Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.Vierzehnte Vorlesung. einer erkennbaren Weise geleitet werden. Schon nach den all-gemeinen Erfahrungen, die einem Jeden fast von selbst zu- fliessen, ist dies die einzige Deutung, welche zugleich ein Le- ben der einzelnen Theile und ein Leben der Pflanze zulässt und welche uns in den Stand setzt, eine Vergleichung anzu- stellen sowohl zwischen dem Gesammtleben des entwickelten Thieres und dem Einzelleben seiner kleinsten Theile, als auch zwischen dem Ganzen des Pflanzenlebens und dem Leben der einzelnen Pflanzentheile. Die entgegenstehende Auffassung, welche gerade in diesem Man hat allerdings gut reden, dass das Nervensystem die Vierzehnte Vorlesung. einer erkennbaren Weise geleitet werden. Schon nach den all-gemeinen Erfahrungen, die einem Jeden fast von selbst zu- fliessen, ist dies die einzige Deutung, welche zugleich ein Le- ben der einzelnen Theile und ein Leben der Pflanze zulässt und welche uns in den Stand setzt, eine Vergleichung anzu- stellen sowohl zwischen dem Gesammtleben des entwickelten Thieres und dem Einzelleben seiner kleinsten Theile, als auch zwischen dem Ganzen des Pflanzenlebens und dem Leben der einzelnen Pflanzentheile. Die entgegenstehende Auffassung, welche gerade in diesem Man hat allerdings gut reden, dass das Nervensystem die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0278" n="256"/><fw place="top" type="header">Vierzehnte Vorlesung.</fw><lb/> einer erkennbaren Weise geleitet werden. Schon nach den all-<lb/> gemeinen Erfahrungen, die einem Jeden fast von selbst zu-<lb/> fliessen, ist dies die einzige Deutung, welche zugleich ein Le-<lb/> ben der einzelnen Theile und ein Leben der Pflanze zulässt<lb/> und welche uns in den Stand setzt, eine Vergleichung anzu-<lb/> stellen sowohl zwischen dem Gesammtleben des entwickelten<lb/> Thieres und dem Einzelleben seiner kleinsten Theile, als auch<lb/> zwischen dem Ganzen des Pflanzenlebens und dem Leben der<lb/> einzelnen Pflanzentheile.</p><lb/> <p>Die entgegenstehende Auffassung, welche gerade in diesem<lb/> Augenblicke mit einer gewissen Energie hervortritt, diejenige,<lb/> welche im Nervensystem den eigentlichen Mittelpunkt des Le-<lb/> bens sieht, hat die überaus grosse Schwierigkeit vor sich, dass<lb/> sie in demselben Apparate, in welchen sie die Einheit verlegt,<lb/> dieselbe Zerspaltung in viele einzelne Centren wiederfindet,<lb/> welche der übrige Körper darbietet, und dass sie nirgends im<lb/> Nervensysteme einen wirklichen Mittelpunkt zeigen kann, von<lb/> welchem, wie von einem bestimmenden, alle Theile beherrscht<lb/> würden.</p><lb/> <p>Man hat allerdings gut reden, dass das Nervensystem die<lb/> eigentliche Einheit des Körpers darstelle, insofern allerdings<lb/> kein anderes System vorhanden ist, welches einer so vollkom-<lb/> menen Verbreitung durch die verschiedensten peripherischen<lb/> und inneren Organe sich erfreute. Allein selbst diese weite Verbrei-<lb/> tung und die vielfachen Verbindungen, die zwischen den ein-<lb/> zelnen Theilen des Nervenapparates bestehen, sind keinesweges<lb/> geeignet, um dieses als Centrum aller organischen Thätigkeiten<lb/> erscheinen zu lassen. Wir haben im Nervenapparate bestimmte<lb/> kleine zellige Organe gefunden, welche als die Mittelpunkte der<lb/> Bewegung dienen, aber wir finden nicht ein Ganglion, von<lb/> welchem alle Bewegung in letzter Instanz ausginge, sondern<lb/> unzählige solcher Ganglien. Die verschiedensten einzelnen mo-<lb/> torischen Apparate stehen auch mit den verschiedensten einzel-<lb/> nen motorischen Ganglien in Beziehung. — Allerdings sammeln<lb/> sich die Empfindungen an bestimmten Ganglien, allein auch<lb/> hier finden wir kein Ganglion, welches etwa als Centrum aller<lb/> Empfindung bezeichnet werden könnte, sondern wieder sehr<lb/> viele kleinste Centren. Alle Thätigkeiten, welche vom Nerven-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [256/0278]
Vierzehnte Vorlesung.
einer erkennbaren Weise geleitet werden. Schon nach den all-
gemeinen Erfahrungen, die einem Jeden fast von selbst zu-
fliessen, ist dies die einzige Deutung, welche zugleich ein Le-
ben der einzelnen Theile und ein Leben der Pflanze zulässt
und welche uns in den Stand setzt, eine Vergleichung anzu-
stellen sowohl zwischen dem Gesammtleben des entwickelten
Thieres und dem Einzelleben seiner kleinsten Theile, als auch
zwischen dem Ganzen des Pflanzenlebens und dem Leben der
einzelnen Pflanzentheile.
Die entgegenstehende Auffassung, welche gerade in diesem
Augenblicke mit einer gewissen Energie hervortritt, diejenige,
welche im Nervensystem den eigentlichen Mittelpunkt des Le-
bens sieht, hat die überaus grosse Schwierigkeit vor sich, dass
sie in demselben Apparate, in welchen sie die Einheit verlegt,
dieselbe Zerspaltung in viele einzelne Centren wiederfindet,
welche der übrige Körper darbietet, und dass sie nirgends im
Nervensysteme einen wirklichen Mittelpunkt zeigen kann, von
welchem, wie von einem bestimmenden, alle Theile beherrscht
würden.
Man hat allerdings gut reden, dass das Nervensystem die
eigentliche Einheit des Körpers darstelle, insofern allerdings
kein anderes System vorhanden ist, welches einer so vollkom-
menen Verbreitung durch die verschiedensten peripherischen
und inneren Organe sich erfreute. Allein selbst diese weite Verbrei-
tung und die vielfachen Verbindungen, die zwischen den ein-
zelnen Theilen des Nervenapparates bestehen, sind keinesweges
geeignet, um dieses als Centrum aller organischen Thätigkeiten
erscheinen zu lassen. Wir haben im Nervenapparate bestimmte
kleine zellige Organe gefunden, welche als die Mittelpunkte der
Bewegung dienen, aber wir finden nicht ein Ganglion, von
welchem alle Bewegung in letzter Instanz ausginge, sondern
unzählige solcher Ganglien. Die verschiedensten einzelnen mo-
torischen Apparate stehen auch mit den verschiedensten einzel-
nen motorischen Ganglien in Beziehung. — Allerdings sammeln
sich die Empfindungen an bestimmten Ganglien, allein auch
hier finden wir kein Ganglion, welches etwa als Centrum aller
Empfindung bezeichnet werden könnte, sondern wieder sehr
viele kleinste Centren. Alle Thätigkeiten, welche vom Nerven-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |