Im Erhabenen nimmt wie im Schönen (vergl. §. 70) das anschauende Subject den Gegenstand zuerst vermittelst der Sinne auf; sobald er aber als Ganzes aufgefaßt ist, stellt sich ein anderes Verhältniß ein, als im Schönen. Im Erhabenen ist das Sinnliche gegen die Idee negativ gesetzt. Da nun das erste Verhalten des Subjects ein sinnliches ist, so wird dieses in seinem Zusammengehen mit dem Gegenstande (vergl. §. 70 ff.) zuerst gewaltsam abgestoßen, die Unlust, die im Schönen gebunden blieb, weil der Eindruck seiner Hoheit mit dem Ge- fühle der Nähe und Vertraulichkeit ganz zusammenschmolz, entbindet sich. Nun ist aber die Negation im Gegenstande zugleich Position und zwar nicht nur der Idee, sondern des individuellen Gebildes, das die Idee ebensosehr in sich enthält, als sie zugleich unendlich über es hinausgeht (§. 84). Das Subject also, weil es im Gegenstande miteingeschlossen ist, muß sich durch einen zweiten Act erinnern, daß es selbst, wie dieser, Idee ist, die ihre begrenzte Gestalt setzt und überwindet: so wächst der Geist im Subjecte mit dem Geist im Ob- jecte zusammen und es entsteht eine durch Unlust vermittelte, also in ihrer Entstehung wesentlich bewegte Lust (Kant).
Kant (Kr. d. ästh. Urthlskr. §. 23): "das Schöne führt directe ein Gefühl der Beförderung des Lebens bei sich; das Gefühl des Er- habenen aber ist eine Lust, welche nur indirecte entspringt, nämlich so, daß sie durch das Gefühl einer augenblicklichen Hemmung der Lebenskräfte und darauf sogleich folgenden desto stärkeren Ergießung derselben erzeugt wird. -- Das Gemüth wird von dem Gegenstande nicht blos angezogen, sondern wechselsweise auch abgestoßen; daher das Wohlgefallen am Er- habenen nicht sowohl positive Lust, als vielmehr Bewunderung und Ach- tung enthält, d. i. negative Lust genannt zu werden verdient." Die Unlust faßt Kant als ein Gefühl der Zweckwidrigkeit, welches dadurch entsteht, daß die Einbildungskraft in ihrem Versuche, den Gegenstand als Ganzes zusammenzufassen, immer wieder in Ohnmacht zurücksinkt. Er nennt daher das Erhabene "gleichsam gewaltthätig für die Einbil- dungskraft." Was es eigentlich sey, dem die Lust gilt, werden wir bei Kant nachher sehen, da er blos Eine Hauptform des Erhabenen kennt.
Der ſubjective Eindruck des Erhabenen.
§. 140.
Im Erhabenen nimmt wie im Schönen (vergl. §. 70) das anſchauende Subject den Gegenſtand zuerſt vermittelſt der Sinne auf; ſobald er aber als Ganzes aufgefaßt iſt, ſtellt ſich ein anderes Verhältniß ein, als im Schönen. Im Erhabenen iſt das Sinnliche gegen die Idee negativ geſetzt. Da nun das erſte Verhalten des Subjects ein ſinnliches iſt, ſo wird dieſes in ſeinem Zuſammengehen mit dem Gegenſtande (vergl. §. 70 ff.) zuerſt gewaltſam abgeſtoßen, die Unluſt, die im Schönen gebunden blieb, weil der Eindruck ſeiner Hoheit mit dem Ge- fühle der Nähe und Vertraulichkeit ganz zuſammenſchmolz, entbindet ſich. Nun iſt aber die Negation im Gegenſtande zugleich Poſition und zwar nicht nur der Idee, ſondern des individuellen Gebildes, das die Idee ebenſoſehr in ſich enthält, als ſie zugleich unendlich über es hinausgeht (§. 84). Das Subject alſo, weil es im Gegenſtande miteingeſchloſſen iſt, muß ſich durch einen zweiten Act erinnern, daß es ſelbſt, wie dieſer, Idee iſt, die ihre begrenzte Geſtalt ſetzt und überwindet: ſo wächst der Geiſt im Subjecte mit dem Geiſt im Ob- jecte zuſammen und es entſteht eine durch Unluſt vermittelte, alſo in ihrer Entſtehung weſentlich bewegte Luſt (Kant).
