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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Nerventerritorien der Haut.
ses Verhältnisses da, wo es sich um Erkrankungen von ge-
fässlosen Papillen handelt, vom Standpunkte eines Humoral-
pathologen. Selbst wo innerhalb einer Gefäss-Papille die ver-
schiedenen Zellen-Territorien verschiedene Zustände erreichen,
würden diese nicht wohl begreiflich sein, wenn man den gan-
zen Ernährungsvorgang einer Papille als direct abhängig von
dem Generalzustande des Gefässes ansehen wollte, welches
sie versorgt.

Aehnliche Betrachtungen kann man freilich an allen Punk-
ten des Körpers anstellen, indess ist dies doch ein besonders
günstiges Paradigma, um daran zu erkennen, wie verkehrt es
ist, wenn man alle Gefässe unter einen particularen Nerven-
Einfluss stellt. Es gibt eine Menge von Gefässen, welche dem
Einflusse der Nerven ganz entrückt sind, und wenn wir bei der
Haut stehen bleiben, so beschränkt sich die Einwirkung, wel-
che ein Nerv auszuüben im Stande ist, darauf, dass die zu-
führende Arterie, welche eine ganze Reihe von Papillen zu-
sammen versorgt (Fig. 44), in einen Zustand der Veränderung gesetzt
wird, so dass an ihr eine Verengerung oder Erweiterung und
dem entsprechend eine verminderte oder vermehrte Zufuhr zu
einem grösseren Bezirke stattfindet. --

Kehren wir nun von dieser Zwischenbetrachtung zu unse-
rem eigentlichen Gegenstande zurück, so erinnern Sie sich,
dass ich Ihnen meine Unkenntniss schilderte von dem wirk-
lichen Endigungsmodus, welchen die Nerven an diesen Stellen
besitzen. Ob der Nerv zuletzt eine Schlinge bildet oder in
irgend einer Weise direct ausläuft in die innere Substanz der
Tastkörperchen, ist, wie ich glaube, noch nicht mit vollkomme-
ner Evidenz zu entscheiden.

Betrachten wir nun andere Beispiele der Nerven-Endigun-
gen, so zeigt sich nirgends eine Wahrscheinlichkeit für eigent-
liche Schlingenbildung. Ueberall, wo man sicherere Kenntnisse
gewonnen hat, ist vielmehr die Wahrscheinlichkeit immer grös-
ser geworden, dass die Nerven entweder übergehen in einen
grossen Plexus, in eine netzförmige Ausbreitung, oder dass
sie endigen in besonderen Apparaten, von welchen es grossen-
theils noch zweifelhaft ist, in wie weit die Nerven zuletzt in
eigenthümlichen, besonders gestalteten Ausläufern sich verlie-

Nerventerritorien der Haut.
ses Verhältnisses da, wo es sich um Erkrankungen von ge-
fässlosen Papillen handelt, vom Standpunkte eines Humoral-
pathologen. Selbst wo innerhalb einer Gefäss-Papille die ver-
schiedenen Zellen-Territorien verschiedene Zustände erreichen,
würden diese nicht wohl begreiflich sein, wenn man den gan-
zen Ernährungsvorgang einer Papille als direct abhängig von
dem Generalzustande des Gefässes ansehen wollte, welches
sie versorgt.

Aehnliche Betrachtungen kann man freilich an allen Punk-
ten des Körpers anstellen, indess ist dies doch ein besonders
günstiges Paradigma, um daran zu erkennen, wie verkehrt es
ist, wenn man alle Gefässe unter einen particularen Nerven-
Einfluss stellt. Es gibt eine Menge von Gefässen, welche dem
Einflusse der Nerven ganz entrückt sind, und wenn wir bei der
Haut stehen bleiben, so beschränkt sich die Einwirkung, wel-
che ein Nerv auszuüben im Stande ist, darauf, dass die zu-
führende Arterie, welche eine ganze Reihe von Papillen zu-
sammen versorgt (Fig. 44), in einen Zustand der Veränderung gesetzt
wird, so dass an ihr eine Verengerung oder Erweiterung und
dem entsprechend eine verminderte oder vermehrte Zufuhr zu
einem grösseren Bezirke stattfindet. —

