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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Eilfte Vorlesung.
standtheile hielte, sondern weil bis jetzt über ihre Veränderun-
gen ausserordentlich wenig bekannt ist. Die ganze Geschichte
der rothen Blutkörperchen ist immer noch von einem geheim-
nissvollen Dunkel umgeben, da eine Sicherheit über die Ab-
stammung dieser Elemente auch gegenwärtig noch nicht ge-
wonnen ist. Wir wissen nur so viel mit Bestimmtheit, wie
ich schon früher hervorhob, dass ein Theil der ursprünglichen
Elemente in dem Blute aus den embryonalen Bildungszellen
des Eies ebenso direct hervorgeht, wie alle übrigen Gewebe
sich aus denselben aufbauen. Wir wissen ferner, dass in den
ersten Monaten auch des menschlichen Embryo Theilungen der
Körperchen stattfinden, wodurch eine Vermehrung derselben im
Blute selbst hervorgebracht wird. Allein nach dieser Zeit ist
Alles dunkel, und zwar fällt dieses Dunkel ziemlich genau zu-
sammen mit der Periode, wo die Blutkörperchen im mensch-
lichen Blute aufhören, Kerne zu zeigen. Wir können nur sagen,
dass gar keine Thatsache bekannt ist, welche für eine fernere
selbständige Entwickelung oder für eine Theilung im Blute
spräche, sondern dass Alles mit Wahrscheinlichkeit auf eine
Zufuhr deutet. Die einzige Hypothese, welche in der neueren
Zeit über die selbständige Entwickelung im Blute gemacht
worden ist, war die von G. Zimmermann, welcher annahm,
dass zuerst kleine Körperchen im Blute entständen, die nach
und nach durch Intussusception wüchsen und endlich die eigent-
lichen Blutkörperchen darstellten. Freilich kommen solche
kleinen Körperchen im Blute vor (Fig. 52, h.), allein wenn man
sie genauer untersucht, zo ergibt sich eine Eigenthümlichkeit,
welche an den jungen embryonalen Formen nicht bekannt ist,
nämlich dass sie ausserordentlich resistent gegen die verschie-
densten Einwirkungen sind. An sich sehen sie schön dunkel-
roth aus, sie haben eine gesättigte, manchmal fast schwarze
Farbe; behandelt man sie mit Wasser oder Säuren, welche mit
Leichtigkeit die gewöhnlichen rothen Körper auflösen, so sieht
man, dass die kleinen Körperchen eine ungleich längere Zeit
gebrauchen, bevor sie in Lösung kommen. Setzt man zu einem
Tropfen Blut viel Wasser zu, so sieht man sie nach dem Ver-
schwinden der übrigen Blutkörperchen noch längere Zeit übrig-
bleiben. Diese Eigenthümlichkeit stimmt am besten überein

