Raum des kleinen Beckens wie ausgestopft war mit Drüsen, zwischen welche Rectum und Blase nur eben hineintauchten.
Ich habe desshalb zwei Formen der Leukämie unter- schieden, nämlich die gewöhnliche lienale und die lym- phatische Form, welche sich allerdings zuweilen combi- niren. Das Unterscheidende stützt sich nicht allein darauf, dass in dem einen Falle die Lymphdrüsen, im anderen die Milz als Ausgangspunkte der Erkrankung erscheinen, sondern auch darauf, dass die Elemente, welche im Blute vorkommen, nicht vollkommen übereinstimmen. Während nämlich bei den lienalen Formen in der Regel die Elemente im Blute verhält- nissmässig grosse entwickelte Zellen mit einfachem oder mehr- fachen Kernen sind, die in manchen Fällen überwiegend viel Aehnlichkeit mit Milzzellen haben, so sieht man bei den ex- quisit-lymphatischen Formen die Zellen klein, die Kerne im Verhältniss zu den Zellen gross und einfach, in der Regel scharf begrenzt, sehr dunkel contourirt und etwas körnig, die Membran häufig so eng anliegend, dass man kaum den Zwi- schenraum constatiren kann. In vielen Fällen sieht es aus, als ob vollkommen freie Kerne im Blute enthalten wären. Hier scheint es also, dass allein die Vergrösserung der Drüsen, die mit einer wirklichen Vermehrung ihrer Elemente (Hyperplasie) einhergeht, auch eine grössere Zahl zelliger Theile der Lymphe und durch diese der Blutflüssigkeit zuführe, und dass in dem Maasse, als diese Elemente überwiegen, die Bildung der rothen Elemente Hemmungen erfährt. Das ist in Kürze die Geschichte dieser Prozesse. Die Leukämie ist demnach eine Art von dauerhafter, progressiver Leukocytose; diese dagegen in ihren einfachen Formen stellt einen vorübergehenden, an schwankende Zustände gewisser Organe geknüpften Vorgang dar.
Sie sehen also, dass sich hier mindestens drei verschiedene Zustände berühren, die Hyperinose, die Leukocytose und die Leukämie, welche in einer näheren Beziehung zu der Lymph- flüssigkeit stehen. Die eine Reihe, nämlich die durch Vermeh- rung des Fibrins ausgezeichnete, bezieht sich mehr auf die zu- fällige Beschaffenheit der Organe, von wo die Lymphflüssig- keit herkommt, während die durch Vermehrung der zelligen Elemente bedingten Zustände mehr der Beschaffenheit der
Achte Vorlesung.
Raum des kleinen Beckens wie ausgestopft war mit Drüsen, zwischen welche Rectum und Blase nur eben hineintauchten.
Ich habe desshalb zwei Formen der Leukämie unter- schieden, nämlich die gewöhnliche lienale und die lym- phatische Form, welche sich allerdings zuweilen combi- niren. Das Unterscheidende stützt sich nicht allein darauf, dass in dem einen Falle die Lymphdrüsen, im anderen die Milz als Ausgangspunkte der Erkrankung erscheinen, sondern auch darauf, dass die Elemente, welche im Blute vorkommen, nicht vollkommen übereinstimmen. Während nämlich bei den lienalen Formen in der Regel die Elemente im Blute verhält- nissmässig grosse entwickelte Zellen mit einfachem oder mehr- fachen Kernen sind, die in manchen Fällen überwiegend viel Aehnlichkeit mit Milzzellen haben, so sieht man bei den ex- quisit-lymphatischen Formen die Zellen klein, die Kerne im Verhältniss zu den Zellen gross und einfach, in der Regel scharf begrenzt, sehr dunkel contourirt und etwas körnig, die Membran häufig so eng anliegend, dass man kaum den Zwi- schenraum constatiren kann. In vielen Fällen sieht es aus, als ob vollkommen freie Kerne im Blute enthalten wären. Hier scheint es also, dass allein die Vergrösserung der Drüsen, die mit einer wirklichen Vermehrung ihrer Elemente (Hyperplasie) einhergeht, auch eine grössere Zahl zelliger Theile der Lymphe und durch diese der Blutflüssigkeit zuführe, und dass in dem Maasse, als diese Elemente überwiegen, die Bildung der rothen Elemente Hemmungen erfährt. Das ist in Kürze die Geschichte dieser Prozesse. Die Leukämie ist demnach eine Art von dauerhafter, progressiver Leukocytose; diese dagegen in ihren einfachen Formen stellt einen vorübergehenden, an schwankende Zustände gewisser Organe geknüpften Vorgang dar.
