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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Neunte Vorlesung.
braucht. Aber auch hier wird der Eiter nicht als Eiter resor-
birt, sondern er macht vorher eine fettige Metamorphose durch;
jede einzelne Zelle lässt fettige Theile in sich frei werden,
[Abbildung] Fig. 66.
zerfällt, und zuletzt bleibt nichts weiter
übrig, als fettige Körner und Zwischen-
flüssigkeit. Es ist also überhaupt keine
Zelle und kein Eiter mehr vorhanden; an
ihre Stelle ist eine emulsive Masse, eine
Art von Milch getreten, welche aus Wasser, etwas eiweissar-
tigen Stoffen und Fett besteht, und in welcher man sogar
mehrfach Zucker nachgewiesen hat, so dass dadurch eine noch
grössere Analogie mit der wirklichen Milch entsteht. Diese
pathologische Milch ist es, welche nachher zur Resorption
gelangt, also wieder kein Eiter, sondern Fett, Wasser oder
Salze.

Das sind die Vorgänge, welche man "physiologische Eiter-
Resorption" nennen kann, eine Resorption, wo Eiter als sol-
cher nicht resorbirt wird, sondern entweder nur seine flüssigen
Bestandtheile, oder die durch eine innere Umwandlung bedeu-
tend veränderte Substanz.

Es gibt nun allerdings einen Fall, wo Eiter in Substanz
das Object nicht gerade einer Resorption, aber wenigstens einer
Intravasation werden und wo dieser intravasirte Eiter in-
nerhalb der Gefässe fortbewegt werden kann, der nämlich, wo
ein Gefäss verletzt oder durchbrochen wird und durch die
Oeffnung Eiter in sein Inneres gelangt. Es kann ein Abscess
an einer Vene liegen, die Wand derselben durchbrechen, sei-
nen Inhalt in ihre Lichtung entleeren. Noch leichter geschieht
ein solcher Uebergang an Lymphgefässen, welche in offene
Abscesse münden. Es fragt sich also nur, in wieweit man
berechtigt ist, diesen Fall als einen häufigen zu setzen. Für
die Venen hat man seit Decennien diesen Gedanken ziemlich
beschränkt; von einer Resorption des Eiters in Substanz durch
die Venen ist man mehr und mehr zurückgekommen, aber von

[Abbildung] Fig. 66.

In der fettigen Rückbildung (Fettmetamorphose) begriffener
Eiter. a beginnende Metamorphose. b Fettkörnchenzellen mit noch deut-
lichen Kernen. c Körnchenkugel (Entzündungskugel). d Zerfall der Ku-
gel. e Emulsion, milchiger Detritus. Vergr. 350.

Neunte Vorlesung.
braucht. Aber auch hier wird der Eiter nicht als Eiter resor-
birt, sondern er macht vorher eine fettige Metamorphose durch;
jede einzelne Zelle lässt fettige Theile in sich frei werden,
[Abbildung] Fig. 66.
zerfällt, und zuletzt bleibt nichts weiter
übrig, als fettige Körner und Zwischen-
flüssigkeit. Es ist also überhaupt keine
Zelle und kein Eiter mehr vorhanden; an
ihre Stelle ist eine emulsive Masse, eine
Art von Milch getreten, welche aus Wasser, etwas eiweissar-
tigen Stoffen und Fett besteht, und in welcher man sogar
mehrfach Zucker nachgewiesen hat, so dass dadurch eine noch
grössere Analogie mit der wirklichen Milch entsteht. Diese
pathologische Milch ist es, welche nachher zur Resorption
gelangt, also wieder kein Eiter, sondern Fett, Wasser oder
Salze.

Das sind die Vorgänge, welche man „physiologische Eiter-
Resorption“ nennen kann, eine Resorption, wo Eiter als sol-
cher nicht resorbirt wird, sondern entweder nur seine flüssigen
Bestandtheile, oder die durch eine innere Umwandlung bedeu-
tend veränderte Substanz.

