die chemische Untersuchung an den zelligen Elementen meh- rere verschiedene Stoffe nachzuweisen im Stande ist.
Die Substanz, welche die äussere Membran bildet, und welche unter dem Namen der Cellulose bekannt ist, zeigt sich im All- gemeinen als stickstofflos, und gibt die eigenthümliche, sehr charakteristische, schön blaue Färbung bei Zusatz von Jod und Schwefelsäure. (Jod allein gibt keine Färbung, die Schwefelsäure für sich verkohlt.) Der Inhalt der Zellen dage- gen wird nicht blau; wenn die Zelle recht einfach ist, so tritt vielmehr durch die Einwirkung von Jod und Schwefelsäure eine bräunliche oder gelbliche Masse hervor, die sich als be- sonderer Körper im Inneren des Zellenraumes isolirt (Proto- plasma) und an der sich eine zweite, faltige, häufig geschrumpfte Haut (Primordialschlauch) erkennen lässt (Fig. 1. c.). Auch die gröbere chemische Analyse zeigt an den einfachsten Zellen gewöhnlich neben der stickstofflosen (äusseren) Sub- stanz eine stickstoffhaltige (Inhalts-) Masse, und die Pflanzen- Physiologie hatte somit ein Recht zu schliessen, dass das eigentliche Wesen einer Zelle darin beruhe, dass innerhalb einer stickstofflosen Membran ein von ihr differenter stickstoffhalti- ger Inhalt vorhanden sei.
Man wusste freilich schon seit längerer Zeit, dass noch andere Dinge sich im Innern der Zellen befinden, und es war eine der folgenreichsten Entdeckungen, als Rob. Brown den Kern (Nucleus) innerhalb der Zelle entdeckte. Aber man legte die- sem Gebilde eine grössere Bedeutung für die Bildung als für die Erhaltung der Zellen bei, weil in sehr vielen Pflanzen- zellen der Kern äusserst undeutlich wird, in vielen ganz ver- schwindet, während die Form der Zelle erhalten bleibt.
Mit solchen Erfahrungen kam man an die thierischen Ge- webe, deren Uebereinstimmung mit den pflanzlichen Schwann nachzuweisen suchte. Die eben besprochene Deutung der gewöhnlichen pflanzlichen Zellenform diente als Ausgangspunkt. Dies ist aber, wie die spätere Erfahrung gezeigt hat, in ge- wissem Sinne irrig gewesen. Man kann die pflanzliche Zelle in ihrer Totalität nicht mit jeder beliebigen thierischen zusam- menstellen. Wir kennen an thierischen Zellen keine solche Differenzen zwischen stickstoffhaltigen und stickstofflosen
Die Pflanzenzelle.
die chemische Untersuchung an den zelligen Elementen meh- rere verschiedene Stoffe nachzuweisen im Stande ist.
Die Substanz, welche die äussere Membran bildet, und welche unter dem Namen der Cellulose bekannt ist, zeigt sich im All- gemeinen als stickstofflos, und gibt die eigenthümliche, sehr charakteristische, schön blaue Färbung bei Zusatz von Jod und Schwefelsäure. (Jod allein gibt keine Färbung, die Schwefelsäure für sich verkohlt.) Der Inhalt der Zellen dage- gen wird nicht blau; wenn die Zelle recht einfach ist, so tritt vielmehr durch die Einwirkung von Jod und Schwefelsäure eine bräunliche oder gelbliche Masse hervor, die sich als be- sonderer Körper im Inneren des Zellenraumes isolirt (Proto- plasma) und an der sich eine zweite, faltige, häufig geschrumpfte Haut (Primordialschlauch) erkennen lässt (Fig. 1. c.). Auch die gröbere chemische Analyse zeigt an den einfachsten Zellen gewöhnlich neben der stickstofflosen (äusseren) Sub- stanz eine stickstoffhaltige (Inhalts-) Masse, und die Pflanzen- Physiologie hatte somit ein Recht zu schliessen, dass das eigentliche Wesen einer Zelle darin beruhe, dass innerhalb einer stickstofflosen Membran ein von ihr differenter stickstoffhalti- ger Inhalt vorhanden sei.