Eilfte Vorlesung.
standtheile hielte, sondern weil bis jetzt über ihre Veränderun-
gen ausserordentlich wenig bekannt ist. Die ganze Geschichte
der rothen Blutkörperchen ist immer noch von einem geheim-
nissvollen Dunkel umgeben, da eine Sicherheit über die Ab-
stammung dieser Elemente auch gegenwärtig noch nicht ge-
wonnen ist. Wir wissen nur so viel mit Bestimmtheit, wie
ich schon früher hervorhob, dass ein Theil der ursprünglichen
Elemente in dem Blute aus den embryonalen Bildungszellen
des Eies ebenso direct hervorgeht, wie alle übrigen Gewebe
sich aus denselben aufbauen. Wir wissen ferner, dass in den
ersten Monaten auch des menschlichen Embryo Theilungen der
Körperchen stattfinden, wodurch eine Vermehrung derselben im
Blute selbst hervorgebracht wird. Allein nach dieser Zeit ist
Alles dunkel, und zwar fällt dieses Dunkel ziemlich genau zu-
sammen mit der Periode, wo die Blutkörperchen im mensch-
lichen Blute aufhören, Kerne zu zeigen. Wir können nur sagen,
dass gar keine Thatsache bekannt ist, welche für eine fernere
selbständige Entwickelung oder für eine Theilung im Blute
spräche, sondern dass Alles mit Wahrscheinlichkeit auf eine
Zufuhr deutet. Die einzige Hypothese, welche in der neueren
Zeit über die selbständige Entwickelung im Blute gemacht
worden ist, war die von G. Zimmermann, welcher annahm,
dass zuerst kleine Körperchen im Blute entständen, die nach
und nach durch Intussusception wüchsen und endlich die eigent-
lichen Blutkörperchen darstellten. Freilich kommen solche
kleinen Körperchen im Blute vor (Fig. 52, h.), allein wenn man
sie genauer untersucht, zo ergibt sich eine Eigenthümlichkeit,
welche an den jungen embryonalen Formen nicht bekannt ist,
nämlich dass sie ausserordentlich resistent gegen die verschie-
densten Einwirkungen sind. An sich sehen sie schön dunkel-
roth aus, sie haben eine gesättigte, manchmal fast schwarze
Farbe; behandelt man sie mit Wasser oder Säuren, welche mit
Leichtigkeit die gewöhnlichen rothen Körper auflösen, so sieht
man, dass die kleinen Körperchen eine ungleich längere Zeit
gebrauchen, bevor sie in Lösung kommen. Setzt man zu einem
Tropfen Blut viel Wasser zu, so sieht man sie nach dem Ver-
schwinden der übrigen Blutkörperchen noch längere Zeit übrig-
bleiben. Diese Eigenthümlichkeit stimmt am besten überein

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[200/0222] Eilfte Vorlesung. standtheile hielte, sondern weil bis jetzt über ihre Veränderun- gen ausserordentlich wenig bekannt ist. Die ganze Geschichte der rothen Blutkörperchen ist immer noch von einem geheim- nissvollen Dunkel umgeben, da eine Sicherheit über die Ab- stammung dieser Elemente auch gegenwärtig noch nicht ge- wonnen ist. Wir wissen nur so viel mit Bestimmtheit, wie ich schon früher hervorhob, dass ein Theil der ursprünglichen Elemente in dem Blute aus den embryonalen Bildungszellen des Eies ebenso direct hervorgeht, wie alle übrigen Gewebe sich aus denselben aufbauen. Wir wissen ferner, dass in den ersten Monaten auch des menschlichen Embryo Theilungen der Körperchen stattfinden, wodurch eine Vermehrung derselben im Blute selbst hervorgebracht wird. Allein nach dieser Zeit ist Alles dunkel, und zwar fällt dieses Dunkel ziemlich genau zu- sammen mit der Periode, wo die Blutkörperchen im mensch- lichen Blute aufhören, Kerne zu zeigen. Wir können nur sagen, dass gar keine Thatsache bekannt ist, welche für eine fernere selbständige Entwickelung oder für eine Theilung im Blute spräche, sondern dass Alles mit Wahrscheinlichkeit auf eine Zufuhr deutet. Die einzige Hypothese, welche in der neueren Zeit über die selbständige Entwickelung im Blute gemacht worden ist, war die von G. Zimmermann, welcher annahm, dass zuerst kleine Körperchen im Blute entständen, die nach und nach durch Intussusception wüchsen und endlich die eigent- lichen Blutkörperchen darstellten. Freilich kommen solche kleinen Körperchen im Blute vor (Fig. 52, h.), allein wenn man sie genauer untersucht, zo ergibt sich eine Eigenthümlichkeit, welche an den jungen embryonalen Formen nicht bekannt ist, nämlich dass sie ausserordentlich resistent gegen die verschie- densten Einwirkungen sind. An sich sehen sie schön dunkel- roth aus, sie haben eine gesättigte, manchmal fast schwarze Farbe; behandelt man sie mit Wasser oder Säuren, welche mit Leichtigkeit die gewöhnlichen rothen Körper auflösen, so sieht man, dass die kleinen Körperchen eine ungleich längere Zeit gebrauchen, bevor sie in Lösung kommen. Setzt man zu einem Tropfen Blut viel Wasser zu, so sieht man sie nach dem Ver- schwinden der übrigen Blutkörperchen noch längere Zeit übrig- bleiben. Diese Eigenthümlichkeit stimmt am besten überein

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/222>, abgerufen am 21.11.2024.