daß wir bei einem anatomischen mehr an ein poetisches denken, als bei diesem an jenes, so heftet uns der Komiker gerade eng an das sinnlich Bestimmte und er fällt z. B. nicht auf die Knie, sondern auf beide Kniescheiben" u. s. w. Ebenso St. Schütze a. a. O. S. 131. 132: "der Ausdruck strebt im Komischen nach dem Kleinsten und Speziellsten und vermeidet das Allgemeine, welches dagegen am liebsten im Erhabenen gebraucht wird, weil dieses sich der sinnlichen Bedürfnisse schämt. Indem die erhabene Vorstellung gern in das Materielle noch einen activen An- theil legt und z. B. von einer Beschirmung und Bedeckung des Hauptes spricht, nennt der Komiker geradezu die Sache, von der der Mensch abhängt, und setzt dafür nicht nur den Hut und die Mütze, sondern wohl gar den Filzhut, den Filz, die Strumpfmütze, die Nachtmütze, und damit der hohe Geist dadurch recht sehr beschämt werde, fragt er z. B. nach dem Befinden des Verstandes unter der Schlafmütze, wo gleich mehr als Ein Bedürfniß sich an die Freiheit hängt."
2. Es sind bisher verschiedene Bezeichnungen für das Gegenglied gebraucht worden je nach der aufgeführten Form des Erhabenen. Der §. faßt sie zusammen, wobei nur die wesentlichen zu wiederholen sind. Bei dem Erhabenen der Kraft hieß das Gegenglied mechanischer Stoß, bei dem Zweckmäßigen Zweckwidrigkeit u. s. w.: nicht alle diese einzelnen Wendungen mußten wieder aufgezählt werden.
3. Selbst die vorhin genannte Schlafmütze ist nicht etwas vom Geiste völlig Verlassenes, denn für einen Zweck ist sie erfunden und ihr ihre Form gegeben worden. An seinem Orte hat Alles Sinn und es gibt keine Materie, die nicht irgendwie geformt wäre. Auch mag es unter Umständen ganz nützlich und vernünftig seyn, von Schlafmützen Gebrauch zu machen; im Komischen stehen eben die Sachen so, daß ebendies geltend gemacht werden soll gegen den, der etwa über diese und andere Bedürfnisse erhaben zu seyn sich stellen wollte: diese Dinge mit ihrem bischen Vernunft sind jetzt im Rechte. Allein zuerst soll der unendliche Absturz des erhabenen Scheins in's Licht treten und es be- darf einer Erklärung, warum er unendlich ist, da doch eigentlich selbst das Kleinste noch Sinn, also Theil an der Idee hat.
§. 169.
Da auch das Komische ein Verhältnißbegriff ist, so mußte nicht nur das Erhabene, das sein erstes Glied bildet, in unbestimmter Weite gefaßt werden (§. 156), sondern ebenso verhält es sich mit dem Einzelnen, welches das
daß wir bei einem anatomiſchen mehr an ein poetiſches denken, als bei dieſem an jenes, ſo heftet uns der Komiker gerade eng an das ſinnlich Beſtimmte und er fällt z. B. nicht auf die Knie, ſondern auf beide Knieſcheiben“ u. ſ. w. Ebenſo St. Schütze a. a. O. S. 131. 132: „der Ausdruck ſtrebt im Komiſchen nach dem Kleinſten und Speziellſten und vermeidet das Allgemeine, welches dagegen am liebſten im Erhabenen gebraucht wird, weil dieſes ſich der ſinnlichen Bedürfniſſe ſchämt. Indem die erhabene Vorſtellung gern in das Materielle noch einen activen An- theil legt und z. B. von einer Beſchirmung und Bedeckung des Hauptes ſpricht, nennt der Komiker geradezu die Sache, von der der Menſch abhängt, und ſetzt dafür nicht nur den Hut und die Mütze, ſondern wohl gar den Filzhut, den Filz, die Strumpfmütze, die Nachtmütze, und damit der hohe Geiſt dadurch recht ſehr beſchämt werde, fragt er z. B. nach dem Befinden des Verſtandes unter der Schlafmütze, wo gleich mehr als Ein Bedürfniß ſich an die Freiheit hängt.“
2. Es ſind bisher verſchiedene Bezeichnungen für das Gegenglied gebraucht worden je nach der aufgeführten Form des Erhabenen. Der §. faßt ſie zuſammen, wobei nur die weſentlichen zu wiederholen ſind. Bei dem Erhabenen der Kraft hieß das Gegenglied mechaniſcher Stoß, bei dem Zweckmäßigen Zweckwidrigkeit u. ſ. w.: nicht alle dieſe einzelnen Wendungen mußten wieder aufgezählt werden.
