nunmehr aber als der ausdrückliche besondere Act, woher jenes Moment den Namen entlehnt, an ihrer eigentlichen Stelle aufgetreten. Als solcher nun ist sie nur ein einzelner und leidet trotz der nothwendigen Ausführlichkeit an der Punktualität des Witzes überhaupt. Ferner bleibt sowohl dies zufällig, ob auch bei der reineren Form derselben das gestrafte Subject in das befreiende Be- wußtseyn eingeht oder nicht, als auch, ob jene überhaupt eintrete oder nicht, denn die Persönlichkeit, welche dafür bürgt, ist noch nicht gefunden. Endlich, wie die Ironie im ganzen Komischen nur ein Moment ist, so bleibt sie auch als ausdrückliche Witzform in ihrem Schlusse unvollständig, weil das unendlich Kleine, das sie straft, nicht im Genusse der Berechtigung erscheint, die ihm im Komischen gebührt. Eben an diesem Mangel leidet aber aller Witz, nur der zwecklose, darum aber aus anderem Grund (§. 195) mangelhafte nicht. Die Kälte der Reflexion, welche dem Witz überhaupt inwohnt und wodurch er bei seiner höheren Geistigkeit dennoch gegen das zutrauliche Instinctleben des naiv Komischen im Nachtheile steht, hängt also auch der Ironie an.
Der §. faßt zusammen, was in verschiedenen Anmerkungen schon aufgestellt ist. Was den zweiten Mangel betrifft, der von der Ironie ausgesagt wird, so gibt ihn Ruge selbst (a. a. O. S. 163: "die Ironie überläßt es dieser Endlichkeit in jedem einzelnen Falle selbst, ob sie sich ihres Rechtes bedienen, oder ob sie für sich bleiben will") freilich nicht ganz zu, denn es liegt in diesen Worten nur, daß die Ironie der End- lichkeit hiezu jedenfalls die Gelegenheit gebe; aber wir bestreiten dieses: jedenfalls. Den dritten Grund aber hat er, auch hier ethisirend, über- sehen. Die Ironie erscheint bei ihm ganz wie eine Besserungsanstalt. Allein in allem Komischen soll ja die Thorheit als berechtigt erscheinen. Schon oben (§. 201, Anm.) haben wir daher den Rückblick auf den ironischen Act als wesentlich erwähnt, welcher die Sache noch einmal umdreht, also nicht auf die Herstellung des Bewußtseyns, sondern eben auf den Doppelschimmer des Unbewußten mit dem Bewußten den Nach- druck legt. Das Wahre ist, daß der Ironiker selbst mit seinem freieren Bewußtseyn ebenso als Narr erscheinen müßte, wie der Verirrte mit seinem unfreien. Ebendies thut jener aber nicht; auch schonend stellt er sich wohlweise über den Getroffenen. Die Stelle Ruges (a. a. O. S. 174) von der Nichtigkeits-Erklärung des Endlichen verläßt ganz den komischen Standpunkt; der Ironiker sollte das Endliche für ein trotz seiner Verirrung Berechtigtes erklären und weil er dazu die
nunmehr aber als der ausdrückliche beſondere Act, woher jenes Moment den Namen entlehnt, an ihrer eigentlichen Stelle aufgetreten. Als ſolcher nun iſt ſie nur ein einzelner und leidet trotz der nothwendigen Ausführlichkeit an der Punktualität des Witzes überhaupt. Ferner bleibt ſowohl dies zufällig, ob auch bei der reineren Form derſelben das geſtrafte Subject in das befreiende Be- wußtſeyn eingeht oder nicht, als auch, ob jene überhaupt eintrete oder nicht, denn die Perſönlichkeit, welche dafür bürgt, iſt noch nicht gefunden. Endlich, wie die Ironie im ganzen Komiſchen nur ein Moment iſt, ſo bleibt ſie auch als ausdrückliche Witzform in ihrem Schluſſe unvollſtändig, weil das unendlich Kleine, das ſie ſtraft, nicht im Genuſſe der Berechtigung erſcheint, die ihm im Komiſchen gebührt. Eben an dieſem Mangel leidet aber aller Witz, nur der zweckloſe, darum aber aus anderem Grund (§. 195) mangelhafte nicht. Die Kälte der Reflexion, welche dem Witz überhaupt inwohnt und wodurch er bei ſeiner höheren Geiſtigkeit dennoch gegen das zutrauliche Inſtinctleben des naiv Komiſchen im Nachtheile ſteht, hängt alſo auch der Ironie an.