Sie sehen also, dass sich hier mindestens drei verschiedene Zustände berühren, die Hyperinose, die Leukocytose und die Leukämie, welche in einer näheren Beziehung zu der Lymph- flüssigkeit stehen. Die eine Reihe, nämlich die durch Vermeh- rung des Fibrins ausgezeichnete, bezieht sich mehr auf die zu- fällige Beschaffenheit der Organe, von wo die Lymphflüssig- keit herkommt, während die durch Vermehrung der zelligen Elemente bedingten Zustände mehr der Beschaffenheit der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0176"n="154"/><fwplace="top"type="header">Achte Vorlesung.</fw><lb/>
Raum des kleinen Beckens wie ausgestopft war mit Drüsen,<lb/>
zwischen welche Rectum und Blase nur eben hineintauchten.</p><lb/><p>Ich habe desshalb zwei Formen der Leukämie unter-<lb/>
schieden, nämlich die <hirendition="#g">gewöhnliche lienale</hi> und die <hirendition="#g">lym-<lb/>
phatische Form</hi>, welche sich allerdings zuweilen combi-<lb/>
niren. Das Unterscheidende stützt sich nicht allein darauf,<lb/>
dass in dem einen Falle die Lymphdrüsen, im anderen die<lb/>
Milz als Ausgangspunkte der Erkrankung erscheinen, sondern<lb/>
auch darauf, dass die Elemente, welche im Blute vorkommen,<lb/>
nicht vollkommen übereinstimmen. Während nämlich bei den<lb/>
lienalen Formen in der Regel die Elemente im Blute verhält-<lb/>
nissmässig grosse entwickelte Zellen mit einfachem oder mehr-<lb/>
fachen Kernen sind, die in manchen Fällen überwiegend viel<lb/>
Aehnlichkeit mit Milzzellen haben, so sieht man bei den ex-<lb/>
quisit-lymphatischen Formen die Zellen klein, die Kerne im<lb/>
Verhältniss zu den Zellen gross und einfach, in der Regel<lb/>
scharf begrenzt, sehr dunkel contourirt und etwas körnig, die<lb/>
Membran häufig so eng anliegend, dass man kaum den Zwi-<lb/>
schenraum constatiren kann. In vielen Fällen sieht es aus,<lb/>
als ob vollkommen freie Kerne im Blute enthalten wären. Hier<lb/>
scheint es also, dass allein die Vergrösserung der Drüsen, die<lb/>
mit einer wirklichen Vermehrung ihrer Elemente (Hyperplasie)<lb/>
einhergeht, auch eine grössere Zahl zelliger Theile der Lymphe<lb/>
und durch diese der Blutflüssigkeit zuführe, und dass in dem<lb/>
Maasse, als diese Elemente überwiegen, die Bildung der rothen<lb/>
Elemente Hemmungen erfährt. Das ist in Kürze die Geschichte<lb/>
dieser Prozesse. Die Leukämie ist demnach eine Art von<lb/>
dauerhafter, progressiver Leukocytose; diese dagegen in ihren<lb/>
einfachen Formen stellt einen vorübergehenden, an schwankende<lb/>
Zustände gewisser Organe geknüpften Vorgang dar.</p><lb/><p>Sie sehen also, dass sich hier mindestens drei verschiedene<lb/>
Zustände berühren, die Hyperinose, die Leukocytose und die<lb/>
Leukämie, welche in einer näheren Beziehung zu der Lymph-<lb/>
flüssigkeit stehen. Die eine Reihe, nämlich die durch Vermeh-<lb/>
rung des Fibrins ausgezeichnete, bezieht sich mehr auf die zu-<lb/>
fällige Beschaffenheit der Organe, von wo die Lymphflüssig-<lb/>
keit herkommt, während die durch Vermehrung der zelligen<lb/>
Elemente bedingten Zustände mehr der Beschaffenheit der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[154/0176]
Achte Vorlesung.
Raum des kleinen Beckens wie ausgestopft war mit Drüsen,
zwischen welche Rectum und Blase nur eben hineintauchten.
Ich habe desshalb zwei Formen der Leukämie unter-
schieden, nämlich die gewöhnliche lienale und die lym-
phatische Form, welche sich allerdings zuweilen combi-
niren. Das Unterscheidende stützt sich nicht allein darauf,
dass in dem einen Falle die Lymphdrüsen, im anderen die
Milz als Ausgangspunkte der Erkrankung erscheinen, sondern
auch darauf, dass die Elemente, welche im Blute vorkommen,
nicht vollkommen übereinstimmen. Während nämlich bei den
lienalen Formen in der Regel die Elemente im Blute verhält-
nissmässig grosse entwickelte Zellen mit einfachem oder mehr-
fachen Kernen sind, die in manchen Fällen überwiegend viel
Aehnlichkeit mit Milzzellen haben, so sieht man bei den ex-
quisit-lymphatischen Formen die Zellen klein, die Kerne im
Verhältniss zu den Zellen gross und einfach, in der Regel
scharf begrenzt, sehr dunkel contourirt und etwas körnig, die
Membran häufig so eng anliegend, dass man kaum den Zwi-
schenraum constatiren kann. In vielen Fällen sieht es aus,
als ob vollkommen freie Kerne im Blute enthalten wären. Hier
scheint es also, dass allein die Vergrösserung der Drüsen, die
mit einer wirklichen Vermehrung ihrer Elemente (Hyperplasie)
einhergeht, auch eine grössere Zahl zelliger Theile der Lymphe
und durch diese der Blutflüssigkeit zuführe, und dass in dem
Maasse, als diese Elemente überwiegen, die Bildung der rothen
Elemente Hemmungen erfährt. Das ist in Kürze die Geschichte
dieser Prozesse. Die Leukämie ist demnach eine Art von
dauerhafter, progressiver Leukocytose; diese dagegen in ihren
einfachen Formen stellt einen vorübergehenden, an schwankende
Zustände gewisser Organe geknüpften Vorgang dar.
Sie sehen also, dass sich hier mindestens drei verschiedene
Zustände berühren, die Hyperinose, die Leukocytose und die
Leukämie, welche in einer näheren Beziehung zu der Lymph-
flüssigkeit stehen. Die eine Reihe, nämlich die durch Vermeh-
rung des Fibrins ausgezeichnete, bezieht sich mehr auf die zu-
fällige Beschaffenheit der Organe, von wo die Lymphflüssig-
keit herkommt, während die durch Vermehrung der zelligen
Elemente bedingten Zustände mehr der Beschaffenheit der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/176>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.