Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.Dritte Vorlesung. setzung discutirt wird, um äusserst schwierige Verhält-nisse, und ich für meine Person muss bekennen, dass, so sehr ich geneigt bin, die eigentlich einzellige Natur dieser Elemente zuzugeben, ich doch die sonderbaren Erscheinun- gen im Innern der Primitivbündel zu gut kenne, als dass ich nicht zugestehen müsste, dass eine andere Ansicht statuirt werden könne. Vor der Hand wird man aber das festhalten müssen, dass wir es mit einem Gebilde zu thun haben, an welchem eine membranöse äussere Hülle und ein Inhalt zu unterscheiden ist. An letzterem lässt Essigsäure Kerne hervortreten, und an ihm kann man im natürlichen Zustande die eigenthümliche Quer- und Längs- streifung erkennen. In Beziehung auf letztere Erscheinun- gen ist noch zu bemerken, dass die Querstreifung durch- aus eine innere und nicht eine äussere ist. Die Mem- bran ist an sich vollkommen glatt und eben; die Querstrei- fung dem Inhalt angehört, welcher im Grossen als rothe Masse hervortritt. Diese innere Masse ist es nun, an der unzweifelhaft Dritte Vorlesung. setzung discutirt wird, um äusserst schwierige Verhält-nisse, und ich für meine Person muss bekennen, dass, so sehr ich geneigt bin, die eigentlich einzellige Natur dieser Elemente zuzugeben, ich doch die sonderbaren Erscheinun- gen im Innern der Primitivbündel zu gut kenne, als dass ich nicht zugestehen müsste, dass eine andere Ansicht statuirt werden könne. Vor der Hand wird man aber das festhalten müssen, dass wir es mit einem Gebilde zu thun haben, an welchem eine membranöse äussere Hülle und ein Inhalt zu unterscheiden ist. An letzterem lässt Essigsäure Kerne hervortreten, und an ihm kann man im natürlichen Zustande die eigenthümliche Quer- und Längs- streifung erkennen. In Beziehung auf letztere Erscheinun- gen ist noch zu bemerken, dass die Querstreifung durch- aus eine innere und nicht eine äussere ist. Die Mem- bran ist an sich vollkommen glatt und eben; die Querstrei- fung dem Inhalt angehört, welcher im Grossen als rothe Masse hervortritt. Diese innere Masse ist es nun, an der unzweifelhaft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="48"/><fw place="top" type="header">Dritte Vorlesung.</fw><lb/> setzung discutirt wird, um äusserst schwierige Verhält-<lb/> nisse, und ich für meine Person muss bekennen, dass, so<lb/> sehr ich geneigt bin, die eigentlich einzellige Natur dieser<lb/> Elemente zuzugeben, ich doch die sonderbaren Erscheinun-<lb/> gen im Innern der Primitivbündel zu gut kenne, als dass<lb/> ich nicht zugestehen müsste, dass eine andere Ansicht<lb/> statuirt werden könne. Vor der Hand wird man aber<lb/> das festhalten müssen, dass wir es mit einem Gebilde zu<lb/> thun haben, an welchem eine membranöse äussere Hülle<lb/> und ein Inhalt zu unterscheiden ist. An letzterem lässt<lb/> Essigsäure Kerne hervortreten, und an ihm kann man im<lb/> natürlichen Zustande die eigenthümliche Quer- und Längs-<lb/> streifung erkennen. In Beziehung auf letztere Erscheinun-<lb/> gen ist noch zu bemerken, dass die Querstreifung durch-<lb/> aus eine innere und nicht eine äussere ist. Die Mem-<lb/> bran ist an sich vollkommen glatt und eben; die Querstrei-<lb/> fung dem Inhalt angehört, welcher im Grossen als rothe<lb/> Masse hervortritt.