3. Selbſt die vorhin genannte Schlafmütze iſt nicht etwas vom Geiſte völlig Verlaſſenes, denn für einen Zweck iſt ſie erfunden und ihr ihre Form gegeben worden. An ſeinem Orte hat Alles Sinn und es gibt keine Materie, die nicht irgendwie geformt wäre. Auch mag es unter Umſtänden ganz nützlich und vernünftig ſeyn, von Schlafmützen Gebrauch zu machen; im Komiſchen ſtehen eben die Sachen ſo, daß ebendies geltend gemacht werden ſoll gegen den, der etwa über dieſe und andere Bedürfniſſe erhaben zu ſeyn ſich ſtellen wollte: dieſe Dinge mit ihrem bischen Vernunft ſind jetzt im Rechte. Allein zuerſt ſoll der unendliche Abſturz des erhabenen Scheins in’s Licht treten und es be- darf einer Erklärung, warum er unendlich iſt, da doch eigentlich ſelbſt das Kleinſte noch Sinn, alſo Theil an der Idee hat.
§. 169.
Da auch das Komiſche ein Verhältnißbegriff iſt, ſo mußte nicht nur das Erhabene, das ſein erſtes Glied bildet, in unbeſtimmter Weite gefaßt werden (§. 156), ſondern ebenſo verhält es ſich mit dem Einzelnen, welches das
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„der Ausdruck ſtrebt im Komiſchen nach dem Kleinſten und Speziellſten
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die erhabene Vorſtellung gern in das Materielle noch einen activen An-
theil legt und z. B. von einer Beſchirmung und Bedeckung des Hauptes
ſpricht, nennt der Komiker geradezu die Sache, von der der Menſch
abhängt, und ſetzt dafür nicht nur den Hut und die Mütze, ſondern wohl
gar den Filzhut, den Filz, die Strumpfmütze, die Nachtmütze, und damit
der hohe Geiſt dadurch recht ſehr beſchämt werde, fragt er z. B. nach
dem Befinden des Verſtandes unter der Schlafmütze, wo gleich mehr als
Ein Bedürfniß ſich an die Freiheit hängt.“
2. Es ſind bisher verſchiedene Bezeichnungen für das Gegenglied
gebraucht worden je nach der aufgeführten Form des Erhabenen. Der §.
faßt ſie zuſammen, wobei nur die weſentlichen zu wiederholen ſind.
Bei dem Erhabenen der Kraft hieß das Gegenglied mechaniſcher Stoß,
bei dem Zweckmäßigen Zweckwidrigkeit u. ſ. w.: nicht alle dieſe einzelnen
Wendungen mußten wieder aufgezählt werden.
3. Selbſt die vorhin genannte Schlafmütze iſt nicht etwas vom
Geiſte völlig Verlaſſenes, denn für einen Zweck iſt ſie erfunden und ihr
ihre Form gegeben worden. An ſeinem Orte hat Alles Sinn und es
gibt keine Materie, die nicht irgendwie geformt wäre. Auch mag es
unter Umſtänden ganz nützlich und vernünftig ſeyn, von Schlafmützen
Gebrauch zu machen; im Komiſchen ſtehen eben die Sachen ſo, daß
ebendies geltend gemacht werden ſoll gegen den, der etwa über dieſe
und andere Bedürfniſſe erhaben zu ſeyn ſich ſtellen wollte: dieſe Dinge
mit ihrem bischen Vernunft ſind jetzt im Rechte. Allein zuerſt ſoll der
unendliche Abſturz des erhabenen Scheins in’s Licht treten und es be-
darf einer Erklärung, warum er unendlich iſt, da doch eigentlich ſelbſt
das Kleinſte noch Sinn, alſo Theil an der Idee hat.
§. 169.
Da auch das Komiſche ein Verhältnißbegriff iſt, ſo mußte nicht nur das
Erhabene, das ſein erſtes Glied bildet, in unbeſtimmter Weite gefaßt werden
(§. 156), ſondern ebenſo verhält es ſich mit dem Einzelnen, welches das
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/389>, abgerufen am 23.11.2024.
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