Der §. faßt zuſammen, was in verſchiedenen Anmerkungen ſchon aufgeſtellt iſt. Was den zweiten Mangel betrifft, der von der Ironie ausgeſagt wird, ſo gibt ihn Ruge ſelbſt (a. a. O. S. 163: „die Ironie überläßt es dieſer Endlichkeit in jedem einzelnen Falle ſelbſt, ob ſie ſich ihres Rechtes bedienen, oder ob ſie für ſich bleiben will“) freilich nicht ganz zu, denn es liegt in dieſen Worten nur, daß die Ironie der End- lichkeit hiezu jedenfalls die Gelegenheit gebe; aber wir beſtreiten dieſes: jedenfalls. Den dritten Grund aber hat er, auch hier ethiſirend, über- ſehen. Die Ironie erſcheint bei ihm ganz wie eine Beſſerungsanſtalt. Allein in allem Komiſchen ſoll ja die Thorheit als berechtigt erſcheinen. Schon oben (§. 201, Anm.) haben wir daher den Rückblick auf den ironiſchen Act als weſentlich erwähnt, welcher die Sache noch einmal umdreht, alſo nicht auf die Herſtellung des Bewußtſeyns, ſondern eben auf den Doppelſchimmer des Unbewußten mit dem Bewußten den Nach- druck legt. Das Wahre iſt, daß der Ironiker ſelbſt mit ſeinem freieren Bewußtſeyn ebenſo als Narr erſcheinen müßte, wie der Verirrte mit ſeinem unfreien. Ebendies thut jener aber nicht; auch ſchonend ſtellt er ſich wohlweiſe über den Getroffenen. Die Stelle Ruges (a. a. O. S. 174) von der Nichtigkeits-Erklärung des Endlichen verläßt ganz den komiſchen Standpunkt; der Ironiker ſollte das Endliche für ein trotz ſeiner Verirrung Berechtigtes erklären und weil er dazu die
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Punktualität des Witzes überhaupt. Ferner bleibt ſowohl dies zufällig, ob auch
bei der reineren Form derſelben das geſtrafte Subject in das befreiende Be-
wußtſeyn eingeht oder nicht, als auch, ob jene überhaupt eintrete oder nicht,
denn die Perſönlichkeit, welche dafür bürgt, iſt noch nicht gefunden. Endlich,
wie die Ironie im ganzen Komiſchen nur ein Moment iſt, ſo bleibt ſie auch
als ausdrückliche Witzform in ihrem Schluſſe unvollſtändig, weil das unendlich
Kleine, das ſie ſtraft, nicht im Genuſſe der Berechtigung erſcheint, die ihm im
Komiſchen gebührt. Eben an dieſem Mangel leidet aber aller Witz, nur der
zweckloſe, darum aber aus anderem Grund (§. 195) mangelhafte nicht. Die
Kälte der Reflexion, welche dem Witz überhaupt inwohnt und wodurch er bei
ſeiner höheren Geiſtigkeit dennoch gegen das zutrauliche Inſtinctleben des naiv
Komiſchen im Nachtheile ſteht, hängt alſo auch der Ironie an.
Der §. faßt zuſammen, was in verſchiedenen Anmerkungen ſchon
aufgeſtellt iſt. Was den zweiten Mangel betrifft, der von der Ironie
ausgeſagt wird, ſo gibt ihn Ruge ſelbſt (a. a. O. S. 163: „die Ironie
überläßt es dieſer Endlichkeit in jedem einzelnen Falle ſelbſt, ob ſie ſich
ihres Rechtes bedienen, oder ob ſie für ſich bleiben will“) freilich nicht
ganz zu, denn es liegt in dieſen Worten nur, daß die Ironie der End-
lichkeit hiezu jedenfalls die Gelegenheit gebe; aber wir beſtreiten dieſes:
jedenfalls. Den dritten Grund aber hat er, auch hier ethiſirend, über-
ſehen. Die Ironie erſcheint bei ihm ganz wie eine Beſſerungsanſtalt.
Allein in allem Komiſchen ſoll ja die Thorheit als berechtigt erſcheinen.
Schon oben (§. 201, Anm.) haben wir daher den Rückblick auf den
ironiſchen Act als weſentlich erwähnt, welcher die Sache noch einmal
umdreht, alſo nicht auf die Herſtellung des Bewußtſeyns, ſondern eben
auf den Doppelſchimmer des Unbewußten mit dem Bewußten den Nach-
druck legt. Das Wahre iſt, daß der Ironiker ſelbſt mit ſeinem freieren
Bewußtſeyn ebenſo als Narr erſcheinen müßte, wie der Verirrte mit ſeinem
unfreien. Ebendies thut jener aber nicht; auch ſchonend ſtellt
er ſich wohlweiſe über den Getroffenen. Die Stelle Ruges
(a. a. O. S. 174) von der Nichtigkeits-Erklärung des Endlichen verläßt
ganz den komiſchen Standpunkt; der Ironiker ſollte das Endliche für
ein trotz ſeiner Verirrung Berechtigtes erklären und weil er dazu die
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/454>, abgerufen am 22.11.2024.
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