lachung des Humoristen ist. Ruge führt S. 188 die schönen Stellen aus J. Paul an, worin dieser zeigt, wie der Humorist nie den einzelnen Thoren, sondern immer die allgemeine Thorheit meint und trifft und sich dadurch von dem gemeinen Satyriker (hiedurch verräth sich J. Paul, denn der edle Satyriker wäre demnach Humorist) unterscheidet. J. Paul nennt dies die humoristische Totalität. Als Ausdruck dieser Totalität fordert er eben die Selbstverlachung und so auch Ruge. Allein dies Alles ist nicht genug. J. Paul verräth auch dadurch seine Verwechs- lung des Humors mit der edleren Satyre, daß er sagt (§. 32), der Humor sey gegen einzelne Thorheiten darum mild und duldsam, weil diese in der Masse weniger bedeuten und beschädigen und weil der Humorist seine eigene Verwandtschaft mit der Menschheit sich nicht läugnen könne; allein gegen die ganze Masse müßte ja dann der Humor um so mehr Verachtung haben und eben dann könnte er das eigene Subject entweder nicht einschließen oder nur mit Zerknirschung. Vielmehr gilt auch hier, daß, was ganz allgemein ist, kein absolutes Uebel seyn kann, und daß in der großen Thorenwelt die Thorheit als Unterlage, Reizmittel und geheime Geburtsstätte der Weisheit gerade wirklich liebenswürdig wird.
§. 213.
Wendet man §. 181, 1 auf den Humor an, so entsteht die Frage, ob eine objectiv und eine subjectiv humoristische Persönlichkeit zu unterscheiden sey. Nur in ganz relativer Bedeutung ist dies auf dieser höchsten Stufe zu bejahen, denn eben die freiere Persönlichkeit, welcher dort das eigene Bewußtseyn des Widerspruchs als dauerndes Eigenthum zuerkannt wird, ist die Bedingung des Humors. Das Subject von tieferer sittlicher Lebendigkeit, dessen reines Selbst- gefühl durch die Unangemessenheit der eigenen Erscheinung, durch Druck des Zufalls und unbesiegte Nachwirkung innerer Unfreiheit gebrochen ist, wird noth- wendig in sich zurückgeworfen und vollzieht selbst in sich über sich und die Welt den komischen Prozeß. Es kann nun zwar allerdings dieser Prozeß mehr oder minder sich zur freien Fertigkeit entwickeln; wenn aber hiedurch über den ver- gleichungsweise bewußtloseren der vergleichungsweise bewußtere Humorist tritt, so hört darum jener nicht auf, das ganze Komische in sich darzustellen und die Stelle einzunehmen, wo dieses qualitativ seine Stufenleiter abschließt.
Man pflegt einen objectiv und einen subjectiv humoristischen Charak- ter zu unterscheiden und unter jenem die unendlich gehaltvolle, aber durch
lachung des Humoriſten iſt. Ruge führt S. 188 die ſchönen Stellen aus J. Paul an, worin dieſer zeigt, wie der Humoriſt nie den einzelnen Thoren, ſondern immer die allgemeine Thorheit meint und trifft und ſich dadurch von dem gemeinen Satyriker (hiedurch verräth ſich J. Paul, denn der edle Satyriker wäre demnach Humoriſt) unterſcheidet. J. Paul nennt dies die humoriſtiſche Totalität. Als Ausdruck dieſer Totalität fordert er eben die Selbſtverlachung und ſo auch Ruge. Allein dies Alles iſt nicht genug. J. Paul verräth auch dadurch ſeine Verwechs- lung des Humors mit der edleren Satyre, daß er ſagt (§. 32), der Humor ſey gegen einzelne Thorheiten darum mild und duldſam, weil dieſe in der Maſſe weniger bedeuten und beſchädigen und weil der Humoriſt ſeine eigene Verwandtſchaft mit der Menſchheit ſich nicht läugnen könne; allein gegen die ganze Maſſe müßte ja dann der Humor um ſo mehr Verachtung haben und eben dann könnte er das eigene Subject entweder nicht einſchließen oder nur mit Zerknirſchung. Vielmehr gilt auch hier, daß, was ganz allgemein iſt, kein abſolutes Uebel ſeyn kann, und daß in der großen Thorenwelt die Thorheit als Unterlage, Reizmittel und geheime Geburtsſtätte der Weisheit gerade wirklich liebenswürdig wird.
§. 213.
