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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Faserstoff der Lymphe.
directe Theilung oder irgend eine andere im Blute selbst ge-
legene Anbildung stattfinde. So lange man die Möglichkeit
als bewiesen betrachtete, dass aus einem einfachen Cytoblastem
durch eine directe Ausscheidung differenter Materien Zellen ent-
stünden, so lange konnte man auch in der Blutflüssigkeit sich
neue Niederschläge bilden lassen, aus denen Zellen hervor-
gingen. Allein auch davon ist man zurückgekommen. Alle
morphologischen Elemente des Blutes, wie sie auch beschaffen
sein mögen, leitet man gegenwärtig von Orten ab, welche
ausserhalb des Blutes liegen. Ueberall geht man zurück auf
Organe, welche mit dem Blute nicht direct, sondern vielmehr
durch Zwischenbahnen in Verbindung stehen. Die Hauptorgane,
welche in dieser Beziehung in Frage kommen, sind die Lymph-
drüsen. Die Lymphe ist die Flüssigkeit, welche, während sie
dem Blute gewisse Stoffe zuführt, die von den Geweben
kommen, zugleich die körperlichen Elemente mit sich bringt,
aus welchen die Zellen des Blutes sich fort und fort ergänzen.

In Beziehung auf zwei Bestandtheile des Blutes dürfte es
kaum zweifelhaft sein, dass diese Anschauung die vollkommen
berechtigte ist, nämlich in Beziehung auf den Faserstoff und
die farblosen Blutkörperchen. Was den Faserstoff anbetrifft,
dessen Eigenschaften ich Ihnen das letzte Mal vorführte, so
ist es eine sehr wesentliche und wichtige Thatsache, dass der
Faserstoff, welcher in der Lymphe circulirt, gewisse Verschie-
denheiten darbietet von dem Faserstoffe der Blutmasse, welche
wir zu Gesicht bekommen, wenn wir die verschiedenen Extra-
vasate oder das aus der Ader gelassene Blut betrachten. Der
Faserstoff der Lymphe hat die besondere Eigenthümlichkeit,
dass er unter den gewöhnlichen Verhältnissen innerhalb der
Lymphgefässe weder im Leben, noch nach dem Tode gerinnt,
während doch das Blut in manchen Fällen schon während des
Lebens, regelmässig aber nach dem Tode gerinnt, so dass die
Gerinnungsfähigkeit dem Blute als eine regelmässige Eigen-
schaft zugeschrieben wird. In den Lymphgefässen eines todten
Thieres oder einer menschlichen Leiche findet man keine ge-
ronnene Lymphe, dagegen tritt die Gerinnung alsbald ein, so-
bald die Lymphe mit der äusseren Luft in Contact gebracht
oder von einem erkrankten Organe her verändert wird.


Faserstoff der Lymphe.
directe Theilung oder irgend eine andere im Blute selbst ge-
legene Anbildung stattfinde. So lange man die Möglichkeit
als bewiesen betrachtete, dass aus einem einfachen Cytoblastem
durch eine directe Ausscheidung differenter Materien Zellen ent-
stünden, so lange konnte man auch in der Blutflüssigkeit sich
neue Niederschläge bilden lassen, aus denen Zellen hervor-
gingen. Allein auch davon ist man zurückgekommen. Alle
morphologischen Elemente des Blutes, wie sie auch beschaffen
sein mögen, leitet man gegenwärtig von Orten ab, welche
ausserhalb des Blutes liegen. Ueberall geht man zurück auf
Organe, welche mit dem Blute nicht direct, sondern vielmehr
durch Zwischenbahnen in Verbindung stehen. Die Hauptorgane,
welche in dieser Beziehung in Frage kommen, sind die Lymph-
drüsen. Die Lymphe ist die Flüssigkeit, welche, während sie
dem Blute gewisse Stoffe zuführt, die von den Geweben
kommen, zugleich die körperlichen Elemente mit sich bringt,
aus welchen die Zellen des Blutes sich fort und fort ergänzen.

