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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Toxicaemie.
nen, so erkennen wir im Inhalte des rothen Körperchens die
eigentlich functionirende, respiratorische Substanz. Diese er-
fährt unter gewissen Verhältnissen Veränderungen, welche sie
ausser Stand setzen, ihre Function fortzuführen, eine Art von
Lähmung, wenn Sie wollen. Dass etwas der Art vorgegangen
ist, ersieht man daraus, dass das Körperchen nicht mehr im
Stande ist, Sauerstoff aufzunehmen, wie man dieses experimen-
tell unmittelbar erhärten kann. Dass es sich dabei wirklich
um molekuläre Veränderungen in der Mischung handelt, dafür
haben wir bequeme Anhaltspunkte in der Wirkung giftiger
Substanzen, welche schon in minimaler Menge das Hämatin so
verändern, dass es in eine Art von Paralyse versetzt wird.
Hierher gehört ein Theil der flüchtigen Wasserstoffverbindungen,
z. B. Arsenikwasserstoff, Cyanwasserstoff; ferner nach Hop-
pe's
Untersuchungen das Kohlenoxydgas, wo verhältnissmässig
schon kleine Mengen ausreichend sind, um die respiratorische
Fähigkeit der Körperchen zu hindern. Analoge Zustände sind
schon früherhin vielfach beobachtet worden im Verlaufe der
typhoiden Fieber, wo die Fähigkeit Sauerstoff aufzunehmen
in dem Maasse abnimmt, als die Krankheit einen schweren
acuten Verlauf gewinnt. Mikroskopisch aber sieht man gar
nichts; nur das chemische Experiment und die grobe Wahr-
nehmung vom blossen Auge zeigen hier verschiedene Eigen-
thümlichkeiten an. Man kann daher sagen, dass in diesem
Gebiete eigentlich das Wesentlichste noch zu machen ist. Wir
haben mehr Anhaltspunkte als Thatsachen.

Fassen wir nun das, was ich Ihnen über das Blut vorge-
führt habe, kurz zusammen, so ergibt sich, dass entweder ge-
wisse Substanzen auf die zelligen Elemente des Blutes schäd-
lich einwirken und eine Dyscrasie erzeugen, indem sie diesel-
ben ausser Stand setzen, ihre Function zu verrichten, oder dass
von einem bestimmten Punkte aus, sei es von aussen, sei es
von einem bestimmten Organe aus, fort und fort Massen dem
Blute zugeführt werden, welche eine veränderte Mischung des-
selben unterhalten. Nirgends in dieser ganzen Reihe finden
wir irgend einen Zustand, welcher darauf hindeutete, dass
eine dauerhafte Fortsetzung von bestimmten, einmal einge-
leiteten Veränderungen im Blute selbst bestehen könnte, dass

Toxicaemie.
nen, so erkennen wir im Inhalte des rothen Körperchens die
eigentlich functionirende, respiratorische Substanz. Diese er-
fährt unter gewissen Verhältnissen Veränderungen, welche sie
ausser Stand setzen, ihre Function fortzuführen, eine Art von
Lähmung, wenn Sie wollen. Dass etwas der Art vorgegangen
ist, ersieht man daraus, dass das Körperchen nicht mehr im
Stande ist, Sauerstoff aufzunehmen, wie man dieses experimen-
tell unmittelbar erhärten kann. Dass es sich dabei wirklich
um molekuläre Veränderungen in der Mischung handelt, dafür
haben wir bequeme Anhaltspunkte in der Wirkung giftiger
Substanzen, welche schon in minimaler Menge das Hämatin so
verändern, dass es in eine Art von Paralyse versetzt wird.
Hierher gehört ein Theil der flüchtigen Wasserstoffverbindungen,
z. B. Arsenikwasserstoff, Cyanwasserstoff; ferner nach Hop-
pe’s
Untersuchungen das Kohlenoxydgas, wo verhältnissmässig
schon kleine Mengen ausreichend sind, um die respiratorische
Fähigkeit der Körperchen zu hindern. Analoge Zustände sind
schon früherhin vielfach beobachtet worden im Verlaufe der
typhoïden Fieber, wo die Fähigkeit Sauerstoff aufzunehmen
in dem Maasse abnimmt, als die Krankheit einen schweren
acuten Verlauf gewinnt. Mikroskopisch aber sieht man gar
nichts; nur das chemische Experiment und die grobe Wahr-
nehmung vom blossen Auge zeigen hier verschiedene Eigen-
thümlichkeiten an. Man kann daher sagen, dass in diesem
Gebiete eigentlich das Wesentlichste noch zu machen ist. Wir
haben mehr Anhaltspunkte als Thatsachen.

