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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Sechste Vorlesung.
grösseren Gefässe, und man denkt sich gewöhnlich, dass, je
vollständiger das Gefäss wird, um so mehr Häute sich an sei-
nem Umfange entwickeln. Das eigentliche Entwickelungsver-
hältniss dieser Theile zu einander ist jedoch keinesweges voll-
ständig sicher gestellt.

Innerhalb der eigentlich capillären Auflösung haben wir
weiter nichts Bemerkbares an den Gefässen, als die früher
schon erwähnten Kerne, welche der Längsaxe des Gefässes
entsprechen, und welche so in die Gefässwand selbst einge-
setzt sind, dass man eine zellige Abtheilung um sie herum wei-
ter nicht zu erkennen vermag. Die Gefässhaut erscheint hier
ganz gleichmässig, absolut homogen und absolut continuirlich
(Fig. 3, c.). Während man noch vor 20 Jahren darüber dis-
cutirte, ob es nicht Gefässe gäbe, welche keine eigentlichen
Wandungen hätten, und welche nur Aushöhlungen, Ausgrabungen
des Parenchyms der Organe seien, so wie darüber, ob Gefässe
dadurch entstehen könnten, dass von den alten Höhlungen aus
sich neue Bahnen durch Auseinanderdrängen des benachbarten
Parenchyms eröffneten, so kann es heut zu Tage kein Zwei-
fel mehr sein, dass das Gefässsystem überall continuirlich
durch Membranen geschlossen ist. An diesen ist es nicht
mehr möglich eine Porosität zu erkennen. Selbst die feinen
Poren, welche man in der letzten Zeit an verschiedenen Thei-
len wahrgenommen, haben bis jetzt an der Gefässhaut kein
Analogon gefunden, und wenn man von der Porosität der Ge-
fässwand spricht, so kann dies nur in physikalischem Sinne
von unsichtbaren, eigentlich molekulären Interstitien geschehen.
Eine Collodiumhaut ist nicht homogener, nicht continuirlicher,
als die Capillarhaut. Eine Reihe von Möglichkeiten, die man
früher zuliess, z. B. dass an gewissen Punkten die Continuität
der Capillarmembran nicht bestände, fallen einfach weg. Von
einer "Transsudation" oder Diapedese des Blutes durch die
Gefässhaut, ohne Ruptur derselben, kann gar nicht die Rede
sein; und obwohl wir den Nachweis der Rupturstelle nicht in
jedem einzelnen Falle liefern können, so ist es doch ganz un-
denkbar, dass das Blut mit seinen Körperchen anders, als
durch ein Loch in der Gefässwand austreten könne. Dies

Sechste Vorlesung.
grösseren Gefässe, und man denkt sich gewöhnlich, dass, je
vollständiger das Gefäss wird, um so mehr Häute sich an sei-
nem Umfange entwickeln. Das eigentliche Entwickelungsver-
hältniss dieser Theile zu einander ist jedoch keinesweges voll-
ständig sicher gestellt.

