vorhergehenden Weise des Zustands oder Thuns schon die folgende entgegen- gesetzte und in der folgenden noch die vorhergehende enthalten seyn, so daß unter dem Erhabenen, das sich zuerst kund gab, bereits das unendlich Kleine verborgen spielte und nur jetzt erst an den Tag kommt, umgekehrt aber im unendlich Kleinen auch das Erhabene, seines Anspruchs auf das Ansehen einer fremden Macht entkleidet, sich forterhält. Nun fallen die Gegenglieder in Eine Zeit Eines Subjects zusammen und sind daher ein voller Widerspruch. 2Das Komische ist eine sich selbst aufhebende Bewegung, die zugleich nach dem Ziele hin und davon abführt.
1. Schon Lessing hat angedeutet, was der §. enthält und hat dadurch noch um ein bedeutendes tiefer gesehen, als Beattie, wenn er (Laokoon §. 23) sagt, die Opposita müssen sich im Komischen in einan- der verschmelzen lassen. Aehnlich St. Schütze a. a. O. S. 93. 94. Beide aber meinen darum den Kontrast abschwächen zu müssen, er soll "nicht zu krall und schneidend", nur "ein großer Abstand" seyn. Im Gegentheil entsteht mit dem Ineinander der Widerspruch, der mehr noch ist als Contrast. Es muß nämlich nicht nur in dem lockeren Sinne dasselbe Subject seyn, welches sich von einem Extrem zum entgegen- gesetzten bewegt, daß Einer heute weise oder stark, morgen thöricht oder schwach erscheint. Darüber lachen wir noch nicht, wenn wir in bloßer Zeitfolge auf nebeneinander liegenden Punkten Gegensätze sehen. Wenn in Wirklichkeit dieser Wechsel des Subjects in verschiedene Zeiten aus- einanderfällt, so muß der Zuschauer, wofern der Fall komisch seyn soll, durch scharfe Festhaltung der Identität des Subjects das Getrennte in Eins setzen; der ächte komische Act aber verlangt, daß der Moment des Uebergangs als Moment vor die Augen trete, in welchem der vorher- gehende Zustand oder Act mit dem folgenden mitten im Umspringen sich an der Hand faßt. Die Identität des Subjects darf sich nicht wie Sub- stanz hinter Accidens hinter dem Wechsel ihrer Eigenschaften verbergen, sonst ist dieser Wechsel kein Widerspruch. Dasselbe Subject muß in demselben Punkte zugleich als weise oder stark und als thöricht oder schwach erscheinen. Dieser wandelnde Widerspruch ist ja eben der Mensch. So kommt es nun heraus, daß in der Anstrengung, erhaben zu seyn, schon die Narrheit, eine Einflüsterung des Instincts, eine Grille, eine Gedankenlosigkeit u. s. w. unter der Decke spielte, diese Narrheit bricht im Umspringen plötzlich hervor und unser Gefühl ist: Ja so! Nun ist aber wieder die jetzige Narrheit oder Schwäche nicht das Ganze; war
vorhergehenden Weiſe des Zuſtands oder Thuns ſchon die folgende entgegen- geſetzte und in der folgenden noch die vorhergehende enthalten ſeyn, ſo daß unter dem Erhabenen, das ſich zuerſt kund gab, bereits das unendlich Kleine verborgen ſpielte und nur jetzt erſt an den Tag kommt, umgekehrt aber im unendlich Kleinen auch das Erhabene, ſeines Anſpruchs auf das Anſehen einer fremden Macht entkleidet, ſich forterhält. Nun fallen die Gegenglieder in Eine Zeit Eines Subjects zuſammen und ſind daher ein voller Widerſpruch. 2Das Komiſche iſt eine ſich ſelbſt aufhebende Bewegung, die zugleich nach dem Ziele hin und davon abführt.