Fassen wir nun das, was ich Ihnen über das Blut vorge-
führt habe, kurz zusammen, so ergibt sich, dass entweder ge-
wisse Substanzen auf die zelligen Elemente des Blutes schäd-
lich einwirken und eine Dyscrasie erzeugen, indem sie diesel-
ben ausser Stand setzen, ihre Function zu verrichten, oder dass
von einem bestimmten Punkte aus, sei es von aussen, sei es
von einem bestimmten Organe aus, fort und fort Massen dem
Blute zugeführt werden, welche eine veränderte Mischung des-
selben unterhalten. Nirgends in dieser ganzen Reihe finden
wir irgend einen Zustand, welcher darauf hindeutete, dass
eine dauerhafte Fortsetzung von bestimmten, einmal einge-
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[203/0225] Toxicaemie. nen, so erkennen wir im Inhalte des rothen Körperchens die eigentlich functionirende, respiratorische Substanz. Diese er- fährt unter gewissen Verhältnissen Veränderungen, welche sie ausser Stand setzen, ihre Function fortzuführen, eine Art von Lähmung, wenn Sie wollen. Dass etwas der Art vorgegangen ist, ersieht man daraus, dass das Körperchen nicht mehr im Stande ist, Sauerstoff aufzunehmen, wie man dieses experimen- tell unmittelbar erhärten kann. Dass es sich dabei wirklich um molekuläre Veränderungen in der Mischung handelt, dafür haben wir bequeme Anhaltspunkte in der Wirkung giftiger Substanzen, welche schon in minimaler Menge das Hämatin so verändern, dass es in eine Art von Paralyse versetzt wird. Hierher gehört ein Theil der flüchtigen Wasserstoffverbindungen, z. B. Arsenikwasserstoff, Cyanwasserstoff; ferner nach Hop- pe’s Untersuchungen das Kohlenoxydgas, wo verhältnissmässig schon kleine Mengen ausreichend sind, um die respiratorische Fähigkeit der Körperchen zu hindern. Analoge Zustände sind schon früherhin vielfach beobachtet worden im Verlaufe der typhoïden Fieber, wo die Fähigkeit Sauerstoff aufzunehmen in dem Maasse abnimmt, als die Krankheit einen schweren acuten Verlauf gewinnt. Mikroskopisch aber sieht man gar nichts; nur das chemische Experiment und die grobe Wahr- nehmung vom blossen Auge zeigen hier verschiedene Eigen- thümlichkeiten an. Man kann daher sagen, dass in diesem Gebiete eigentlich das Wesentlichste noch zu machen ist. Wir haben mehr Anhaltspunkte als Thatsachen. Fassen wir nun das, was ich Ihnen über das Blut vorge- führt habe, kurz zusammen, so ergibt sich, dass entweder ge- wisse Substanzen auf die zelligen Elemente des Blutes schäd- lich einwirken und eine Dyscrasie erzeugen, indem sie diesel- ben ausser Stand setzen, ihre Function zu verrichten, oder dass von einem bestimmten Punkte aus, sei es von aussen, sei es von einem bestimmten Organe aus, fort und fort Massen dem Blute zugeführt werden, welche eine veränderte Mischung des- selben unterhalten. Nirgends in dieser ganzen Reihe finden wir irgend einen Zustand, welcher darauf hindeutete, dass eine dauerhafte Fortsetzung von bestimmten, einmal einge- leiteten Veränderungen im Blute selbst bestehen könnte, dass

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/225>, abgerufen am 21.11.2024.