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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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gen! mit welcher Liebe sich ihr Haupt zu dem
Liebling hinneigt, sich ihre Tugend lehrenden
Lippen öffnen! Ruhe und Würde in |der gan-
zen Gestalt, und wie erhaben diese Hand, die
gegen den Himmel zeigt! Jst auch diese Anna
ein Porträt? -- Es ist eine Schwester des
Grafen, die er vorzüglich liebt; Gräfin Cle-
mentina; Sie haben uns schon von ihr spre-
chen hören, sie wird von uns gewöhnlich die
Tante genannt. Juliane hat ihre erste Erzie-
hung bey dieser Tante erhalten; die Mutter
hatte sie ihr, da sie ihre Jugendfreundin ist,
und ihres ganzen Zutrauens genießt, bald nach
ihrer Geburt überlassen, weil sie damals ih-
rem Gemahl nachreisen mußte, der gefährlich
verwundet war, und den sie keiner fremden
Pflege überlassen wollte. Sie verließ ihn nun
nicht wieder, begleitete ihn so wohl auf seinen
Feldzügen, als auf seinen Reisen, da er an
verschiedenen Höfen als Gesandter stand. Un-
terdessen erreichte Juliane beynahe ihr vierzehn-
tes Jahr bey der Tante, und verehrt sie als
Mutter. -- Doch muß die Gräfin Clementina

gen! mit welcher Liebe ſich ihr Haupt zu dem
Liebling hinneigt, ſich ihre Tugend lehrenden
Lippen oͤffnen! Ruhe und Wuͤrde in |der gan-
zen Geſtalt, und wie erhaben dieſe Hand, die
gegen den Himmel zeigt! Jſt auch dieſe Anna
ein Portraͤt? — Es iſt eine Schweſter des
Grafen, die er vorzuͤglich liebt; Graͤfin Cle-
mentina; Sie haben uns ſchon von ihr ſpre-
chen hoͤren, ſie wird von uns gewoͤhnlich die
Tante genannt. Juliane hat ihre erſte Erzie-
hung bey dieſer Tante erhalten; die Mutter
hatte ſie ihr, da ſie ihre Jugendfreundin iſt,
und ihres ganzen Zutrauens genießt, bald nach
ihrer Geburt uͤberlaſſen, weil ſie damals ih-
rem Gemahl nachreiſen mußte, der gefaͤhrlich
verwundet war, und den ſie keiner fremden
Pflege uͤberlaſſen wollte. Sie verließ ihn nun
nicht wieder, begleitete ihn ſo wohl auf ſeinen
Feldzuͤgen, als auf ſeinen Reiſen, da er an
verſchiedenen Hoͤfen als Geſandter ſtand. Un-
terdeſſen erreichte Juliane beynahe ihr vierzehn-
tes Jahr bey der Tante, und verehrt ſie als
Mutter. — Doch muß die Graͤfin Clementina

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[48/0056] gen! mit welcher Liebe ſich ihr Haupt zu dem Liebling hinneigt, ſich ihre Tugend lehrenden Lippen oͤffnen! Ruhe und Wuͤrde in |der gan- zen Geſtalt, und wie erhaben dieſe Hand, die gegen den Himmel zeigt! Jſt auch dieſe Anna ein Portraͤt? — Es iſt eine Schweſter des Grafen, die er vorzuͤglich liebt; Graͤfin Cle- mentina; Sie haben uns ſchon von ihr ſpre- chen hoͤren, ſie wird von uns gewoͤhnlich die Tante genannt. Juliane hat ihre erſte Erzie- hung bey dieſer Tante erhalten; die Mutter hatte ſie ihr, da ſie ihre Jugendfreundin iſt, und ihres ganzen Zutrauens genießt, bald nach ihrer Geburt uͤberlaſſen, weil ſie damals ih- rem Gemahl nachreiſen mußte, der gefaͤhrlich verwundet war, und den ſie keiner fremden Pflege uͤberlaſſen wollte. Sie verließ ihn nun nicht wieder, begleitete ihn ſo wohl auf ſeinen Feldzuͤgen, als auf ſeinen Reiſen, da er an verſchiedenen Hoͤfen als Geſandter ſtand. Un- terdeſſen erreichte Juliane beynahe ihr vierzehn- tes Jahr bey der Tante, und verehrt ſie als Mutter. — Doch muß die Graͤfin Clementina

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/56>, abgerufen am 25.05.2024.