Kant (Kr. d. äſth. Urthlskr. §. 23): „das Schöne führt directe ein Gefühl der Beförderung des Lebens bei ſich; das Gefühl des Er- habenen aber iſt eine Luſt, welche nur indirecte entſpringt, nämlich ſo, daß ſie durch das Gefühl einer augenblicklichen Hemmung der Lebenskräfte und darauf ſogleich folgenden deſto ſtärkeren Ergießung derſelben erzeugt wird. — Das Gemüth wird von dem Gegenſtande nicht blos angezogen, ſondern wechſelsweiſe auch abgeſtoßen; daher das Wohlgefallen am Er- habenen nicht ſowohl poſitive Luſt, als vielmehr Bewunderung und Ach- tung enthält, d. i. negative Luſt genannt zu werden verdient.“ Die Unluſt faßt Kant als ein Gefühl der Zweckwidrigkeit, welches dadurch entſteht, daß die Einbildungskraft in ihrem Verſuche, den Gegenſtand als Ganzes zuſammenzufaſſen, immer wieder in Ohnmacht zurückſinkt. Er nennt daher das Erhabene „gleichſam gewaltthätig für die Einbil- dungskraft.“ Was es eigentlich ſey, dem die Luſt gilt, werden wir bei Kant nachher ſehen, da er blos Eine Hauptform des Erhabenen kennt.
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Der ſubjective Eindruck des Erhabenen.
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Im Erhabenen nimmt wie im Schönen (vergl. §. 70) das anſchauende Subject
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die im Schönen gebunden blieb, weil der Eindruck ſeiner Hoheit mit dem Ge-
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iſt aber die Negation im Gegenſtande zugleich Poſition und zwar nicht nur der
Idee, ſondern des individuellen Gebildes, das die Idee ebenſoſehr in ſich
enthält, als ſie zugleich unendlich über es hinausgeht (§. 84). Das Subject
alſo, weil es im Gegenſtande miteingeſchloſſen iſt, muß ſich durch einen zweiten
Act erinnern, daß es ſelbſt, wie dieſer, Idee iſt, die ihre begrenzte Geſtalt
ſetzt und überwindet: ſo wächst der Geiſt im Subjecte mit dem Geiſt im Ob-
jecte zuſammen und es entſteht eine durch Unluſt vermittelte, alſo in ihrer
Entſtehung weſentlich bewegte Luſt (Kant).
Kant (Kr. d. äſth. Urthlskr. §. 23): „das Schöne führt directe
ein Gefühl der Beförderung des Lebens bei ſich; das Gefühl des Er-
habenen aber iſt eine Luſt, welche nur indirecte entſpringt, nämlich ſo,
daß ſie durch das Gefühl einer augenblicklichen Hemmung der Lebenskräfte
und darauf ſogleich folgenden deſto ſtärkeren Ergießung derſelben erzeugt
wird. — Das Gemüth wird von dem Gegenſtande nicht blos angezogen,
ſondern wechſelsweiſe auch abgeſtoßen; daher das Wohlgefallen am Er-
habenen nicht ſowohl poſitive Luſt, als vielmehr Bewunderung und Ach-
tung enthält, d. i. negative Luſt genannt zu werden verdient.“ Die
Unluſt faßt Kant als ein Gefühl der Zweckwidrigkeit, welches dadurch
entſteht, daß die Einbildungskraft in ihrem Verſuche, den Gegenſtand
als Ganzes zuſammenzufaſſen, immer wieder in Ohnmacht zurückſinkt.
Er nennt daher das Erhabene „gleichſam gewaltthätig für die Einbil-
dungskraft.“ Was es eigentlich ſey, dem die Luſt gilt, werden wir bei
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/336>, abgerufen am 22.11.2024.
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