1. Schon Leſſing hat angedeutet, was der §. enthält und hat dadurch noch um ein bedeutendes tiefer geſehen, als Beattie, wenn er (Laokoon §. 23) ſagt, die Oppoſita müſſen ſich im Komiſchen in einan- der verſchmelzen laſſen. Aehnlich St. Schütze a. a. O. S. 93. 94. Beide aber meinen darum den Kontraſt abſchwächen zu müſſen, er ſoll „nicht zu krall und ſchneidend“, nur „ein großer Abſtand“ ſeyn. Im Gegentheil entſteht mit dem Ineinander der Widerſpruch, der mehr noch iſt als Contraſt. Es muß nämlich nicht nur in dem lockeren Sinne daſſelbe Subject ſeyn, welches ſich von einem Extrem zum entgegen- geſetzten bewegt, daß Einer heute weiſe oder ſtark, morgen thöricht oder ſchwach erſcheint. Darüber lachen wir noch nicht, wenn wir in bloßer Zeitfolge auf nebeneinander liegenden Punkten Gegenſätze ſehen. Wenn in Wirklichkeit dieſer Wechſel des Subjects in verſchiedene Zeiten aus- einanderfällt, ſo muß der Zuſchauer, wofern der Fall komiſch ſeyn ſoll, durch ſcharfe Feſthaltung der Identität des Subjects das Getrennte in Eins ſetzen; der ächte komiſche Act aber verlangt, daß der Moment des Uebergangs als Moment vor die Augen trete, in welchem der vorher- gehende Zuſtand oder Act mit dem folgenden mitten im Umſpringen ſich an der Hand faßt. Die Identität des Subjects darf ſich nicht wie Sub- ſtanz hinter Accidens hinter dem Wechſel ihrer Eigenſchaften verbergen, ſonſt iſt dieſer Wechſel kein Widerſpruch. Daſſelbe Subject muß in demſelben Punkte zugleich als weiſe oder ſtark und als thöricht oder ſchwach erſcheinen. Dieſer wandelnde Widerſpruch iſt ja eben der Menſch. So kommt es nun heraus, daß in der Anſtrengung, erhaben zu ſeyn, ſchon die Narrheit, eine Einflüſterung des Inſtincts, eine Grille, eine Gedankenloſigkeit u. ſ. w. unter der Decke ſpielte, dieſe Narrheit bricht im Umſpringen plötzlich hervor und unſer Gefühl iſt: Ja ſo! Nun iſt aber wieder die jetzige Narrheit oder Schwäche nicht das Ganze; war
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verborgen ſpielte und nur jetzt erſt an den Tag kommt, umgekehrt aber im
unendlich Kleinen auch das Erhabene, ſeines Anſpruchs auf das Anſehen einer
fremden Macht entkleidet, ſich forterhält. Nun fallen die Gegenglieder in
Eine Zeit Eines Subjects zuſammen und ſind daher ein voller Widerſpruch.
Das Komiſche iſt eine ſich ſelbſt aufhebende Bewegung, die zugleich nach dem
Ziele hin und davon abführt.
1. Schon Leſſing hat angedeutet, was der §. enthält und hat
dadurch noch um ein bedeutendes tiefer geſehen, als Beattie, wenn er
(Laokoon §. 23) ſagt, die Oppoſita müſſen ſich im Komiſchen in einan-
der verſchmelzen laſſen. Aehnlich St. Schütze a. a. O. S. 93. 94.
Beide aber meinen darum den Kontraſt abſchwächen zu müſſen, er ſoll
„nicht zu krall und ſchneidend“, nur „ein großer Abſtand“ ſeyn. Im
Gegentheil entſteht mit dem Ineinander der Widerſpruch, der mehr noch
iſt als Contraſt. Es muß nämlich nicht nur in dem lockeren Sinne
daſſelbe Subject ſeyn, welches ſich von einem Extrem zum entgegen-
geſetzten bewegt, daß Einer heute weiſe oder ſtark, morgen thöricht oder
ſchwach erſcheint. Darüber lachen wir noch nicht, wenn wir in bloßer
Zeitfolge auf nebeneinander liegenden Punkten Gegenſätze ſehen. Wenn
in Wirklichkeit dieſer Wechſel des Subjects in verſchiedene Zeiten aus-
einanderfällt, ſo muß der Zuſchauer, wofern der Fall komiſch ſeyn ſoll,
durch ſcharfe Feſthaltung der Identität des Subjects das Getrennte in
Eins ſetzen; der ächte komiſche Act aber verlangt, daß der Moment des
Uebergangs als Moment vor die Augen trete, in welchem der vorher-
gehende Zuſtand oder Act mit dem folgenden mitten im Umſpringen ſich
an der Hand faßt. Die Identität des Subjects darf ſich nicht wie Sub-
ſtanz hinter Accidens hinter dem Wechſel ihrer Eigenſchaften verbergen,
ſonſt iſt dieſer Wechſel kein Widerſpruch. Daſſelbe Subject muß in
demſelben Punkte zugleich als weiſe oder ſtark und als thöricht oder
ſchwach erſcheinen. Dieſer wandelnde Widerſpruch iſt ja eben der Menſch.
So kommt es nun heraus, daß in der Anſtrengung, erhaben zu ſeyn,
ſchon die Narrheit, eine Einflüſterung des Inſtincts, eine Grille, eine
Gedankenloſigkeit u. ſ. w. unter der Decke ſpielte, dieſe Narrheit bricht
im Umſpringen plötzlich hervor und unſer Gefühl iſt: Ja ſo! Nun iſt
aber wieder die jetzige Narrheit oder Schwäche nicht das Ganze; war
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/396>, abgerufen am 23.11.2024.
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