Es gibt nun allerdings einen Fall, wo Eiter in Substanz
das Object nicht gerade einer Resorption, aber wenigstens einer
Intravasation werden und wo dieser intravasirte Eiter in-
nerhalb der Gefässe fortbewegt werden kann, der nämlich, wo
ein Gefäss verletzt oder durchbrochen wird und durch die
Oeffnung Eiter in sein Inneres gelangt. Es kann ein Abscess
an einer Vene liegen, die Wand derselben durchbrechen, sei-
nen Inhalt in ihre Lichtung entleeren. Noch leichter geschieht
ein solcher Uebergang an Lymphgefässen, welche in offene
Abscesse münden. Es fragt sich also nur, in wieweit man
berechtigt ist, diesen Fall als einen häufigen zu setzen. Für
die Venen hat man seit Decennien diesen Gedanken ziemlich
beschränkt; von einer Resorption des Eiters in Substanz durch
die Venen ist man mehr und mehr zurückgekommen, aber von

[Abbildung] Fig. 66.

In der fettigen Rückbildung (Fettmetamorphose) begriffener
Eiter. a beginnende Metamorphose. b Fettkörnchenzellen mit noch deut-
lichen Kernen. c Körnchenkugel (Entzündungskugel). d Zerfall der Ku-
gel. e Emulsion, milchiger Detritus. Vergr. 350.

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[164/0186] Neunte Vorlesung. braucht. Aber auch hier wird der Eiter nicht als Eiter resor- birt, sondern er macht vorher eine fettige Metamorphose durch; jede einzelne Zelle lässt fettige Theile in sich frei werden, [Abbildung Fig. 66.] zerfällt, und zuletzt bleibt nichts weiter übrig, als fettige Körner und Zwischen- flüssigkeit. Es ist also überhaupt keine Zelle und kein Eiter mehr vorhanden; an ihre Stelle ist eine emulsive Masse, eine Art von Milch getreten, welche aus Wasser, etwas eiweissar- tigen Stoffen und Fett besteht, und in welcher man sogar mehrfach Zucker nachgewiesen hat, so dass dadurch eine noch grössere Analogie mit der wirklichen Milch entsteht. Diese pathologische Milch ist es, welche nachher zur Resorption gelangt, also wieder kein Eiter, sondern Fett, Wasser oder Salze. Das sind die Vorgänge, welche man „physiologische Eiter- Resorption“ nennen kann, eine Resorption, wo Eiter als sol- cher nicht resorbirt wird, sondern entweder nur seine flüssigen Bestandtheile, oder die durch eine innere Umwandlung bedeu- tend veränderte Substanz. Es gibt nun allerdings einen Fall, wo Eiter in Substanz das Object nicht gerade einer Resorption, aber wenigstens einer Intravasation werden und wo dieser intravasirte Eiter in- nerhalb der Gefässe fortbewegt werden kann, der nämlich, wo ein Gefäss verletzt oder durchbrochen wird und durch die Oeffnung Eiter in sein Inneres gelangt. Es kann ein Abscess an einer Vene liegen, die Wand derselben durchbrechen, sei- nen Inhalt in ihre Lichtung entleeren. Noch leichter geschieht ein solcher Uebergang an Lymphgefässen, welche in offene Abscesse münden. Es fragt sich also nur, in wieweit man berechtigt ist, diesen Fall als einen häufigen zu setzen. Für die Venen hat man seit Decennien diesen Gedanken ziemlich beschränkt; von einer Resorption des Eiters in Substanz durch die Venen ist man mehr und mehr zurückgekommen, aber von [Abbildung Fig. 66. In der fettigen Rückbildung (Fettmetamorphose) begriffener Eiter. a beginnende Metamorphose. b Fettkörnchenzellen mit noch deut- lichen Kernen. c Körnchenkugel (Entzündungskugel). d Zerfall der Ku- gel. e Emulsion, milchiger Detritus. Vergr. 350.]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/186>, abgerufen am 24.11.2024.