Innerhalb der eigentlich capillären Auflösung haben wir
weiter nichts Bemerkbares an den Gefässen, als die früher
schon erwähnten Kerne, welche der Längsaxe des Gefässes
entsprechen, und welche so in die Gefässwand selbst einge-
setzt sind, dass man eine zellige Abtheilung um sie herum wei-
ter nicht zu erkennen vermag. Die Gefässhaut erscheint hier
ganz gleichmässig, absolut homogen und absolut continuirlich
(Fig. 3, c.). Während man noch vor 20 Jahren darüber dis-
cutirte, ob es nicht Gefässe gäbe, welche keine eigentlichen
Wandungen hätten, und welche nur Aushöhlungen, Ausgrabungen
des Parenchyms der Organe seien, so wie darüber, ob Gefässe
dadurch entstehen könnten, dass von den alten Höhlungen aus
sich neue Bahnen durch Auseinanderdrängen des benachbarten
Parenchyms eröffneten, so kann es heut zu Tage kein Zwei-
fel mehr sein, dass das Gefässsystem überall continuirlich
durch Membranen geschlossen ist. An diesen ist es nicht
mehr möglich eine Porosität zu erkennen. Selbst die feinen
Poren, welche man in der letzten Zeit an verschiedenen Thei-
len wahrgenommen, haben bis jetzt an der Gefässhaut kein
Analogon gefunden, und wenn man von der Porosität der Ge-
fässwand spricht, so kann dies nur in physikalischem Sinne
von unsichtbaren, eigentlich molekulären Interstitien geschehen.
Eine Collodiumhaut ist nicht homogener, nicht continuirlicher,
als die Capillarhaut. Eine Reihe von Möglichkeiten, die man
früher zuliess, z. B. dass an gewissen Punkten die Continuität
der Capillarmembran nicht bestände, fallen einfach weg. Von
einer „Transsudation“ oder Diapedese des Blutes durch die
Gefässhaut, ohne Ruptur derselben, kann gar nicht die Rede
sein; und obwohl wir den Nachweis der Rupturstelle nicht in
jedem einzelnen Falle liefern können, so ist es doch ganz un-
denkbar, dass das Blut mit seinen Körperchen anders, als
durch ein Loch in der Gefässwand austreten könne. Dies

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[102/0124] Sechste Vorlesung. grösseren Gefässe, und man denkt sich gewöhnlich, dass, je vollständiger das Gefäss wird, um so mehr Häute sich an sei- nem Umfange entwickeln. Das eigentliche Entwickelungsver- hältniss dieser Theile zu einander ist jedoch keinesweges voll- ständig sicher gestellt. Innerhalb der eigentlich capillären Auflösung haben wir weiter nichts Bemerkbares an den Gefässen, als die früher schon erwähnten Kerne, welche der Längsaxe des Gefässes entsprechen, und welche so in die Gefässwand selbst einge- setzt sind, dass man eine zellige Abtheilung um sie herum wei- ter nicht zu erkennen vermag. Die Gefässhaut erscheint hier ganz gleichmässig, absolut homogen und absolut continuirlich (Fig. 3, c.). Während man noch vor 20 Jahren darüber dis- cutirte, ob es nicht Gefässe gäbe, welche keine eigentlichen Wandungen hätten, und welche nur Aushöhlungen, Ausgrabungen des Parenchyms der Organe seien, so wie darüber, ob Gefässe dadurch entstehen könnten, dass von den alten Höhlungen aus sich neue Bahnen durch Auseinanderdrängen des benachbarten Parenchyms eröffneten, so kann es heut zu Tage kein Zwei- fel mehr sein, dass das Gefässsystem überall continuirlich durch Membranen geschlossen ist. An diesen ist es nicht mehr möglich eine Porosität zu erkennen. Selbst die feinen Poren, welche man in der letzten Zeit an verschiedenen Thei- len wahrgenommen, haben bis jetzt an der Gefässhaut kein Analogon gefunden, und wenn man von der Porosität der Ge- fässwand spricht, so kann dies nur in physikalischem Sinne von unsichtbaren, eigentlich molekulären Interstitien geschehen. Eine Collodiumhaut ist nicht homogener, nicht continuirlicher, als die Capillarhaut. Eine Reihe von Möglichkeiten, die man früher zuliess, z. B. dass an gewissen Punkten die Continuität der Capillarmembran nicht bestände, fallen einfach weg. Von einer „Transsudation“ oder Diapedese des Blutes durch die Gefässhaut, ohne Ruptur derselben, kann gar nicht die Rede sein; und obwohl wir den Nachweis der Rupturstelle nicht in jedem einzelnen Falle liefern können, so ist es doch ganz un- denkbar, dass das Blut mit seinen Körperchen anders, als durch ein Loch in der Gefässwand austreten könne. Dies

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/124>, abgerufen am 23.11.2024.