Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.Neunzehnte Vorlesung. sind von den präexistirenden. Ich hatte Ihnen das vorige Maleine Vagina mit sehr ausgesprochenem Fluor albus mitgebracht. Sie werden da gesehen haben, dass die Zellen des Fluor albus den Zellen des Epithels sehr nahe stehen, obgleich sie nicht mehr die typische Gestalt des Epithels bewahren. Je weniger sie sich aber zu den typischen Formen des Epithels entwickeln, um so mehr werden sie functionsunfähig. Sie sind beweglich auf einer Oberfläche, wo sie eigentlich festhaften sollten, sie fliessen herunter und erzeugen Resultate, welche mit der In- tegrität der Theile unverträglich sind. Im engeren Sinne des Wortes destruirend sind allerdings Es scheint mir wesentlich, Ihnen ein bestimmtes Beispiel Neunzehnte Vorlesung. sind von den präexistirenden. Ich hatte Ihnen das vorige Maleine Vagina mit sehr ausgesprochenem Fluor albus mitgebracht. Sie werden da gesehen haben, dass die Zellen des Fluor albus den Zellen des Epithels sehr nahe stehen, obgleich sie nicht mehr die typische Gestalt des Epithels bewahren. Je weniger sie sich aber zu den typischen Formen des Epithels entwickeln, um so mehr werden sie functionsunfähig. Sie sind beweglich auf einer Oberfläche, wo sie eigentlich festhaften sollten, sie fliessen herunter und erzeugen Resultate, welche mit der In- tegrität der Theile unverträglich sind. Im engeren Sinne des Wortes destruirend sind allerdings Es scheint mir wesentlich, Ihnen ein bestimmtes Beispiel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0416" n="394"/><fw place="top" type="header">Neunzehnte Vorlesung.</fw><lb/> sind von den präexistirenden. Ich hatte Ihnen das vorige Mal<lb/> eine Vagina mit sehr ausgesprochenem Fluor albus mitgebracht.<lb/> Sie werden da gesehen haben, dass die Zellen des Fluor albus<lb/> den Zellen des Epithels sehr nahe stehen, obgleich sie nicht<lb/> mehr die typische Gestalt des Epithels bewahren. Je weniger<lb/> sie sich aber zu den typischen Formen des Epithels entwickeln,<lb/> um so mehr werden sie functionsunfähig. Sie sind beweglich<lb/> auf einer Oberfläche, wo sie eigentlich festhaften sollten, sie<lb/> fliessen herunter und erzeugen Resultate, welche mit der In-<lb/> tegrität der Theile unverträglich sind.</p><lb/> <p>Im engeren Sinne des Wortes destruirend sind allerdings<lb/> nur heterologe Neubildungen. Die homologen können per<lb/> accidens sehr nachtheilig werden, aber sie haben doch nicht<lb/> den eigentlichen, im groben und traditionellen Sinne destruiren-<lb/> den oder, wenn Sie wollen, malignen Character. Dagegen<lb/> haftet jeder Form von Heterologie, sobald sie sich nicht auf die<lb/> alleroberflächlichsten Theile bezieht, eine gewisse Malignität<lb/> an. Selbst die oberflächlichen Affectionen, auch wenn sie sich<lb/> nur auf die äusserste Epithelial-Lage beschränken, können<lb/> allmälig einen sehr nachtheiligen Einfluss ausüben. Man denke<lb/> nur an den Fall, dass eine grosse Schleimhautfläche immer-<lb/> fort secernirt, dass auf ihr fortwährend heterologe Produkte<lb/> erzeugt werden, die nicht zu bleibendem Epithel werden, son-<lb/> dern immerfort von der Schleimhaut herunter fliessen. Die<lb/> Erosion verbindet sich hier mit der Blennorrhoe, der Anämie,<lb/> der Neuralgie u. s. f.</p><lb/> <p>Es scheint mir wesentlich, Ihnen ein bestimmtes Beispiel<lb/> vorzuführen über den Modus der gröberen Destruction, wie<lb/> sie das Motiv für Ulceration und Höhlenbildung im Innern der<lb/> Theile wird. Es sieht freilich wie ein Widerspruch aus, dass<lb/> ein Prozess, der neue Elemente hervorbringt, zerstöre, allein<lb/> dieser Widerspruch ist doch eben nur ein oberflächlicher.<lb/> Wenn Sie sich denken, dass in einem Theile, der vorher fest<lb/> war, ein Gewebe neu gebildet wird, welches beweglich, in<lb/> seinen einzelnen Theilen verschiebbar ist, so wird das natür-<lb/> lich immer eine wesentliche Aenderung in der Brauchbarkeit<lb/> des Theiles mit sich bringen. Die einfache Umwandlung des<lb/> Knochens in Markgewebe (S. 368) kann die Ursache werden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [394/0416]
Neunzehnte Vorlesung.
sind von den präexistirenden. Ich hatte Ihnen das vorige Mal
eine Vagina mit sehr ausgesprochenem Fluor albus mitgebracht.
Sie werden da gesehen haben, dass die Zellen des Fluor albus
den Zellen des Epithels sehr nahe stehen, obgleich sie nicht
mehr die typische Gestalt des Epithels bewahren. Je weniger
sie sich aber zu den typischen Formen des Epithels entwickeln,
um so mehr werden sie functionsunfähig. Sie sind beweglich
auf einer Oberfläche, wo sie eigentlich festhaften sollten, sie
fliessen herunter und erzeugen Resultate, welche mit der In-
tegrität der Theile unverträglich sind.
Im engeren Sinne des Wortes destruirend sind allerdings
nur heterologe Neubildungen. Die homologen können per
accidens sehr nachtheilig werden, aber sie haben doch nicht
den eigentlichen, im groben und traditionellen Sinne destruiren-
den oder, wenn Sie wollen, malignen Character. Dagegen
haftet jeder Form von Heterologie, sobald sie sich nicht auf die
alleroberflächlichsten Theile bezieht, eine gewisse Malignität
an. Selbst die oberflächlichen Affectionen, auch wenn sie sich
nur auf die äusserste Epithelial-Lage beschränken, können
allmälig einen sehr nachtheiligen Einfluss ausüben. Man denke
nur an den Fall, dass eine grosse Schleimhautfläche immer-
fort secernirt, dass auf ihr fortwährend heterologe Produkte
erzeugt werden, die nicht zu bleibendem Epithel werden, son-
dern immerfort von der Schleimhaut herunter fliessen. Die
Erosion verbindet sich hier mit der Blennorrhoe, der Anämie,
der Neuralgie u. s. f.
Es scheint mir wesentlich, Ihnen ein bestimmtes Beispiel
vorzuführen über den Modus der gröberen Destruction, wie
sie das Motiv für Ulceration und Höhlenbildung im Innern der
Theile wird. Es sieht freilich wie ein Widerspruch aus, dass
ein Prozess, der neue Elemente hervorbringt, zerstöre, allein
dieser Widerspruch ist doch eben nur ein oberflächlicher.
Wenn Sie sich denken, dass in einem Theile, der vorher fest
war, ein Gewebe neu gebildet wird, welches beweglich, in
seinen einzelnen Theilen verschiebbar ist, so wird das natür-
lich immer eine wesentliche Aenderung in der Brauchbarkeit
des Theiles mit sich bringen. Die einfache Umwandlung des
Knochens in Markgewebe (S. 368) kann die Ursache werden
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