fehlt ihm vielleicht nichts weiter, als die beſtimmen-
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gluͤckliche Beſtimmung verhinderte, daß nicht
das lang verborgne Feuer heftiger Leidenſchaft-
lichkeit verderblich um ſich gegriffen. Was an-
ders bewahrte ſie vor jeder Gefahr, die ihr aus
ihrem Jnnern drohte, als die Zufriedenheit mit
ihrem Looſe, die ſie an den Pforten der Selbſt-
erkenntniß, empfing; als die ruhige Liebe in ih-
rem Herzen; als der Gatte, die Schweſter, die
Kinder! Jhr koſtbaren Reichthuͤmer! Mei-
nem Gluͤck verdanke ich meine Tugend!
Auch das iſt wahr, daß Eduard uns von
Jugend auf mehr Beweiſe eines liebenden Ge-
muͤths und der feinen Ausbildung, als eines
ſelbſtſtaͤndigen Sinns gegeben; aber eben dieß
ſein liebendes Gemuͤth, daͤchte ich, muͤßte uns
Buͤrge ſeyn. Wie haͤngt er doch mit inniger
Liebe an der Geliebten ſeiner Jugend! Wie
iſt er ihr durch alle Wandelbarkeit ſeines
Lebens ſo wahrhaft treu geblieben! Seine
Liebe war gleichſam der dauernde Grund, auf
welchem die bunten Farben des Lebens wie loſe
Faͤden hin und her gewebt waren. Es fehlt
ihm vielleicht nichts weiter, als die beſtimmen-
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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