</p><lb/> <p>Diese innere Masse ist es nun, an der unzweifelhaft<lb/> die Eigenschaft der Contractilität haftet, und die je nach dem<lb/> Zustande der Contractilität selbst in ihren Erscheinungen<lb/> variirt, indem sie während der Contraction breiter wird, wäh-<lb/> rend die Zwischenräume zwischen den einzelnen Querbändern<lb/> etwas schmäler werden, so dass also eine Umordnung der<lb/> kleinsten Bestandtheile Statt findet, und zwar, wie es nach<lb/> den Untersuchungen von <hi rendition="#g">Brücke</hi> wahrscheinlich ist, nicht<lb/> der physikalischen Molecüle, sondern der noch sichtbaren anato-<lb/> mischen Bestandtheile. <hi rendition="#g">Brücke</hi> hat nämlich, indem er den Muskel<lb/> im polarisirten Lichte untersuchte, verschiedene optische Ei-<lb/> genschaften der einzelnen Substanzlagen gefunden, derer,<lb/> welche die Querstreifen und derer, welche die Zwischen-<lb/> masse darstellen. Bei gewissen Methoden der Präparation er-<lb/> scheint jedes Muskel-Primitivbündel aus Platten oder Scheiben<lb/> von verschiedener Natur (<hi rendition="#g">Bowman’s</hi> sarcous elements) zusam-<lb/> mengeschichtet, diese ihrerseits aber wieder aus lauter kleinen<lb/> Körnchen zusammengesetzt In Wirklichkeit besteht jedoch<lb/> der Inhalt des Primitivbündels aus einer gewissen Menge<lb/> feiner Längsfibrillen, von denen jede, entsprechend der Lage<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0070]
Dritte Vorlesung.
setzung discutirt wird, um äusserst schwierige Verhält-
nisse, und ich für meine Person muss bekennen, dass, so
sehr ich geneigt bin, die eigentlich einzellige Natur dieser
Elemente zuzugeben, ich doch die sonderbaren Erscheinun-
gen im Innern der Primitivbündel zu gut kenne, als dass
ich nicht zugestehen müsste, dass eine andere Ansicht
statuirt werden könne. Vor der Hand wird man aber
das festhalten müssen, dass wir es mit einem Gebilde zu
thun haben, an welchem eine membranöse äussere Hülle
und ein Inhalt zu unterscheiden ist. An letzterem lässt
Essigsäure Kerne hervortreten, und an ihm kann man im
natürlichen Zustande die eigenthümliche Quer- und Längs-
streifung erkennen. In Beziehung auf letztere Erscheinun-
gen ist noch zu bemerken, dass die Querstreifung durch-
aus eine innere und nicht eine äussere ist. Die Mem-
bran ist an sich vollkommen glatt und eben; die Querstrei-
fung dem Inhalt angehört, welcher im Grossen als rothe
Masse hervortritt.
Diese innere Masse ist es nun, an der unzweifelhaft
die Eigenschaft der Contractilität haftet, und die je nach dem
Zustande der Contractilität selbst in ihren Erscheinungen
variirt, indem sie während der Contraction breiter wird, wäh-
rend die Zwischenräume zwischen den einzelnen Querbändern
etwas schmäler werden, so dass also eine Umordnung der
kleinsten Bestandtheile Statt findet, und zwar, wie es nach
den Untersuchungen von Brücke wahrscheinlich ist, nicht
der physikalischen Molecüle, sondern der noch sichtbaren anato-
mischen Bestandtheile. Brücke hat nämlich, indem er den Muskel
im polarisirten Lichte untersuchte, verschiedene optische Ei-
genschaften der einzelnen Substanzlagen gefunden, derer,
welche die Querstreifen und derer, welche die Zwischen-
masse darstellen. Bei gewissen Methoden der Präparation er-
scheint jedes Muskel-Primitivbündel aus Platten oder Scheiben
von verschiedener Natur (Bowman’s sarcous elements) zusam-
mengeschichtet, diese ihrerseits aber wieder aus lauter kleinen
Körnchen zusammengesetzt In Wirklichkeit besteht jedoch
der Inhalt des Primitivbündels aus einer gewissen Menge
feiner Längsfibrillen, von denen jede, entsprechend der Lage
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