In Beziehung auf zwei Bestandtheile des Blutes dürfte es
kaum zweifelhaft sein, dass diese Anschauung die vollkommen
berechtigte ist, nämlich in Beziehung auf den Faserstoff und
die farblosen Blutkörperchen. Was den Faserstoff anbetrifft,
dessen Eigenschaften ich Ihnen das letzte Mal vorführte, so
ist es eine sehr wesentliche und wichtige Thatsache, dass der
Faserstoff, welcher in der Lymphe circulirt, gewisse Verschie-
denheiten darbietet von dem Faserstoffe der Blutmasse, welche
wir zu Gesicht bekommen, wenn wir die verschiedenen Extra-
vasate oder das aus der Ader gelassene Blut betrachten. Der
Faserstoff der Lymphe hat die besondere Eigenthümlichkeit,
dass er unter den gewöhnlichen Verhältnissen innerhalb der
Lymphgefässe weder im Leben, noch nach dem Tode gerinnt,
während doch das Blut in manchen Fällen schon während des
Lebens, regelmässig aber nach dem Tode gerinnt, so dass die
Gerinnungsfähigkeit dem Blute als eine regelmässige Eigen-
schaft zugeschrieben wird. In den Lymphgefässen eines todten
Thieres oder einer menschlichen Leiche findet man keine ge-
ronnene Lymphe, dagegen tritt die Gerinnung alsbald ein, so-
bald die Lymphe mit der äusseren Luft in Contact gebracht
oder von einem erkrankten Organe her verändert wird.


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[143/0165] Faserstoff der Lymphe. directe Theilung oder irgend eine andere im Blute selbst ge- legene Anbildung stattfinde. So lange man die Möglichkeit als bewiesen betrachtete, dass aus einem einfachen Cytoblastem durch eine directe Ausscheidung differenter Materien Zellen ent- stünden, so lange konnte man auch in der Blutflüssigkeit sich neue Niederschläge bilden lassen, aus denen Zellen hervor- gingen. Allein auch davon ist man zurückgekommen. Alle morphologischen Elemente des Blutes, wie sie auch beschaffen sein mögen, leitet man gegenwärtig von Orten ab, welche ausserhalb des Blutes liegen. Ueberall geht man zurück auf Organe, welche mit dem Blute nicht direct, sondern vielmehr durch Zwischenbahnen in Verbindung stehen. Die Hauptorgane, welche in dieser Beziehung in Frage kommen, sind die Lymph- drüsen. Die Lymphe ist die Flüssigkeit, welche, während sie dem Blute gewisse Stoffe zuführt, die von den Geweben kommen, zugleich die körperlichen Elemente mit sich bringt, aus welchen die Zellen des Blutes sich fort und fort ergänzen. In Beziehung auf zwei Bestandtheile des Blutes dürfte es kaum zweifelhaft sein, dass diese Anschauung die vollkommen berechtigte ist, nämlich in Beziehung auf den Faserstoff und die farblosen Blutkörperchen. Was den Faserstoff anbetrifft, dessen Eigenschaften ich Ihnen das letzte Mal vorführte, so ist es eine sehr wesentliche und wichtige Thatsache, dass der Faserstoff, welcher in der Lymphe circulirt, gewisse Verschie- denheiten darbietet von dem Faserstoffe der Blutmasse, welche wir zu Gesicht bekommen, wenn wir die verschiedenen Extra- vasate oder das aus der Ader gelassene Blut betrachten. Der Faserstoff der Lymphe hat die besondere Eigenthümlichkeit, dass er unter den gewöhnlichen Verhältnissen innerhalb der Lymphgefässe weder im Leben, noch nach dem Tode gerinnt, während doch das Blut in manchen Fällen schon während des Lebens, regelmässig aber nach dem Tode gerinnt, so dass die Gerinnungsfähigkeit dem Blute als eine regelmässige Eigen- schaft zugeschrieben wird. In den Lymphgefässen eines todten Thieres oder einer menschlichen Leiche findet man keine ge- ronnene Lymphe, dagegen tritt die Gerinnung alsbald ein, so- bald die Lymphe mit der äusseren Luft in Contact gebracht oder von einem erkrankten Organe her verändert wird.

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/165>, abgerufen am 21.11.2024.