Man wusste freilich schon seit längerer Zeit, dass noch andere Dinge sich im Innern der Zellen befinden, und es war eine der folgenreichsten Entdeckungen, als Rob. Brown den Kern (Nucleus) innerhalb der Zelle entdeckte. Aber man legte die- sem Gebilde eine grössere Bedeutung für die Bildung als für die Erhaltung der Zellen bei, weil in sehr vielen Pflanzen- zellen der Kern äusserst undeutlich wird, in vielen ganz ver- schwindet, während die Form der Zelle erhalten bleibt.
Mit solchen Erfahrungen kam man an die thierischen Ge- webe, deren Uebereinstimmung mit den pflanzlichen Schwann nachzuweisen suchte. Die eben besprochene Deutung der gewöhnlichen pflanzlichen Zellenform diente als Ausgangspunkt. Dies ist aber, wie die spätere Erfahrung gezeigt hat, in ge- wissem Sinne irrig gewesen. Man kann die pflanzliche Zelle in ihrer Totalität nicht mit jeder beliebigen thierischen zusam- menstellen. Wir kennen an thierischen Zellen keine solche Differenzen zwischen stickstoffhaltigen und stickstofflosen
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[5/0027]
Die Pflanzenzelle.
die chemische Untersuchung an den zelligen Elementen meh-
rere verschiedene Stoffe nachzuweisen im Stande ist.
Die Substanz, welche die äussere Membran bildet, und welche
unter dem Namen der Cellulose bekannt ist, zeigt sich im All-
gemeinen als stickstofflos, und gibt die eigenthümliche, sehr
charakteristische, schön blaue Färbung bei Zusatz von Jod
und Schwefelsäure. (Jod allein gibt keine Färbung, die
Schwefelsäure für sich verkohlt.) Der Inhalt der Zellen dage-
gen wird nicht blau; wenn die Zelle recht einfach ist, so tritt
vielmehr durch die Einwirkung von Jod und Schwefelsäure
eine bräunliche oder gelbliche Masse hervor, die sich als be-
sonderer Körper im Inneren des Zellenraumes isolirt (Proto-
plasma) und an der sich eine zweite, faltige, häufig geschrumpfte
Haut (Primordialschlauch) erkennen lässt (Fig. 1. c.).
Auch die gröbere chemische Analyse zeigt an den einfachsten
Zellen gewöhnlich neben der stickstofflosen (äusseren) Sub-
stanz eine stickstoffhaltige (Inhalts-) Masse, und die Pflanzen-
Physiologie hatte somit ein Recht zu schliessen, dass das
eigentliche Wesen einer Zelle darin beruhe, dass innerhalb einer
stickstofflosen Membran ein von ihr differenter stickstoffhalti-
ger Inhalt vorhanden sei.
Man wusste freilich schon seit längerer Zeit, dass noch andere
Dinge sich im Innern der Zellen befinden, und es war eine
der folgenreichsten Entdeckungen, als Rob. Brown den Kern
(Nucleus) innerhalb der Zelle entdeckte. Aber man legte die-
sem Gebilde eine grössere Bedeutung für die Bildung als für
die Erhaltung der Zellen bei, weil in sehr vielen Pflanzen-
zellen der Kern äusserst undeutlich wird, in vielen ganz ver-
schwindet, während die Form der Zelle erhalten bleibt.
Mit solchen Erfahrungen kam man an die thierischen Ge-
webe, deren Uebereinstimmung mit den pflanzlichen Schwann
nachzuweisen suchte. Die eben besprochene Deutung der
gewöhnlichen pflanzlichen Zellenform diente als Ausgangspunkt.
Dies ist aber, wie die spätere Erfahrung gezeigt hat, in ge-
wissem Sinne irrig gewesen. Man kann die pflanzliche Zelle
in ihrer Totalität nicht mit jeder beliebigen thierischen zusam-
menstellen. Wir kennen an thierischen Zellen keine solche
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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