Zeit weiss man ja, dass die Lymphdrüsen besonders dazu disponiren, eine käsige Veränderung einzugehen. Schon die Alten haben davon gesprochen, dass eine lymphatische Con- stitution zu Prozessen dieser Art disponire.
Wenn wir den Eiter betrachten, so brauche ich Sie nur daran zu erinnern, dass wir uns mehrere Stunden damit be- schäftigt haben, die Frage von der Trennbarkeit der Pyämie von der Leukocytose zu discutiren, dass wir in den farblosen Blutkörperchen den Eiterkörperchen so vollständig analoge Bildungen erkannt haben, dass die Einen geglaubt haben, wenn sie farblose Blutkörperchen hatten, Eiter zu sehen, während Addison und Zimmermann vielmehr da, wo sie Eiter sahen, farblose Blutkörperchen zu finden meinten. Beide haben den gleichen Typus der Bildung. Man kann daher sagen, dass der Eiter eine hämatoide Form habe, ja man kann den alten Satz aufwärmen, dass der Eiter das Blut der Patho- logie sei. Will man aber einen Unterschied suchen, will man in den einzelnen Fällen sagen, was Eiter und was Blutkör- perchen sei, so hat man kein anderes Kriterium, als zu ent- scheiden, ob die Zelle an dem natürlichen Orte des farblosen Blutkörperchens entstanden ist, oder an einem anderen Orte, wo sie nicht zu entstehen hat.
So haben wir ferner innerhalb der pathologischen Neu- bildungen eine grosse Kategorie, deren natürliches Paradigma das Epithel ist, wenn Sie wollen, Epitheliome. Allein der Ausdruck des Epitheliom's, welcher von Hannover in der neueren Zeit eingeführt worden ist, ist deshalb für die be- sondere Art von Geschwulst, welche man damit bezeichnen wollte, vollständig unzulässig, weil nicht etwa das Epitheliom die einzige Geschwulst ist, deren Elemente den epithelialen Habitus an sich tragen. Man kann das Epitheliom von an- dern Geschwülsten nicht dadurch unterscheiden, dass seine Elemente den Habitus von Epithel hätten und andere nicht. Die Geschwulst, welche Müller Cholesteatom, Cruveilhier Tumeur perlee genannt hat, was ich durch Perlgeschwulst über- setzt habe, diese Geschwulst hat genau denselben epithet lialen Bau, wie das, was Hannover ein Epitheliom genann- hat, ja das gewöhnliche Epitheliom erzeugt in sich sehr ge-
Epitheliom.
Zeit weiss man ja, dass die Lymphdrüsen besonders dazu disponiren, eine käsige Veränderung einzugehen. Schon die Alten haben davon gesprochen, dass eine lymphatische Con- stitution zu Prozessen dieser Art disponire.
Wenn wir den Eiter betrachten, so brauche ich Sie nur daran zu erinnern, dass wir uns mehrere Stunden damit be- schäftigt haben, die Frage von der Trennbarkeit der Pyämie von der Leukocytose zu discutiren, dass wir in den farblosen Blutkörperchen den Eiterkörperchen so vollständig analoge Bildungen erkannt haben, dass die Einen geglaubt haben, wenn sie farblose Blutkörperchen hatten, Eiter zu sehen, während Addison und Zimmermann vielmehr da, wo sie Eiter sahen, farblose Blutkörperchen zu finden meinten. Beide haben den gleichen Typus der Bildung. Man kann daher sagen, dass der Eiter eine hämatoide Form habe, ja man kann den alten Satz aufwärmen, dass der Eiter das Blut der Patho- logie sei. Will man aber einen Unterschied suchen, will man in den einzelnen Fällen sagen, was Eiter und was Blutkör- perchen sei, so hat man kein anderes Kriterium, als zu ent- scheiden, ob die Zelle an dem natürlichen Orte des farblosen Blutkörperchens entstanden ist, oder an einem anderen Orte, wo sie nicht zu entstehen hat.
So haben wir ferner innerhalb der pathologischen Neu- bildungen eine grosse Kategorie, deren natürliches Paradigma das Epithel ist, wenn Sie wollen, Epitheliome. Allein der Ausdruck des Epitheliom’s, welcher von Hannover in der neueren Zeit eingeführt worden ist, ist deshalb für die be- sondere Art von Geschwulst, welche man damit bezeichnen wollte, vollständig unzulässig, weil nicht etwa das Epitheliom die einzige Geschwulst ist, deren Elemente den epithelialen Habitus an sich tragen. Man kann das Epitheliom von an- dern Geschwülsten nicht dadurch unterscheiden, dass seine Elemente den Habitus von Epithel hätten und andere nicht. Die Geschwulst, welche Müller Cholesteatom, Cruveilhier Tumeur perlée genannt hat, was ich durch Perlgeschwulst über- setzt habe, diese Geschwulst hat genau denselben epithet lialen Bau, wie das, was Hannover ein Epitheliom genann- hat, ja das gewöhnliche Epitheliom erzeugt in sich sehr ge-
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Epitheliom.
Zeit weiss man ja, dass die Lymphdrüsen besonders dazu
disponiren, eine käsige Veränderung einzugehen. Schon die
Alten haben davon gesprochen, dass eine lymphatische Con-
stitution zu Prozessen dieser Art disponire.
Wenn wir den Eiter betrachten, so brauche ich Sie nur
daran zu erinnern, dass wir uns mehrere Stunden damit be-
schäftigt haben, die Frage von der Trennbarkeit der Pyämie
von der Leukocytose zu discutiren, dass wir in den farblosen
Blutkörperchen den Eiterkörperchen so vollständig analoge
Bildungen erkannt haben, dass die Einen geglaubt haben, wenn
sie farblose Blutkörperchen hatten, Eiter zu sehen, während
Addison und Zimmermann vielmehr da, wo sie Eiter
sahen, farblose Blutkörperchen zu finden meinten. Beide haben
den gleichen Typus der Bildung. Man kann daher sagen,
dass der Eiter eine hämatoide Form habe, ja man kann
den alten Satz aufwärmen, dass der Eiter das Blut der Patho-
logie sei. Will man aber einen Unterschied suchen, will man
in den einzelnen Fällen sagen, was Eiter und was Blutkör-
perchen sei, so hat man kein anderes Kriterium, als zu ent-
scheiden, ob die Zelle an dem natürlichen Orte des farblosen
Blutkörperchens entstanden ist, oder an einem anderen Orte,
wo sie nicht zu entstehen hat.
So haben wir ferner innerhalb der pathologischen Neu-
bildungen eine grosse Kategorie, deren natürliches Paradigma
das Epithel ist, wenn Sie wollen, Epitheliome. Allein der
Ausdruck des Epitheliom’s, welcher von Hannover in der
neueren Zeit eingeführt worden ist, ist deshalb für die be-
sondere Art von Geschwulst, welche man damit bezeichnen
wollte, vollständig unzulässig, weil nicht etwa das Epitheliom
die einzige Geschwulst ist, deren Elemente den epithelialen
Habitus an sich tragen. Man kann das Epitheliom von an-
dern Geschwülsten nicht dadurch unterscheiden, dass seine
Elemente den Habitus von Epithel hätten und andere nicht.
Die Geschwulst, welche Müller Cholesteatom, Cruveilhier
Tumeur perlée genannt hat, was ich durch Perlgeschwulst über-
setzt habe, diese Geschwulst hat genau denselben epithet
lialen Bau, wie das, was Hannover ein Epitheliom genann-
hat, ja das gewöhnliche Epitheliom erzeugt in sich sehr ge-
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/449>, abgerufen am 28.11.2024.
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