Kehren wir nun von dieser Zwischenbetrachtung zu unse-
rem eigentlichen Gegenstande zurück, so erinnern Sie sich,
dass ich Ihnen meine Unkenntniss schilderte von dem wirk-
lichen Endigungsmodus, welchen die Nerven an diesen Stellen
besitzen. Ob der Nerv zuletzt eine Schlinge bildet oder in
irgend einer Weise direct ausläuft in die innere Substanz der
Tastkörperchen, ist, wie ich glaube, noch nicht mit vollkomme-
ner Evidenz zu entscheiden.

Betrachten wir nun andere Beispiele der Nerven-Endigun-
gen, so zeigt sich nirgends eine Wahrscheinlichkeit für eigent-
liche Schlingenbildung. Ueberall, wo man sicherere Kenntnisse
gewonnen hat, ist vielmehr die Wahrscheinlichkeit immer grös-
ser geworden, dass die Nerven entweder übergehen in einen
grossen Plexus, in eine netzförmige Ausbreitung, oder dass
sie endigen in besonderen Apparaten, von welchen es grossen-
theils noch zweifelhaft ist, in wie weit die Nerven zuletzt in
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[221/0243] Nerventerritorien der Haut. ses Verhältnisses da, wo es sich um Erkrankungen von ge- fässlosen Papillen handelt, vom Standpunkte eines Humoral- pathologen. Selbst wo innerhalb einer Gefäss-Papille die ver- schiedenen Zellen-Territorien verschiedene Zustände erreichen, würden diese nicht wohl begreiflich sein, wenn man den gan- zen Ernährungsvorgang einer Papille als direct abhängig von dem Generalzustande des Gefässes ansehen wollte, welches sie versorgt. Aehnliche Betrachtungen kann man freilich an allen Punk- ten des Körpers anstellen, indess ist dies doch ein besonders günstiges Paradigma, um daran zu erkennen, wie verkehrt es ist, wenn man alle Gefässe unter einen particularen Nerven- Einfluss stellt. Es gibt eine Menge von Gefässen, welche dem Einflusse der Nerven ganz entrückt sind, und wenn wir bei der Haut stehen bleiben, so beschränkt sich die Einwirkung, wel- che ein Nerv auszuüben im Stande ist, darauf, dass die zu- führende Arterie, welche eine ganze Reihe von Papillen zu- sammen versorgt (Fig. 44), in einen Zustand der Veränderung gesetzt wird, so dass an ihr eine Verengerung oder Erweiterung und dem entsprechend eine verminderte oder vermehrte Zufuhr zu einem grösseren Bezirke stattfindet. — Kehren wir nun von dieser Zwischenbetrachtung zu unse- rem eigentlichen Gegenstande zurück, so erinnern Sie sich, dass ich Ihnen meine Unkenntniss schilderte von dem wirk- lichen Endigungsmodus, welchen die Nerven an diesen Stellen besitzen. Ob der Nerv zuletzt eine Schlinge bildet oder in irgend einer Weise direct ausläuft in die innere Substanz der Tastkörperchen, ist, wie ich glaube, noch nicht mit vollkomme- ner Evidenz zu entscheiden. Betrachten wir nun andere Beispiele der Nerven-Endigun- gen, so zeigt sich nirgends eine Wahrscheinlichkeit für eigent- liche Schlingenbildung. Ueberall, wo man sicherere Kenntnisse gewonnen hat, ist vielmehr die Wahrscheinlichkeit immer grös- ser geworden, dass die Nerven entweder übergehen in einen grossen Plexus, in eine netzförmige Ausbreitung, oder dass sie endigen in besonderen Apparaten, von welchen es grossen- theils noch zweifelhaft ist, in wie weit die Nerven zuletzt in eigenthümlichen, besonders gestalteten Ausläufern sich verlie-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/243>, abgerufen am 24.11.2024.