Wendet man §. 181, 1 auf den Humor an, ſo entſteht die Frage, ob eine objectiv und eine ſubjectiv humoriſtiſche Perſönlichkeit zu unterſcheiden ſey. Nur in ganz relativer Bedeutung iſt dies auf dieſer höchſten Stufe zu bejahen, denn eben die freiere Perſönlichkeit, welcher dort das eigene Bewußtſeyn des Widerſpruchs als dauerndes Eigenthum zuerkannt wird, iſt die Bedingung des Humors. Das Subject von tieferer ſittlicher Lebendigkeit, deſſen reines Selbſt- gefühl durch die Unangemeſſenheit der eigenen Erſcheinung, durch Druck des Zufalls und unbeſiegte Nachwirkung innerer Unfreiheit gebrochen iſt, wird noth- wendig in ſich zurückgeworfen und vollzieht ſelbſt in ſich über ſich und die Welt den komiſchen Prozeß. Es kann nun zwar allerdings dieſer Prozeß mehr oder minder ſich zur freien Fertigkeit entwickeln; wenn aber hiedurch über den ver- gleichungsweiſe bewußtloſeren der vergleichungsweiſe bewußtere Humoriſt tritt, ſo hört darum jener nicht auf, das ganze Komiſche in ſich darzuſtellen und die Stelle einzunehmen, wo dieſes qualitativ ſeine Stufenleiter abſchließt.
Man pflegt einen objectiv und einen ſubjectiv humoriſtiſchen Charak- ter zu unterſcheiden und unter jenem die unendlich gehaltvolle, aber durch
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denn der edle Satyriker wäre demnach Humoriſt) unterſcheidet. J. Paul
nennt dies die humoriſtiſche Totalität. Als Ausdruck dieſer Totalität
fordert er eben die Selbſtverlachung und ſo auch Ruge. Allein dies
Alles iſt nicht genug. J. Paul verräth auch dadurch ſeine Verwechs-
lung des Humors mit der edleren Satyre, daß er ſagt (§. 32), der
Humor ſey gegen einzelne Thorheiten darum mild und duldſam, weil
dieſe in der Maſſe weniger bedeuten und beſchädigen und weil der Humoriſt
ſeine eigene Verwandtſchaft mit der Menſchheit ſich nicht läugnen könne;
allein gegen die ganze Maſſe müßte ja dann der Humor um ſo mehr
Verachtung haben und eben dann könnte er das eigene Subject entweder
nicht einſchließen oder nur mit Zerknirſchung. Vielmehr gilt auch hier,
daß, was ganz allgemein iſt, kein abſolutes Uebel ſeyn kann, und daß
in der großen Thorenwelt die Thorheit als Unterlage, Reizmittel und
geheime Geburtsſtätte der Weisheit gerade wirklich liebenswürdig wird.
§. 213.
Wendet man §. 181, 1 auf den Humor an, ſo entſteht die Frage, ob
eine objectiv und eine ſubjectiv humoriſtiſche Perſönlichkeit zu unterſcheiden ſey.
Nur in ganz relativer Bedeutung iſt dies auf dieſer höchſten Stufe zu bejahen,
denn eben die freiere Perſönlichkeit, welcher dort das eigene Bewußtſeyn des
Widerſpruchs als dauerndes Eigenthum zuerkannt wird, iſt die Bedingung des
Humors. Das Subject von tieferer ſittlicher Lebendigkeit, deſſen reines Selbſt-
gefühl durch die Unangemeſſenheit der eigenen Erſcheinung, durch Druck des
Zufalls und unbeſiegte Nachwirkung innerer Unfreiheit gebrochen iſt, wird noth-
wendig in ſich zurückgeworfen und vollzieht ſelbſt in ſich über ſich und die Welt
den komiſchen Prozeß. Es kann nun zwar allerdings dieſer Prozeß mehr oder
minder ſich zur freien Fertigkeit entwickeln; wenn aber hiedurch über den ver-
gleichungsweiſe bewußtloſeren der vergleichungsweiſe bewußtere Humoriſt tritt,
ſo hört darum jener nicht auf, das ganze Komiſche in ſich darzuſtellen und die
Stelle einzunehmen, wo dieſes qualitativ ſeine Stufenleiter abſchließt.
Man pflegt einen objectiv und einen ſubjectiv humoriſtiſchen Charak-
ter zu unterſcheiden und unter jenem die unendlich gehaltvolle, aber durch
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/469>, abgerufen am 22.11.2024.
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